VERSORGUNGSLÜCKEN IN AMBULANTER RHEUMATOLOGIE

Neue Wege einschlagen, um Nachwuchs zu gewinnen

Dr. Ulrich von Hinüber

Dr. Ulrich von Hinüber

Anlässlich des BDRh-Kongresses in Berlin stellte Dr. Ulrich von Hinüber, Hildesheim, seine Ideen und sein Konzept einer regionalen Verbundweiterbildung vor.

In den letzten Jahren kam es in Niedersachsen zu etlichen Praxisschließungen ohne Nachfolge, sodass die verbleibenden Einrichtungen seitdem eine große Nachfragewelle zu bewältigen haben. Es zeigte sich, dass zuletzt in Niedersachsen nur noch 2 Facharztprüfungen jährlich stattfanden (bundesweit 45 bis 50). 2020 gab es in der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) 14 Weiterbildungsermächtigungen in den Praxen und 3 in den Kliniken. Alle noch vorhandenen rheumatologischen Rehakliniken waren weitgehend aus der Weiterbildung ausgeschieden, 2 Rheumaakutkliniken stehen z. B. 18 in Nordrhein-Westfalen gegenüber!

Alle Verbesserungen in der Bedarfsplanung werden durch Nachwuchsmangel konterkariert. Vorhandene Bewerbungen wurden in den Kliniken vorgelegt und mangels Kapazitäten meist abgelehnt. Den vorhandenen Weiterbildungsstellen in den Praxen wurden kaum Bewerbungen geschickt, wohl im Hinblick auf die dort fehlende stationäre Weiterbildung. Im Zuge dieser Entwicklungen beschäftigte sich Dr. von Hinüber mit der Weiterbildungssituation in Niedersachsen, um herauszufinden, welche Möglichkeiten sich zur Akquisition von Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten bieten (nachzulesen unter https://www.rheumamanagement-online.de/detailansicht/verbundweiterbildung-in-der-rheumatologie).

In dem folgenden Interview geht Dr. von Hinüber kurz auf die von ihm vorangetriebene Lösung ein, aber auch auf mögliche Ansätze ähnlicher Konzepte in anderen KV-Gebieten.

Herr Dr. von Hinüber, können Sie in wenigen Worten das Konzept der Verbundweiterbildung skizzieren?

Alle Bewerbungen werden – sofern Common Trunk etc. bereits abgeleistet sind  – dem Rheumazentrum Niedersachsen vorgelegt. Der Vorstand vermittelt zwischen den Bewerbern und den offenen Weiterbildungsstellen. Ambulante Weiterbildungen werden durch KV und Krankenkassen bis zu 2 Jahre gefördert, der verbleibende Teil der stationären Weiterbildung, der zusätzlich zu den bereits vorhandenen Stellen geleistet werden muss, wird aus einem Förderpool, der aus Industriemitteln gespeist wird - Firmen- und Produkt-unabhängig – für 1 Jahr über das Rheumazentrum gefördert.

Halten Sie dieses Konzept für übertragbar, so als Grundidee für Kolleginnen und Kollegen in anderen Teilen Deutschlands?

Wenn die regionalen WBO – abweichend zur MWBO – 2 Jahre ambulante Weiterbildung vorsehen, und diese Zeit möglichst auch von KVen und Krankenkassen gefördert wird, ist dieses Konzept für alle KVen übertragbar.

Gab es von Seiten der Institutionen KVN oder ÄKN Einwände gegen eine Beteiligung nicht-ärztlicher Partner?

Die KVN hat sich sehr für das Konzept engagiert. Die ÄKN hat immerhin die MWBO angepasst, hat allerdings offenbar extreme Vorbehalte gegen jede Industriebeteiligung, und hat sich entsprechend auch gegenüber unserem Sozialministerium geäußert.

Zum Abschluss die Frage: Um Nachwuchs zu generieren, müssen bisherige Pfade statischer Regelungen verlassen werden und muss kreativer im Rahmen auch gesetzlicher Möglichkeiten gedacht werden?

Die Sozial- und Gesundheitspolitik muss als übergeordnetes Ziel die adäquate Patientenversorgung haben. Diese ist im Bereich der Rheumatologie mangelhaft. Oft habe ich den Eindruck, dass dieses Ziel – zugunsten diffuser marktwirtschaftlicher Konzepte und Verflechtungen, zum Teil auch wegen bestimmter Verkrustungstendenzen im System – von einigen verantwortlichen Organisationen und Personen aus den Augen verloren wurde.      

Herr Dr. von Hinüber, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!