OSTEOPOROSE BEI MÄNNERN

Evidenzbasierte europäische Leitlinie veröffentlicht

Historisch wurde die Osteoporose als „Frauenkrankheit“ betrachtet und entsprechend die Forschung, Studien und Leitlinien primär an diesen ausgerichtet – so fehlen etwa klinische Studien zur Frakturreduktion durch spezifische Osteoporose-Therapien bei Männern. Auch wenn erst kürzlich die DVO-Leitlinie 2023 erschienen ist, die auch Männer ab dem 50. Lebensjahr adressiert, seien hier die von einem multidisziplinären Team der European Society for Clinical and Economic Aspects of Osteoporosis, Osteoarthritis and Musculoskeletal Diseases (ESCEO) um Jean-Yves Reginster, Lüttich (Belgien) und Nicholas C. Harvey, Southampton (Großbritannien), entwickelten Empfehlungen für Diagnose, Screening, Monitoring und Behandlung der Osteoporose bei Männern dargelegt, die auf Basis eines umfassenden Reviews entwickelt wurden.

Insgesamt einigte sich die ESCEO-Arbeitsgruppe auf 16 Statements zur Osteoporose bei Männern, „schwache Empfehlungen“ sind definiert als solche, denen 75 % der Experten als „stark oder schwach“ zustimmten, „starke Empfehlungen“ mussten eine Zustimmungsrate von 75 % für „stark“ erhalten – die relativ geringen Anforderungen für eine Einstufung als starke Empfehlung verdeutlichen bereits, dass hier noch viel Forschungsbedarf besteht (vor allem zu Denosumab und osteoanabolen Substanzen). Viele der Empfehlungen decken sich mit der (deutlich ausführlicheren) DVO-Leitlinie – stets ist der jeweilige Zulassungsstatus der Therapien zu berücksichtigen.

Die Empfehlungen im Überblick

Für die densitometrische Diagnose der Osteoporose bei Männern sollte eine weibliche Referenzdatenbank verwendet werden (starke Empfehlung). Das Fracture Risk Assessment Tool (FRAX) ist das geeignete Instrument zur Beurteilung des Frakturrisikos und als Grundlage für die Festlegung von Interventionsschwellen bei Männern mit Osteoporose (starke Empfehlung). FRAX-basierte Interventionsschwellen sollten bei Männern mit Osteoporose altersabhängig sein (starke Empfehlung). Der Trabecular Bone Score liefert zusammen mit der Knochendichte (BMD) und der FRAX-Wahrscheinlichkeit nützliche Informationen für die Beurteilung des Frakturrisikos bei Männern (schwache Empfehlung).

Alle Männer mit einer früheren Fragilitätsfraktur sollten für eine Behandlung mit spezifischen antiosteoporotischen Medikamenten in Betracht gezogen werden (starke Empfehlung). Das antiosteoporotische Therapieschema bei Männern sollte an das individuelle Frakturrisiko zu Baseline angepasst werden (starke Empfehlung). Bei allen Männern über 65 Jahren sollte eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Kalzium sichergestellt werden (starke Empfehlung). Orale Bisphosphonate (Alendronat oder Risedronat) sind Erstlinientherapien bei Männern mit hohem Frakturrisiko (starke Empfehlung). Denosumab oder Zoledronat sind Zweitlinientherapien für Männer mit hohem Frakturrisiko (starke Empfehlung). Eine sequenzielle Therapie, beginnend mit einem osteoanabolen Wirkstoff, gefolgt von einem antiresorptiven Wirkstoff, sollte bei Männern mit einem sehr hohen Frakturrisiko in Betracht gezogen werden (starke Empfehlung). Basierend auf den verfügbaren BMD-Daten gilt Abaloparatid als geeignete Erstlinientherapie für Männer mit Osteoporose und einem sehr hohen Risiko für osteoporotische Frakturen (schwache Empfehlung).

Biochemische Marker des Knochenumsatzes sind das geeignete Instrument zur Beurteilung der Adhärenz einer antiresorptiven Therapie bei Männern (schwache Empfehlung). Osteoanabole Substanzen sollten bei der Erstbehandlung bei Männern mit sehr hohem Frakturrisiko gemäß den Empfehlungen der Aufsichtsbehörden eingesetzt werden (starke Empfehlung). Körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sollten allen Männern mit Osteoporose empfohlen werden (starke Empfehlung). Im Rahmen der Beurteilung vor der Therapie sollte der Gesamttestosteronspiegel im Serum bestimmt werden (schwache Empfehlung). Bei Männern mit niedrigen Gesamt- oder freien Serumtestosteronspiegeln sollte eine geeignete Hormonersatztherapie in Betracht gezogen werden (schwache Empfehlung).

Quelle: Nat Rev Rheumatol 2024; 20(4): 241-251