OSTEOPOROSE

Neue Versorgungsdaten und Therapiestrategie

Den Auftakt zum Kongress des Dachverbandes Osteologie (DVO) im Kap Europa in Frankfurt/M. vom 28.-30. März 2019 mit ca. 1.300 Teilnehmern bildete eine Vorab-Pressekonferenz, auf der von den ersten und zweiten DVO-Vorsitzenden und zugleich Kongresspräsidenten Prof. Dr. Andreas A. Kurth, Koblenz, und Prof. Dr. Peyman Hadji, Frankfurt/M., die wichtigsten Erkenntnisse zur Versorgungssituation der Osteoporose sowie deren Therapie bei Risikopatienten für erneute Frakturen dargestellt wurden.

Laut der International Osteoporosis Foundation (IOF) für 2017 beträgt für über 50-Jährige die Osteoporose-Prävalenz in Deutschland 22,5 bzw. 6,7 % für Männer und Frauen, geschätzt wären dies hierzulande 4,2 bzw. 1,1 Millionen Frauen und Männer. Die Lebenszeitprävalenz für schwere osteoporotische Frakturen beläuft sich demnach auf 35 bzw. 20 %, wobei 60 % aller Postfraktur-Patientinnen unbehandelt sind. Bei Männern dürfte die Situation sogar noch gravierender sein, so Prof. Hadji. 

Erhebliche Untertherapie in Deutschland

Um dem zu erwartenden weiteren Anstieg der Frakturinzidenz entgegenzuwirken, gilt es, Patienten mit hohem Frakturrisiko besser zu identifizieren. In diesem Kontext wurden auf dem Kongress neue Versorgungsforschungsstudien präsentiert. In die erste Studie gingen 3,2 Mio. Versicherte der AOK Plus zwischen 2010 und 2016 ein, wobei alle Patienten mit der Diagnose Osteoporose bzw. einer Osteoporose-bedingten Fraktur (ICD-10: M80.*/M81.*) aus dem Jahr 2016 in die Analyse einflossen. Hochgerechnet wären in Deutschland in 2016 somit ca. 3 Mio. Frauen und 0,63 Mio. Männer von Osteoporose betroffen – aufgrund der Kodierung ist von einer erheblichen Dunkelziffer in Richtung der IOF-Daten auszugehen. Ein erhöhtes Frakturrisiko aufgrund einer schweren Osteoporose oder vorheriger vertebraler oder Femurfraktur hatten 1,16 Mio. Frauen ≥55 Jahre und 0,16 Mio. Männer ≥60 Jahre. 

Das Risiko für eine erneute Fraktur belief sich gemäß einer zweiten Analyse auf 20 % binnen 12 Monaten – besonders hoch war es nach vertebralen Frakturen. Trotz des hohen Risikos für erneute Frakturen erhielten 54,4 % Frauen und 66,5 % Männer dieser Risikogruppe keine spezifische antiosteoporotische Therapie gemäß der DVO S3-Leitlinie. Künftig bedarf es laut Hadji interdisziplinär einer früheren Diagnostik und Therapie – die Rheumatologie dürfte hier bei mit Glukokortikoiden versorgten Patienten in der Primärprophylaxe aber gut aufgestellt sein. Ist das Kind im Sinne einer ersten osteoporotischen Fraktur in den Brunnen gefallen, hat sich in vielen europäischen Ländern bereits der Fracture Liaison Service (FLS) bewährt, warf Prof. Dr. Wolfgang Böcker, München, ein. Dieser soll gewährleisten, dass Patienten mit einer Osteoporose-bedingten Fraktur eine adäquate Nachsorge und Therapie im ambulanten Bereich erhalten. Ein Pilotprojekt im Raum München wird im Rahmen des Innovationsfonds vom G-BA mit 3,2 Mio. Euro unterstützt. Start ist Oktober 2019, auf erste Ergebnisse der auf 4 Jahre angelegten, sog. FLS-Care-Studie kann man gespannt sein, da bei entsprechendem Erfolg ein bundesweiter Roll-Out des Projekts anstehen würde.

Paradigmenwechsel in der Therapie?

Während bei leichter Osteoporose und in der Primärprophylaxe weiterhin Bisphosphonate und Denosumab gesetzt sind, steht laut Prof. Kurth bei schwerer Osteoporose nach einer ersten Fraktur eine Wachablösung von antiresorptiv auf osteoanabol bevor. So hatte die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte VERO-Studie bei postmenopausalen Frauen mit ≥2 mäßig schweren oder ≥1 schweren vertebralen Fraktur in Bezug auf das Risiko für neue vertebrale Frakturen nach 24 Monaten signifikante Vorteile für Teriparatid (1x täglich 20 g) gegenüber Risedronat (1x 35 mg/Woche) belegt (5,4 vs. 12,0 %; p<0,0001). In dieselbe Richtung weist die ARCH-Studie, in der eine 12-monatige Romosozumab-Therapie (s.c. 210 mg/Monat) gefolgt von 12 Monaten Alendronat 70 mg/Woche versus dem Bisphosphonat für 24 Monate zu 48 % weniger neuen vertebralen Frakturen führte (6,2 vs. 11,9 %; p<0,001). Der Sclerostin-Antikörper Romosozumab steht aufgrund kardiovaskulärer Bedenken noch vor der Zulassung, in der Rheumatologie wird er infolge des potenziell erhöhten Risikos arthritischer Komplikationen wohl keine Rolle spielen.                

Quelle: Pressekonferenz DVO-Kongress, Frankfurt/M., 27. März 2019