ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIDEN

Aktuelle Praxisleitlinie zu Plasmaaustausch und Glukokortikoiden

Die Ergebnisse der randomsierten, kontrollierten PEXIVAS-Studie, die zeigte, dass bei Patienten mit ANCA-assoziierter Vaskulitis (AAV) ein Plasmaaustausch zusätzlich zu einer Standardtherapie keinen Vorteil hinsichtlich des Risikos für eine terminale Niereninsuffizienz (ESRD) und Gesamtmortalität bietet, aber ein dosisreduziertes Glukokortikoid (GK)-Schema das Risiko für schwere Infektionen ohne Einbußen in der Wirksamkeit senkt, bewog eine interdisziplinäre und internationale Expertengruppe um Linan Zeng, Chengdu (China), zur Entwicklung einer klinischen Praxisleitlinie. 

Jenseits der PEXIVAS-Studie gingen in die Leitlinie (1) auch Daten eines von Michael Walsh, Hamilton (Kanada), und Kollegen veröffentlichten systematischen Reviews mit einer Metaanalyse über 9 randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) mit AAV-Patienten ein. (2)

Plasmaaustausch: Seltener ESRD, mehr schwere Infektionen

Auf Basis von 6 RCTs mit 967 Teilnehmern zeigte sich, dass der Plasmaaustausch keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtmortalität ausübte, unabhängig von der Nierenfunktion zu Baseline oder dem (Nicht-)Vorliegen einer alveolären Hämorrhagie. Daten zur ESRD nach 12 Monaten stammen aus 7 RCTs mit 999 Teilnehmern. Bei mäßiger Aussagekraft wurde hier unabhängig von der Nierenfunktion ein um 38 % signifikant geringeres Risiko für ESRD mit dem Plasmaaustausch festgestellt. (2) Die absolute Risikoreduktion betrug nur 0,08 % bei Patienten mit dem niedrigsten, aber 16 % für jene mit dem höchsten ESRD-Risiko. Daraus ergibt sich eine gewisse Diskrepanz zur PEXIVAS-Studie, in der kein Vorteil des Plasmaaustauschs gegeben war – jedoch war diese auf den Komposit-Endpunkts (mit Gesamtmortalität, nicht ESRD alleine) ausgerichtet worden. Ein neuer Befund aus 4 RCTs mit 908 Teilnehmern war, dass der Plasmaaustausch nach 12 Monaten mit einem um 27 % höheren Risiko für schwere Infektionen verbunden war, was ein Grund für das Verfehlen des primären kombinierten Endpunkts in PEXIVAS sein könnte. Das absolute Risiko stieg um 2,7 bis 13,5 % bei Patienten mit dem niedrigsten bzw. höchsten Risiko für schwere Infektionen. Die Rezidivrate und schwere unerwünschte Ereignisse wurden kaum beeinflusst, das Risiko für ESRD und schwere Infektionen schien über die Zeit rückläufig zu sein. (2)  

GK-Dosisreduktion: Weniger schwere Infektionen und Tod

Ebenso berücksichtigt wurde ein zweites systematisches Review von Yingqi Xiao, Chengdu (China), und Kollegen, in dem zwei RCTs (mit 740 bzw. 104 Patienten) mit unterschiedlich hohen GK-Dosierungen im Rahmen der Remissionsinduktionstherapie analysiert wurden. (3) Im Vergleich zu einem GK-Standardregime konnte ein dosisreduziertes GK-Regime das Mortalitätsrisiko um 1,7 bis 2,1 % senken (nach 6 Monaten), ohne zugleich das ESRD-Risiko (-1,5 bis +0,4 %) zu erhöhen. Ein deutlicher Effekt war im Hinblick auf das Risiko schwerer Infektionen erkennbar, die bei reduzierter GK-Dosis nach 12 Monaten um 5,9 bis 12,8 % seltener auftraten. Bezüglich des Erreichens einer Remission oder dem Rezidivrisiko waren keine relevanten Auswirkungen festzustellen. (3) 

Auf Grundlage dieser Evidenz wird in der Praxisleitlinie eine schwache Empfehlung gegen einen Plasmaaustausch bei AAV-Patienten (mit oder ohne alveoläre Hämarrhogie) mit einem niedrigen oder niedrigen bis mäßigen ESRD-Risiko ausgesprochen, eine ebenfalls schwache Empfehlung dafür gibt es bei jenen (wieder mit oder ohne alveoläre Hämarrhogie) mit einem mäßigen bis hohen oder hohen ESRD-Risiko oder im Falle einer Dialysepflichtigkeit. Vom Plasmaaustausch zusätzlich zu einer immunsuppressiven Therapie abgeraten wird in einer wiederum schwachen Empfehlung bei AAV-Patienten mit alveoläre Hämarrhogie, aber ohne Nierenbeteiligung. Eine starke Empfehlung gibt es hingegen für ein dosisreduziertes GK-Regime in den ersten 6 Monaten der Therapie. (1)

Interessant ist allerdings die der Leitlinie zugrundeligende Prämisse, dass die Patienten eine Reduktion des ESRD-Risikos höher als das Risiko für schwere Infektionen gewichten würden, hier ist realistisch betrachtet von einer ganz erheblichen Varianz auszugehen. 

Quellen:
1   BMJ 2022; 376: e064597
2   BMJ 2022; 376: e064604
3   BMJ Open 2022; 12(2): e050507