NACHWUCHSMANGEL IN DER RHEUMATOLOGIE

„Wir müssen die Rheumatologie sichtbarer machen“

Dr. Marius Hoepfner

Dr. Marius Hoepfner

Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leiden an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen – Tendenz steigend. Doch trotz wachsender Patientenzahlen und medizinischer Fortschritte mangelt es an rheumatologischen Fachärztinnen und Fachärzten. Laut dem aktuellen Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie (DGRh) fehlen bundesweit etwa 700 Rheumatologinnen und Rheumatologen, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Aus guten Gründen war der rheumatologische Nachwuchsmangel ein zentrales Thema auf der BDRh-Tagung.

Ursachen für fehlenden Nachwuchs sind unter anderem die geringe Sichtbarkeit des Fachs im Medizinstudium und eine zu niedrige Zahl an Weiterbildungsstellen. Nur zehn von 38 medizinischen Fakultäten verfügen über einen eigenständigen rheumatologischen Lehrstuhl. Mit der Nachwuchskampagne Rheuma2025 – auch rhymtlgy genannt – versuchen die DGRh, der Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh) und der Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA) gemeinsam mit der Rheuma Akademie dem drohenden Mangel entgegenzuwirken und den Nachwuchs für die Rheumatologie zu begeistern. Zudem bietet der BDRh mit der AG Niederlassung und Nachwuchs verschiedene Projekte zur Nachwuchsgewinnung an. Doch reicht das aus? Darüber sprechen wir mit Dr. Marius Hoepfner, Facharzt für Rheumatologie in Hildesheim und engagierter Vertreter der AG Niederlassung und Nachwuchs.

Herr Dr. Hoepfner, seit Jahren ist der fehlende Nachwuchs in der Rheumatologie ein zentrales Thema. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe dafür?

Ein entscheidender Faktor ist die unzureichende Präsenz der Rheumatologie in der medizinischen Ausbildung. Es gibt nur wenige eigenständige rheumatologische Kliniken und Abteilungen an den Universitätskliniken. Dadurch wird das Fach oft nur am Rande behandelt, während andere Disziplinen wie etwa die Kardiologie eine wesentlich stärkere Sichtbarkeit genießen. Diese strukturelle Unterrepräsentation hat zur Folge, dass die Rheumatologie für viele Studierende schlichtweg nicht präsent genug ist.

Mit der Kampagne Rheuma2025 wurde eine große Initiative zur Nachwuchsgewinnung gestartet. Gibt es bereits Erkenntnisse über deren Wirkung?

Eine offizielle Auswertung der Kampagne liegt mir bisher nicht vor. Grundsätzlich ist es aber wünschenswert, solche Kampagnen regelmäßig zu evaluieren, um ihre Wirksamkeit zu überprüfen und die Maßnahmen weiterzuentwickeln.

Welche weiteren – auch politischen – Maßnahmen sind notwendig, um mehr Medizinstudierende für die Rheumatologie zu begeistern?

Wir müssen auf allen Ebenen – Bundespolitik, Landespolitik, aber auch innerhalb der Universitäten – für mehr Sichtbarkeit der Rheumatologie sorgen. Das beginnt mit einer stärkeren Einbindung in die internistische Lehre, reicht über gezielte Angebote wie Famulaturen und das PJ bis hin zu wirtschaftlich tragfähigen Strukturen für stationär tätige Rheumatologinnen und Rheumatologen. Leider führt das derzeitige DRG-System eher dazu, dass rheumatologische Abteilungen geschlossen statt ausgebaut werden. Das ist eine fatale Entwicklung, die wir dringend umkehren müssen.

Gibt es denn grundsätzlich ausreichend Weiterbildungsstellen, um den interessierten Medizinstudierenden auch eine Weiterbildung in der Rheumatologie anzubieten?

Leider gibt es aktuell zu wenige Weiterbildungsstellen in der Rheumatologie – das hat auch die Analyse im Memorandum gezeigt. Zum einen gibt es schlicht zu wenige Kliniken mit eigenen rheumatologischen Abteilungen. Durch die zunehmende Schließung stationärer Einrichtungen – auch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge – schrumpft die Zahl der verfügbaren Weiterbildungsplätze zusätzlich. Das derzeitige Finanzierungssystem über DRGs setzt außerdem falsche Anreize: Rheumatologische Leistungen sind für viele Krankenhäuser wirtschaftlich nicht attraktiv genug, um entsprechende Strukturen aufzubauen oder zu erhalten.

Gleichzeitig müsste gerade der ambulante Bereich dringend gestärkt werden, da dort der größte Versorgungsbedarf besteht. Doch auch hier mangelt es an Weiterbildungsbefugten, die die Weiterbildung überhaupt anbieten dürfen. Der Aufbau von Weiterbildungsverbünden – also die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Praxis zur gemeinsamen Ausbildung – wäre eine vielversprechende Lösung. Leider wird dieses Modell bisher nur in wenigen Regionen umgesetzt.

Wie können mehr Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung gewonnen werden?

Auch hier spielt Sichtbarkeit eine zentrale Rolle. Kampagnen wie rhmtlgy und die vielfältigen Projekte des BDRh und der DGRh leisten bereits durch Social Media-Präsenz und Videoformaten wie „FreiGang“ (https://rhmtlgy.de/rhmtlgy/freigang) einen wichtigen Beitrag. Es geht darum, jungen Ärztinnen und Ärzten zu zeigen, welche spannenden und erfüllenden Möglichkeiten die Rheumatologie in der ambulanten Versorgung bietet.

Ein wachsender Trend ist die Bildung größerer Praxiseinheiten, oft auch mit Investoren im Hintergrund. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Größere Einheiten bieten durchaus Vorteile: Austausch unter Kolleginnen und Kollegen, gemeinsame Nutzung von Ressourcen, bessere Work-Life-Balance. Problematisch wird es aber, wenn investorengetriebene MVZs dominieren. Studien zeigen, dass dort die ärztliche Effizienz sinkt und die Patientenversorgung leidet. Zudem fließen Mittel, die eigentlich der Versorgung zugutekommen sollten, in betriebswirtschaftliche Strukturen wie Managementgehälter oder Aktionärsgewinne. Das kann nicht im Sinne unseres solidarischen Gesundheitssystems sein.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorzüge der Niederlassung – sei es angestellt oder in der Selbstständigkeit?

Die Niederlassung bietet gerade in der Rheumatologie eine große Vielfalt und Abwechslung. Man kann sehr effizient arbeiten, hat eine enge und langfristige Beziehung zu den Patientinnen und Patienten und letztlich auch wirtschaftlich attraktive Rahmenbedingungen. Für viele ist das eine ideale Kombination aus fachlicher Erfüllung und persönlicher Gestaltung.

Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die geplante Krankenhausreform auf die ambulante Versorgung in der Rheumatologie?

Das ist derzeit schwer abzuschätzen. Die Ambulantisierung ist eine zentrale Leitidee der Reform – und die Rheumatologie ist grundsätzlich ein sehr ambulantes Fach. Doch aktuell herrscht eine generelle Mangellage: Es fehlt an Kapazitäten, um zusätzliche Leistungen ambulant zu erbringen. Deshalb muss die Förderung der Rheumatologie ganzheitlich gedacht werden – sowohl stationär als auch ambulant. Nur so kann das Fach langfristig gestärkt werden.

Sie sind regelmäßig mit jungen Kolleginnen und Kollegen im Gespräch. Gab es einen Moment, der Sie besonders überrascht oder berührt hat?

Ja, immer wieder erlebe ich, dass das Interesse am Fach groß ist – aber gleichzeitig viele Angebote schlichtweg unbekannt sind. Das zeigt, wie wichtig es ist, weiter an unserer Sichtbarkeit zu arbeiten und die Attraktivität der Rheumatologie stärker hervorzuheben. Es gibt so viele gute Gründe, sich für dieses Fach zu entscheiden.            

Herr Dr. Hoepfner, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

 

Weitere Infos zu den Projekten „Rheuma2025 – rhymtlgy“ und der AG Niederlassung und Nachwuchs finden Sie hier:
www.rhmtlgy.de
www.rheumatologie-begeistert.de

Und hier geht es zum Memorandum der DGRh:
​​​​​​​www.dgrh.de/Start/Publikationen/Positionen/Memorandum-der-DGRh.html​​​​​​​