Die Zahl klinischer kontrollierter und randomisierter Studien zur Ernährungsmodifikation bei rheumatischen Erkrankungen ist allerdings noch immer gering, was u. a. auch auf die Schwierigkeiten beim Studiendesign (wie z. B. Verblindung) und der Finanzierung zurückzuführen ist. Bislang stammen daher die meisten Empfehlungen aus prospektiven oder retrospektiven Beobachtungs- bzw. Kohortenstudien, in denen bestimmte Ernährungsmuster unter nicht-kontrollierten Bedingungen untersucht wurden. Die vorhandenen Studien genügen somit meist nicht den Anforderungen der evidenzbasierten Medizin, sodass die klinische Evidenz für den rheumatischen Formenkreis deutlich schwächer im Vergleich zu kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen ist und sich mit wenigen Ausnahmen nur auf die häufigste rheumatische Systemerkrankung, die RA bezieht. (2)
Großes Interesse findet derzeit in der Laienpresse die sog. anti-inflammatorische (antientzündliche) Ernährung, wie die Anzahl von Publikationen und/oder Beiträgen zu diesem Thema im Internet zeigt.
Warum antiinflammatorische Ernährung bei Rheuma?
Rheumatischen Systemerkrankungen liegt eine chronische Entzündung zugrunde. Auch häufige Komorbiditäten bei Rheuma wie z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus und Adipositas sind Folge einer chronischen (meist stillen) Entzündung. Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Entzündungsprozesse scheinen dabei Lebensstilfaktoren wie eine ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und/oder Umwelttoxine zu spielen. Diese verursachen u. a. eine erhöhte Darmpermeabilität, triggern im Darm entzündliche Prozesse und lösen im weiteren Verlauf über die Darm-Gelenk-Achse („Gut-Joint-Axis“) proentzündliche Veränderungen in den Gelenken aus. (3) Diesen Entzündungsprozessen kann – so die Hypothese – durch antientzündliche Lebensmittel gegengesteuert werden.
Pro-/antientzündliche Makronährstoffe
Anhand von Tiermodellen und aufgrund der vorliegenden klinischen Studien besteht heute weitgehender Konsens über folgende Einordnungen der Makronährstoffe Fett und Kohlenhydrate. Tierisches Fett, v. a. verarbeitetes Schweinefleisch und Wurst, enthalten viel Arachidonsäure bzw. Präkursoren, die in vitro und im Tiermodell proinflammatorisch wirken und deshalb reduziert werden sollten. Das gilt auch für gesättigte Fettsäuren und einzelne Metabolite wie Trimethyl-Aminoxyd (TMAO), ein Abbauprodukt aus dem Phospholipid Cholin, das vor allem in Fleisch und Milchprodukten enthalten ist.
Seit längerem schon bekannt ist die antiinflammatorische Wirkung von Omega-3-Fettsäuren (O-3-FS; Eicosapentaensäure [EPA], Docosahexaensäure [DHA] und alpha-Linolensäure), mehrfach ungesättigten Fettsäuren mariner und pflanzlicher Herkunft. Ein Ersatz gesättigter Fettsäuren durch vermehrten Verzehr von O-3-FS enthaltenden Ölen (z. B. Leinöl, Rapsöl), Gemüsen, Nüssen, Algen und fettem Fisch wie Lachs, Forelle, Makrele, Thunfisch scheint im Rahmen einer gesundheitsorientierten Ernährung empfehlenswert. Konkrete Dosisempfehlungen existieren nicht, zumal die Resorption der Omega-3-Fettsäuren interindividuell stark unterschiedlich ist. Außerdem kann ihre Bioverfügbarkeit zum Beispiel durch eine fettreiche Mahlzeit gesteigert werden. Im Gegensatz dazu wirken Omega-6-Fettsäuren (O-6-FS), mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Linolsäure (im Sonnenblumenöl, Distelöl) oder Arachidonsäure (meist tierischen Ursprungs: Fleisch, Eier, Milchprodukte) entzündungsfördernd. Sie sind Vorstufen von Prostaglandinen und Leukotrienen und sollten daher nur in geringer Menge konsumiert werden. Die ideale Omega-3-FS/Omega-6 FS-Ratio sollte bei 3:1 oder größer liegen.
Eine interessante Gruppe von gesättigten Fettsäuren sind die sog. mittelkettigen Fettsäuren (MCT), die z. B. in der Kokosnuss reichlich enthalten sind. MCT-Fette enthalten zwischen 8 und 12-C-Atomen (z. B. Caprylsäure, Caprinsäure) und haben das Potenzial, das Darmmikrobiom zu modulieren. Sie werden bereits seit den 1960er-Jahren bei gastroenterologischen Erkrankungen wie dem Kurzdarm-Syndrom, primär biliärer Zirrhose und chronischer Pankreatitis therapeutisch eingesetzt. Im Gegensatz zu langkettigen Fettsäuren werden sie direkt (ohne Mizellenbildung) durch das Dünndarmdarmepithel aus dem Darm resorbiert und in der Leber vorwiegend zu Ketonkörpern wie z. B. ß-Hydroxybutyrat (ß-HOB) verstoffwechselt. ß-HOB wirkt durch Hemmung des NALP3-Inflammsoms antiinflammatorisch (4) und dient dem Gehirn als wichtige Energiequelle. Ketonkörper wie ß-HOB, Aceton und Acetoacetat entstehen auch beim (Heil)fasten. Die therapeutische (antientzündliche) Wirkung des Fastens wird dabei auch den Ketonkörpern zugeschrieben. Eine kürzlich publizierte prospektive, randomisierte Studie (MIKARA) belegte erstmals positive Effekte eines Supplementes aus mittelkettigen Fettsäuren (30 g/Tag) und Ballaststoffen (30 g/Tag) auf die Krankheitsaktivität (SDAI) sowie einen signifikanten ß-Hydroxybutyrat-Anstieg unter MCT-Fetten bei RA-Patienten. (5)
Kohlenhydrate
Für raffinierte Zucker sind ungünstige kardiovaskuläre, adipogene sowie leicht proinflammatorische Wirkungen belegt. Spezifische Studiendaten bei etablierten rheumatischen Erkrankungen fehlen aber. Für Gluten werden experimentell proinflammatorische Wirkungen, auch ohne Bestehen einer Zöliakie beschrieben, allerdings fehlen konsistente Studiendaten für den Nutzen einer glutenfreien Diät.
Ebenfalls zu den Kohlenhydraten gehören sog. Kohlenhydratpolymere, die für den Menschen überwiegend unverdaulich sind. Hierbei handelt es sich auch um die sog. Ballaststoffe, die vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Sie haben – wie wir heute wissen – eine Vielzahl gesundheitsförderlicher Wirkungen u. a. auch auf das Darmmikrobiom und können von Bakterien (nicht jedoch vom Menschen) verstoffwechselt werden. Dabei entstehen v. a. kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) wie Acetat, Propionat und Butyrat. Kurzkettige Fettsäuren haben im Darm eine immunmodulatorische Wirkung (vermehrte IgA-Produktion, Zunahme der entzündungshemmenden Treg-Zellen sowie Interleukin-18, Hemmung des NALP3-Inflammasoms) und wirken einer Dysbiose entgegen. Systemische Wirkungen sind nicht nur auf das Immunsystem, sondern auch auf den Glukosehaushalt und den Lipidstoffwechsel belegt. (6)
Sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien
Antioxidantien wie Flavonoide und Polyphenole (Quercetin), Tocopherol oder Vitamin C sowie die Spurenelemente Selen, Zink, Mangan und Kupfer sind ebenfalls eher antientzündlich wirksam so wie auch Probiotika (Lactobazillen, Bifidobakterien). Auch Gewürze wie Ingwer, Zimtpulver, Safran und Kurkuma sowie Probiotika (Lactobazillen, Bifidobakterien) scheinen ebenfalls antientzündlich zu wirken, zumindest sprechen einige präklinische Daten und kleinere Studien (jedoch meist geringer Qualität) dafür.
Antiinflammatorische Ernährung
Eine sog. antiinflammatorisch wirksame Ernährung beschreibt damit im wesentlichen traditionelle Ernährungsgewohnheiten des Mittelmeerraumes und wird deshalb häufig auch als mediterrane Ernährung bezeichnet. Diese Ernährungsform weist abhängig von Ländern und Regionen eine hohe Variabilität auf, hat jedoch wichtige Elemente gemeinsam. Dazu gehören:
- ein hoher Anteil pflanzenbasierter ballaststoff-reicher Nahrung: Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Brot, Cerealien
- Olivenöl als wichtigste Quelle von Fetten, und ein niedriger Anteil gesättigter tierischer Fette (z. B. Butter und Schmalz)
- Milchprodukte in Form von Käse, Joghurt und Kefir
- Fisch und Geflügel bei einem deutlich reduzierten Anteil von „rotem“ Fleisch
- Ein deutlich reduzierter Anteil von Haushaltszucker und Glukose-Fruktose-Sirup (enthalten z. B. in Softdrinks), frittierten Speisen und vor allem hochverarbeiteten Lebensmitteln
- Fakultativ: Weinkonsum in geringen Mengen (nicht mehr als 10 g Alkohol pro Tag) zu den Mahlzeiten, die idealerweise immer frisch zubereitet werden und in Gesellschaft eingenommen werden sollten. (7)
Klinische Studien zur antiinflammatorischen (mediterranen) Ernährung bei RA
Leider ist die klinische Studienlage zur antiinflammatorischen Ernährung (noch immer) nicht gut. Die wichtigsten Studien seien im Folgenden kurz erwähnt. In einem systematischen Review wurden drei randomisierte, kontrollierte Studien zu den Auswirkungen eines distinkten Ernährungsmusters (mediterrane Ernährung, vegane Rohkost, entzündungshemmende mediterrane Ernährung) auf den DAS28 identifiziert, davon eine Cross-Over Studie. Alle Studien wurden in Skandinavien von unterschiedlichen Forschungsgruppen durchgeführt.
Eine Studie von Sköldstam et al. (8) zu den Auswirkungen der antientzündlichen (mediterranen) Ernährung auf die Krankheitsaktivität über zwölf Wochen führte zu einer kleinen, aber signifikanten Verbesserung des DAS28 sowie von zwei Dimensionen des SF-36 in der Interventionsgruppe (n=25) im Vergleich zur Kontrolldiät (gewohnte Ernährung). Die Wirkung korrelierte mit der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren und war nicht abhängig von der Gewichtsreduktion, die unter dieser Therapie ebenfalls beobachtet wurde. In einer Cross-Over-Studie (ADIRA-Trial) wurde die Wirkung einer antientzündlichen Ernährung, die reich an Hülsenfrüchten, Früchten und Fisch war und durch Probiotika ergänzt wurde (n=26), im Vergleich zur Kontrollgruppe (n=24) untersucht. Der primäre Endpunkt wurde nicht erreicht, was wahrscheinlich auf eine zu geringe statistische Power der Studie zurückzuführen ist. In der unbereinigten Analyse verbesserte sich der DAS28 in der Interventionsgruppe nach 10-wöchiger Intervention signifikant. (9) Im Gegensatz zu diesen Studien fanden Neonen et al. (10) keinen Effekt einer veganen Rohkostdiät auf den DAS28 nach einer 12-wöchigen Intervention.
Große Beachtung fand auch die kürzlich publizierte randomisierte, kontrollierte Studie „Plants for Joints“ (PFJ). Hier nahmen in der Interventionsgruppe RA-Patienten an einem 16-wöchigen Lebensstilprogramm teil, das neben einer pflanzlichen Vollwertkost auch körperliche Aktivität und Stressbewältigung umfasste, während die Kontrollgruppe die übliche Therapie erhielt. Von den 83 Personen, die randomisiert wurden, schlossen 77 die Studie ab. Nach 16 Wochen hatte sich der DAS28 in der Interventions- im Vergleich zur Kontrollgruppe um durchschnittlich 0,9 Punkte verbessert. Die PFJ-Intervention führte zudem zu einer stärkeren Abnahme des Körpergewichts (Differenz -3,9 kg), der Fettmasse (-2,8 kg), des Taillenumfangs (-3 cm), des HbA1c (-1,3 mmol/mol) und der Low-Density-Lipoproteine (-0,32 mmol/l). (11)
Zusammenfassung und Empfehlungen
Zusammengefasst ist somit die Evidenz, dass eine antiinflammatorische Ernährung die Krankheitsaktivität bei RA beeinflusst, (noch) als moderat einzuschätzen. Der Haupteinfluss von diätetischen Interventionen wie einer mediterranen Ernährung scheint eher auf der Schmerzreduktion als auf der objektiv messbaren Krankheitsaktivität zu liegen. So zeigte eine kürzlich publizierte Metaanalyse eine signifikante Verbesserung der Schmerzen bei RA-Patienten, die eine entzündungshemmende Ernährung im Vergleich zur üblichen Kost erhielten.
Aktuell empfiehlt die Kommission Komplementäre Heilverfahren und Ernährung der DGRh Patienten mit RA eine mediterrane Ernährung, d. h. eine Pflanzen-basierte, ballaststoffreiche, Kohlenhydrat-reduzierte Kost mit einem hohen Anteil an Gemüse, Früchten, Cerealien und Olivenöl. (7) In diese Empfehlung fließt ein, dass bei der RA häufig vorkommende Komorbiditäten wie z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus durch eine mediterrane Kost günstig beeinflusst werden können. Die Evidenz hierfür ist durch prospektive randomisierte Studien wie die spanische PREDIMED-Studie, die unter mediterraner Ernährung eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität sowie auch der Mammakarzinom-Inzidenz gezeigt hat, deutlich besser als bei RA. (12, 13) Ähnlich positive Daten auf das Outcome konnten zwischenzeitlich auch für die mediterrane antientzündliche Ernährung bei Diabetes mellitus gezeigt werden. Inwieweit auch antientzündlich wirksame Supplemente, zur supportiven Therapie eingesetzt, (additiv) klinische Effekte haben können, sollte in weiteren Studien untersucht werden.
Hingewiesen werden sollte abschließend auch darauf, dass eine antientzündliche Ernährung mit heimischen Lebensmitteln möglich ist und aus ökologischen Gründen für Patienten eine sinnvolle Alternative sein könnte. Hier können dann lokale Erzeugnisse wie Rapsöl statt Olivenöl, lokales Gemüse wie Wurzelgemüse und Kohl, heimische Beeren und Nüsse und sowie Fische wie Hering und Makrele bevorzugt auf dem Speiseplan stehen.
Prof. Dr. Monika Reuß-Borst
Schwerpunktpraxis für Rheumatologie
Frankenstr. 36
97708 Bad Bocklet
info(at)reuss-borst-medizin.de
Literatur: 1 Gioia C et al., Nutrients 2020; 12(5): 1456 | 2 Schäfer C et al., Z Rheumatol 2024; 83(9): 706-720 | 3 Zaiss MM et al., Nat Rev Rheumatol 2021; 17(4): 224-237 | 4 Youm YH et al., Nat Med 2015; 21(3): 263-269 |5 Heidt C et al., Nutrients 2023; 15(17): 3719 |6 Chang KH. Cell Mol Immunol 2023; 20(4): 341-350 |7 Keysser G et al., Empfehlungen der Kommission Komplementäre Heilverfahren und Ernährung zu ayurvedischer Medizin, Homöopathie, Ernährung und mediterraner Kost. Z Rheumatol 2023; 82(6): 517-531 | 8 Sköldstam L, Hagfors L, Johansson G. An experimental study of a Mediterranean diet intervention for patients with rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2003; 62(3): 208-214 | 9 Vadell AKE et al., Am J Clin Nutr 2020; 111(6): 1203-1213 |10 Nenonen MT et al., Br J Rheumatol 1998; 37(3): 274-281 | 11 Wallrabenstein W et al., Rheumatology 2023, 62(8):2683-2691 | 12 Estruch R et al., N Engl J Med 2018; 378(25): e34 | 13 Toledo E et al., JAMA Intern Med 2015; 175(11): 1752-1760