GICHTARTHRITIS

Aktuelle Erkenntnisse zu Treat-to-target, Allopurinol und Colchicin

Bei Patienten mit Gichtarthritis war in der US-Leitlinie 2017 des American College of Physicians der Serumharnsäure-Spiegel als Treat-to-target (T2T)-Therapieziel und Surrogatparameter für Gichtattacken in Zweifel gezogen worden – erneut entkräftigt wurde dies durch eine internationale Analyse von Lisa K. Stamp, Christchurch (Neuseeland), und Kollegen. Beim hierzu überwiegend eingesetzten Allopurinol war der Verdacht aufgekeimt, es könne bei Patienten mit Niereninsuffizienz die Mortalität steigern – dies war bei Gichtpatienten in einer aktuellen Analyse von internationalen Experten um Guanghua Lei, Changsha (China), und Yuqing Zhang, Boston (USA), jedoch nicht der Fall. Südkoreanische Ärzte um Seung Hyeok Han, Seoul, fanden Hinweise, dass Colchicin bei Patienten mit Gicht oder Hyperurukämie das Risiko für eine Progression der Niereninsuffizienz verringern könnte.

Zunächst eingegangen sei auf die Sekundäranalyse zweier randomisierter, kontrollierter Studien in Großbritannien und Neuseeland zu harnsäuresenkenden Therapien. Ziel war der Nachweis einer kausalen Beziehung zwischen Harnsäurezielwert und Gichtschüben. Es wurde dabei unterschieden zwischen Respondern (Serum-Harnsäurespiegel <6 mg/dl in Monat 6, 9 und 12 nach Therapiebeginn) und Non-Respondern. Beim kombinierten Vergleich von Patienten beider Studien wurden 343 Responder und 245 Non-Responder identifiziert. Nach adjustierter logistischer Regression (u. a. Serumharnsäure-Wert zu Baseline, frühere Gichtschübe, Tophi) hatten zwischen Monat 12 und 24 im Vergleich signifikant weniger Responder eine Gichtattacke (primärer Endpunkt: 27 vs. 64 %; adj. Odds ratio, OR 0,29; p<0,0001) und auch eine geringere Anzahl von Schüben (sekundärer Endpunkt: adj. mittlere Differenz -0,41; p<0,0001). Diese Assoziation war unabhängig von der jeweiligen harnsäuresenkenden Therapie. Die in anderen Leitlinien vorgegebene Marschroute einer T2T-Strategie mit dem Ziel eines Serumharnsäure-Spiegels <6 mg/dl wird somit klar bestätigt. (1)

Was ist bei Niereninsuffizienz zu beachten?

Nachdem zuletzt zwei Studien bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) mit steigenden Allopurinol-Dosen keine Vorteile bezüglich deren Progression belegten, es aber Hinweise auf eine höhere Mortalität gab, wurde dem jetzt im Rahmen des britischen THIN-Netzwerks in einer Studie mit Propensity Score-Matching (Allopurinol vs. kein Allopurinol) bei jeweils 5.277 Patienten mit Gicht (>40 Jahre) und begleitender mäßiger bis schwerer CKD (≥Stadium 3) auf den Grund gegangen. In „emulierten“ hypothetischen Studien wurden zudem die Effekte des Erreichens/Nicht-Erreichens des Harnsäurezielwerts und einer/keiner Dosiseskalation bei Allopurinol-Anwendern auf die Mortalität im 5-Jahres-Follow-up evaluiert. Im Ergebnis belief sich die Mortalität bei Allopurinol-Anwendern bzw. gematchten Nicht-Anwendern auf 4,9 respektive 5,8 pro 100 Personenjahre (Hazard ratio, HR 0,85). In der zweiten Analyse (emulierte Studien) zu Allopurinol-Anwendern war die Mortalität bei Erreichen des 6 mg/dl-Zielwerts ebenso geringer (HR 0,87) wie im Falle einer Allopurinol-Dosiseskalation (HR 0,88). Bei Gichtpatienten mit mäßiger bis schwerer CKD scheint unter Allopurinol somit eher kein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko vorzuliegen. (2)   

Last but not least zu einer multizentrischen, genesteten Fall-Kontroll-Studie, in der die Assoziation einer langfristigen Gabe von Colchicin (für das protektive Effekte im Hinblick auf Nierenfibrose diskutiert werden) mit dem renalen Outcome bei CKD-Patienten (Stadium 3/4) mit Gicht oder Hyperurikämie untersucht wurde. 3.085 Patienten mit CKD-Progression (eGFR-Abnahme ≥40 %, Dialyse) wurden mit 11.715 Kontrollpatienten gematcht. Multivariate logistische Regressionsanalysen zeigten, dass Patienten mit ≥90 kumulativen täglichen Colchicin-Dosen (zur Therapie der Gicht) mit einem geringeren Risiko für eine CKD-Progression im Vergleich zu Nicht-Anwendern assoziiert waren (adj. OR 0,77; 95% KI 0,61–0,96). Eine Sensitivitätsanalyse mit gematchten CKD-Graden ergab ein identisches Ergebnis (adj. OR 0,77). Diese Assoziation war starker ausgeprägt bei Patienten ohne Typ-2-Diabetes oder Hypertonie, sowie solchen mit CKD-Stadium 3. Somit könnte Colchicin das Risiko für eine Progression der Niereninsuffizienz bei Patienten mit CKD und Gicht reduzieren. (3)

Quellen:
1   Lancet Rheumatol 2022; 4(1): e53-e60
2   Ann Intern Med 2022; doi: 10.7326/M21-2347
3   Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac077