JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS

Die wichtigsten Aspekte der neu publizierten S2k-Leitlinie 2019

Abb.: Therapiealgorithmus zur medikamentösen Therapie der unterschiedlichen JIA-Subtypen

Abb.: Therapiealgorithmus zur medikamentösen Therapie der unterschiedlichen JIA-Subtypen

Ende November 2019 wurde die 3. Auflage der S2k-Leitlinie zur Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) federführend von der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin (DGKJ) herausgegeben. 

Wie die Leitlinienautoren um Prasad T. Oommen, Düsseldorf, betonen, wurden bei der JIA dank neuer Therapien und der konsequenteren Anwendung von „Treat-to-target“-Strategien große Fortschritte erzielt, sodass das angestrebte Ziel einer inaktiven Erkrankung bzw. Remission inzwischen von 70-95 % der Patienten in den ersten Behandlungsjahren erreicht wird und sich auch bereits die Langzeitprognose der Patienten verbessert hat. Vor dem Hintergrund der neu verfügbaren bDMARDs (in absehbarer Zeit dürften auch JAK-Inhibitoren eine Rolle spielen) bildet die neue Leitlinie den aktuellen Wissensstand zu den verschiedenen Formen der JIA, so der systemischen JIA (sJIA), persistierenden oder erweiterten Oligoarthritis (OA), Rheumafaktor- negativen wie positiven Polyarthritis (RF- PA/RF+ PA), Psoriasisarthritis (PsA), Enthesitis-assoziierten Arthritis (EAA) und anderen Arthritiden in Form evidenz- und konsensbasierter Empfehlungen für deren Behandlung ab. Mit einer Konsensstärke von durchgehend über 80 % wurden 12 übergeordnete Prinzipien und 14 individuelle Empfehlungen formuliert.

Übergeordnete Therapieprinzipien 

Eingangs wird betont, dass (1) die JIA eine heterogene Gruppe von Krankheiten umfasst, was bei der Therapie zu berücksichtigen ist. Eine kausale Therapie ist aktuell noch nicht möglich. Es sollten (2) Kinder und Jugendliche mit Arthritis und V. a. JIA innerhalb von 6 Wochen nach Symptombeginn einem Kinder- und Jugendrheumatologen vorgestellt werden und zeitnah eine augenärztliche Vorstellung zur Uveitis-Diagnostik erfolgen. 

Als Therapieziele werden (3) eine möglichst komplette Symptom-/Entzündungskontrolle, Verhinderung von Folgeschäden und Begleiterkrankungen, normale Alltagsfunktion sowie altersgerechte Entwicklung und möglichst optimale Lebensqualität der Patienten mit JIA ausgegeben. Es sollen (4) Kinder und Jugendliche sowie deren Familien koordiniert, problemorientiert und interdisziplinär betreut werden; ein Kinder- und Jugendrheumatologe sollte die Therapieplanung/-koordination übernehmen. Betont wird (5) die Möglichkeit, an einer Patientenschulung teilzunehmen und dass Patienten/Familien Informationen über Selbsthilfeangebote erhalten sollten. Auch sollte (6) die aktuelle psychosoziale Situation des Kindes und seiner Familie sowie eventuelle Lebenskrisen regelmäßig erfasst und in der Therapieplanung berücksichtigt werden. Ein niedrigschwelliger Zugang zu einem psychosozialen Team sollte gewährleistet werden. Weiter sollte (7) die Festlegung der Behandlungsziele und des therapeutischen Vorgehens im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Patienten/Eltern und dem pädiatrischen Behandlungsteam erfolgen. 

Es soll (8) eine aktive JIA so früh wie möglich medikamentös behandelt werden, wobei sich (9) sie medikamentöse Therapie nach Aktivität, Schwere und Risikoprofil der Grunderkrankung richtet. Festgehalten wird, dass (10) das Behandlungsziel im frühzeitigen Erreichen und der Erhaltung einer Remission oder einer niedrigen Krankheitsaktivität (Treat-to-target) besteht und die Therapiesteuerung durch die regelmäßige Beurteilung des Ansprechens mit spezifischen, evaluierten Messinstrumenten (z. B. JADAS) erfolgen sollte. Empfohlen wird (11) die Teilnahme behandelnder kinder- und jugendrheumatologischer Einrichtungen an qualitätssichernden Maßnahmen sowie Pharmakovigilanzregistern. Zudem sollten (12) Jugendliche und junge Erwachsene mit JIA zur Sicherstellung der Behandlungskontinuität und eines bestmöglichen Outcomes geplant, gut vorbereitet und mit allen notwendigen Informationen zum bisherigen Krankheitsverlauf in die internistisch-rheumatologische Weiterbetreuung übergeben werden (Transition). 

Empfehlungen zur medikamentösen Therapie

Zur Symptomverbesserung einer aktiven Arthritis sollten (1) bei allen JIA-Subtypen NSAR als initiale oder begleitende Therapie eingesetzt werden. Auch sollte (2) zur Therapie der aktiven Arthritis bei JIA eine i.a.-Injektion von kristalloidem Glukokortikoid (Triamcinolonhexacetonid) genutzt werden. Es sollten (3) Glukokortikoide in systemischer Applikation bei hoher Krankheitsaktivität für nicht-systemische und systemische JIA-Verlaufsformen eingesetzt werden, dies jedoch aufgrund unerwünschter Wirkungen und der Verfügbarkeit anderer Therapien nicht langfristig. In puncto csDMARDs sollte (4) Methotrexat (MTX) bei nicht ausreichender Wirksamkeit von NSAR, hohem oder wiederholtem Steroidbedarf oder polyartikulärer JIA (pJIA) eingesetzt werden. Es kann auch bei sJIA erwogen werden, sollte aber nicht zur Therapie der isolierten axialen EAA eingesetzt werden. Des Weiteren kann (5) Sulfasalazin bei der peripheren Arthritis der EAA angewendet werden. Nun zu den bDMARDs: Hier sollte (6) bei unzureichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit auf eine csDMARD-Therapie (z. B. MTX) bei nicht-systemischer JIA und kann bei sJIA ein TNFa-Inhibitor eingesetzt werden. Bei dessen Wahl gilt es, extraartikuläre Manifestationen zu berücksichtigen. Es kann (7) Abatacept bei Patienten mit pJIA bei Versagen eines DMARDs eingesetzt werden. Es sollte (8) Tocilizumab bei MTX-refraktärer polyartikulär verlaufender JIA entweder in Kombination mit MTX oder als Monotherapie eingesetzt werden. Dies kann entweder alternativ zu einem TNFα-Blocker oder nach unzureichendem Ansprechen auf einen solchen geschehen. Bei aktiver sJIA sollen (9) vorrangig IL-1-Inhibitoren (Anakinra, Canakinumab), Glukokortikoide (letztere möglichst nicht langfristig) oder Tocilizumab eingesetzt werden. 

Empfehlungen zur nicht-medikamentösen Therapie

Bei Bedarf sollen (10) strukturierte Behandlungen durch einen speziell geschulten bzw. spezialisierten Physiotherapeuten/Ergotherapeuten in Kombination mit der medikamentösen Therapie erfolgen, um die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern. Anleitungen zu individuellen, täglich durchzuführenden Übungsprogrammen im häuslichen Umfeld sollen in das Therapiekonzept integriert werden.  Spezielle Hilfsmittel bei Achsenabweichungen oder Wachstumsverzögerung können zur Vermeidung von Fehlbelastungen, Stabilisierung der Gelenke (z. B. Hand-, Finger-Fußorthesen) und Normalisierung der Bewegungsmuster empfohlen und ärztlich verordnet werden. Überdies kann (11) der Einsatz physikalischer Therapien (u. a. Thermotherapie, Elektrotherapie, Massage und Lymphdrainage) erwogen werden. Auch sollten (12) JIA-Patienten zu einem aktiven Lebensstil und zu sportlichen Aktivitäten ermutigt werden. Es sollten (13) bei ausbleibendem Erfolg konservativer Therapiemaßnahmen oder Komplikationen (z. B. bei Achsfehlern, bei Beinlängendifferenzen oder Gelenkdestruktion) Kinderorthopäden hinzugezogen werden. Last but not least soll (14) bei Bedarf frühzeitig eine psychologische Betreuung in der pädiatrisch-rheumatologischen Regelversorgung erfolgen, um psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten früh zu erfassen und zu behandeln.                         

Quelle: 

www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-020l_S2k_Juvenile_Idiopathische_Arthritis_2019-12_01.pdf;


30. November 2019