Wie organisieren Sie Ihre Praxis in der Zeit der Pandemie? Unveränderte Terminpraxis? Nur noch Notfälle? Und Erstvorstellungen mit gravierenden Krankheitserscheinungen?
WITT: In der Phase der exponentiellen Zunahme an SARS-CoV-2-Infektionen raten wir Patienten, denen es bezüglich ihrer rheumatischen Erkrankung gut geht, derzeit von einem Besuch in unserer Praxis ab. Rezepte werden zugeschickt. Laborkontrollen werden wo möglich gestreckt bzw. entfallen zunächst. Patienten, denen es bezüglich ihrer rheumatischen Erkrankung schlecht geht, raten wir, ihren Termin wahrzunehmen, vorausgesetzt, sie haben kein Fieber oder sonstige Infektbeschwerden. Das Gleiche gilt natürlich für rheumatologische Notfälle.
BELLM: Routinekontrollen rufen wir alle an und versuchen, auf Videosprechstunde oder Telefonsprechstunde umzustellen, soweit die Patienten gut eingestellt sind, keine gravierenden Symptome vorliegen und kein dringlicher Laborkontrollbedarf besteht. Normalerweise haben wir für unsere Erstvorstellungen eine Run-in-Screening-Sprechstunde, die wir bis auf weiteres ausgesetzt haben. Erstvorstellungen checken die RFA am Telefon auf Dringlichkeit und bestellen diese nur bei Hinweisen auf eine frühe rheumatische Erkrankung ein oder bei einem sehr hohen Leidensdruck.
MENNE: Wir nehmen nur noch Erstvorstellungen, die dies wünschen, da wir telefonisch häufig nicht wissen, was die Patienten haben. Die meisten neuen Patienten nehmen den Termin wahr, weil sie lange auf diesen gewartet haben, dies sind ca. 15-20 pro Woche. Bei den Altpatienten versuchen wir, es telefonisch zu klären.
ARIES: Die Umstellung der Organisationen der Sprechstunde ist im Moment unsere Hauptaufgabe, die medizinische Versorgung gerät derzeit leider eher in den Hintergrund. Der Aufbau der Videosprechstunde ist aktuell ein zentraler Punkt. Wir informieren unsere Patienten über die Website als auch über direkten E-Mail-Kontakt, dass es für eine bestimmte Patientengruppe durchaus die Möglichkeit gibt, den Termin in der Praxis durch eine Videosprechstunde zu ersetzen. Erstvorstellungen sind bei uns nur noch in akuten Situationen möglich, eine generelle Abklärung oder Zweitmeinung findet derzeit nicht statt.
SCHUCH: Aufgrund der Anzahl von insgesamt sechs Rheumatologen bildeten wir drei Teams, die zusammen mit MFAs räumlich getrennt arbeiten. Ein Team arbeitet komplett von zu Hause. Von dort findet eine umfassende Telefonbetreuung der Patienten mit immunmodulierender bzw. immunsuppressiver Therapie statt. Aktuell übersenden wir Rezepte ohne persönliche Vorstellung, ggf. mit Adaption der immunmodulierenden Therapie bzw. Protrahierung. Die Telefonate kosten wegen der vielen Ängste und Fragen der Patienten außerordentlich viel Zeit. Die Patienten sind jedoch sehr dankbar! Das Sicherheits-Monitoring mittels Laborkontrollen wird ggf. beim Hausarzt nochmals erbeten oder aber nach Möglichkeit protrahiert.
LINHART & VON HINÜBER: Die Terminpatienten werden telefonisch abgefragt, ob sie ihre Termine wahrnehmen. Ca. 75 % kommen wie vorgesehen, insbesondere wenn besondere klinische Fragestellungen vorliegen. Den anderen werden neue Termine angeboten. Körperliche Untersuchungen werden im Hinblick auf den Infektionsschutz auf das notwendige Maß beschränkt, aber in diesem Umfang auch durchgeführt. Freie Termine konnten bisher zwanglos durch Notfallanmeldungen (FAX-System) aufgefüllt werden.
Wie gewährleisten Sie die Minimierung der Infektionsgefahr für Ihre Mitarbeiter, für Ihre Patienten, für Sie?
WITT: Durch eine verpflichtende Händedesinfektion für jeden Praxisbesucher vor Betreten der Anmeldung und einen Spuckschutz durch Plexiglasscheiben im Anmeldebereich. Grundsätzlich gibt es Basismaßnahmen in Form von Hand- bzw. Oberflächendesinfektion nach jedem Patientenkontakt. Soweit wie möglich erfolgt eine Minimierung der Kontaktzeit mit Patienten auf weniger als 15 Minuten sowie der Patientenzahl im Wartezimmer, u. a. durch Reduktion der Sitzgelegenheiten, den Verweis von Angehörigen, die als Begleitung nicht zwingend nötig sind und den Eintritt in die Praxis einzeln nach Aufruf. Generell gibt es einen Mundnasenschutz für Ärzte und Angestellte, v. a. bei patientennahen Maßnahmen auch Einmalhandschuhe (z. B. körperliche Untersuchung, Blutentnahme).
BELLM: Plexiglasscheiben für die Anmeldung haben wir sehr schnell von einem befreundeten Schreiner machen lassen. Ein eGK-Lesegerät steht an jedem Anmeldungsplatz vor der Scheibe und die Patienten lesen das Kärtchen selbst ein. Ähnliche Scheiben verwenden wir auch in den Sprechzimmern und auf den Schreibtischen, damit kein ungeschützter Face-to-Face-Kontakt erfolgt. In den Behandlungsräumen sind Durchreichöffnungen unter den Scheiben etwas höher, sodass man zumindest eine Hand durchschieben und untersuchen kann. Blutabnahmen und Ganzkörperuntersuchungen erfolgen mit Op-Schutzkittel und chirurgischem Mundnasenschutz – mehrfach verwendet, bis er auseinanderfällt. Weiter gibt es tägliche Anpassungen der Homepage und den Verweis, dass nur nötige persönliche Kontakte stattfinden. Wir haben zwei Teams gebildet, die untereinander keinen Kontakt haben, sodass im Quarantänefall nur eines betroffen wäre. Auch haben wir die Arbeitsplätze so ausgedünnt, dass der Abstand von 1,5 m gewahrt ist. Telefone, PC-Tastaturen etc. bleiben jeder Mitarbeiterin arbeitstäglich zugeordnet und werden am Abend desinfiziert. Im Labor für die Blutabnahme dürfen nur Mitarbeiterinnen unter 50 Jahre tätig sein. Die älteren Mitarbeiterinnen sind an der Anmeldung und im Back-Office tätig. Es findet täglich ein kurzes Briefing im Stehen statt - mit Bekanntgabe der neuen RKI-Daten und Anpassung der Verhaltensregeln.
MENNE: Wir alle tragen Mundschutz. Da deutlich weniger Patienten in der Praxis sind und sechs Räume zur Verfügung stehen, können wir alle einzeln unterbringen. In Bezug auf das Labor gehen 4-8 Patienten verteilt über 2 h auch problemlos.
ARIES: Der Schutz der Mitarbeiter ist gleichsam eine schwierige und wichtige Aufgabe, die wir versuchen, täglich neu zu evaluieren. Zum jetzigen Zeitpunkt empfehlen wir unseren Mitarbeitern das Tragen von Schutzkleidung in Situationen, die als Kategorie I definiert werden. Eingerichtet ist die kontaktfreie Anmeldung am Tresen (Plexiglasscheiben, Kartenlesegerät zur Benutzung durch die Patienten, Desinfektion von Schreibern und Klemmbrettern für das Ausfüllen des Quartalsbogen).
SCHUCH: Durch die Minimierung der Fremd- oder gegenseitigen Infektionsgefahr durch das Tragen von Mundnasenschutz und Plexiglasschutzscheiben im Anmeldebereich.
LINHART & VON HINÜBER: Zunächst haben wir die Praxiseinrichtung etwas verändert: Wartestühle auseinandergestellt und Plexiglasscheiben an Anmeldung, Schreibtischen und Blutentnahmeplätzen angebracht. Praxiseingang und Wartezone zur Anmeldung wurden mit Abstandszonen und entsprechenden Hinweisen versehen, Desinfektionsmittelspender verteilt. Begleitpersonen warten nach Möglichkeit auserhalb der Praxis. Patienten mit Fieber bzw. Infektverdacht werden aufgefordert, die Praxis nicht zu betreten. Patientenkontakte erfolgen grundsätzlich mit Op-Maske und Handschuhen, häufiges Händewaschen, regelmäßige Wischdesinfektion der Türgriffe, Liegen, Stühle etc., sind wichtige Maßnahmen.
Sind Mundnasenschutz und Desinfektionsmittel verfügbar, wo können Sie bestellen, wie lange sind die Lieferzeiten?
WITT: Mundnasenschutz ist derzeit vorhanden, muss aber ressourcenschonend eingesetzt werden nach RKI-Empfehlung (2 Masken pro Person, Wechsel bzw. Trocknen alle 2 Stunden). Nachschub ist derzeit nicht verfügbar. Hand- und Flächendesinfektionsmittel sind vorhanden und Nachschub verfügbar, bei uns jetzt auch über unsere Apotheke, ein lokaler Spirituosenhersteller hat seine Produktion umgestellt. Masken werden von einem lokalen Sanitätshaus hergestellt und ausgeliefert und konnten in größerer Menge bestellt werden. Bei anderen Anbietern, die Masken und auch Handschuhe aufgekauft hatten, mussten hohe Preise bezahlt werden. Manche Landratsämter verteilen über das THW Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel in begrenzter Anzahl, aber nur über Materialschein und nur wenn vorhanden.
BELLM: Nein, nicht ausreichend – die Beschaffung macht viel Mühe! Die Situation im Hinblick auf Desinfektionsmittel hat sich inzwischen gebessert, da unsere kooperierende Apotheke regelmäßig welches herstellt und zunächst einmal für die Arztpraxen reserviert. FFP2-Masken haben wir noch immer nicht (nicht von der KV, bei MEDI bestellt aber noch nicht geliefert, sonst nicht verfügbar). Unser Praxisbedarfszulieferer (in Einkaufsgemeinschaft mit dem BDRh) versagt ziemlich! Die Nähstube des kooperierenden Krankenhauses hat uns das Schnittmuster für Mundnasenschutz gegeben (dort wird im Schichtbetrieb genäht) – unsere Laborkraft in Kurzarbeit übernimmt das Nähen. Es gibt auch genähte waschbare Masten bei Etsy, habe ich zur Sicherheit ebenfalls bestellt.
MENNE: Ja, derzeit ist alles noch ausreichend vorhanden.
SCHUCH: Desinfektionsmittel sind inzwischen ausreichend vorhanden durch persönliche Kontakte und Produktion der Apotheke. Beim Mundnasenschutz erfolgen kleine Lieferungen, aktuell gibt es noch keinen wirklichen Engpass durch das Weiterverwenden des getragenen Mundnasenschutzes, seit Kurzem sind auch wenige FFP3-Masken vorhanden.
LINHART & VON HINÜBER: Ausreichendes Material ist im Vorrat vorhanden, konnte auch erstanden werden.
Wie gehen Sie mit der Verordnung von Immunsuppressiva um? Deeskalieren Sie, wenn möglich? Stellen Sie Patienten noch neu auf Immunsuppressiva ein?
WITT: Weiterhin gilt, dass eine unkontrollierte entzündliche Rheumaerkrankung in Hinblick auf Risiken für bzw. bei Infekten grundsätzlich problematisch ist. Bei Patienten mit anhaltend-stabilem Krankheitsverlauf prüfen wir die Möglichkeit einer Therapiedeeskalation. Prednisolon wird nach Möglichkeit reduziert bzw. beendet. Neueinstellungen werden bei gesicherter Indikation unverändert vorgenommen. Hierzu sind die Handlungsempfehlungen der DGRh vom 24. März 2020 zu beachten.
BELLM: Wenn Neueinstellungen erforderlich sind, müssen sie aus meiner Sicht gemacht werden. Wir versuchen kritisch und sparsam zu sein. Bei Vaskulitiden, auch bei Polymyalgia rheumatica und Arteriitis temporalis, führt kein Weg an Glukokortikoiden vorbei – es bedarf stets einer individuellen Risikoabwägung.
MENNE: Im Grunde machen wir so weiter wie bisher und deeskalieren, wenn dies möglich ist. Umstellungen auf Biologika erfolgen nur, wenn es wirklich dringlich ist, sonst um 6 Wochen zeitverzögert zum neuen Quartal. Steroide nach dem Motto: Sowenig wie möglich, so viel wie nötig – also wie immer.
ARIES: Wir verordnen tatsächlich unverändert die Therapie, wobei wir keine routinemäßige Deeskalation vornehmen. Wir orientieren uns an den Handlungsempfehlungen der DGRh. In Situationen, wo bei Patienten lediglich eine Teilremission besteht, zögern wir gegebenenfalls die Therapieintensivierung heraus.
SCHUCH: Immunsuppressiva werden weiter verordnet, ggf. ohne persönliche Vorstellung, da Patienten eine Anreise von teilweise über 100 km haben und teilweise auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren müssten. Eine Anpassung erfolgt nach klinischem Status und Komplexität der Therapie, mit Differenzierung zwischen Einfach- oder Mehrfachtherapie mit Steroiden.
LINHART & VON HINÜBER: Im Falle einer Nichtverfügbarkeit von Hydroxychloroquin entscheiden wir individuell, ob eine Therapiepause vertretbar ist, ob eine Gabe von Prednisolon 5 mg oder z. B. von niedrig dosiertem MTX in Frage kommen. Ansonsten nehmen wir bisher keine Pandemie-bedingten Therapieumstellungen vor. Wir gehen davon aus, dass im entsprechenden zeitlichen Abstand zu einem Absetzen der Medikamente, für das sich sicher einige Patienten entscheiden werden, mit einem vermehrten Aufkommen von Notfällen durch Entzündungsschübe zu rechnen ist.
Was raten Sie Ihren Patienten beim ersten Auftreten von Atemwegsinfektionen und Fieber, also bei Verdacht SARS-CoV-2?
WITT: Ich rate zur Beendigung der Immunsuppression, Ausnahme ist eine langfristige Prednisolon-Therapie zur Vermeidung einer sekundären Nebennierenrindeninsuffizienz, die nicht abrupt abgesetzt werden sollte. Danach Aufforderung zur Heimquarantäne und Prüfung, ob die aktuell gültige COVID-19-Falldefinition erfüllt ist, in Abhängigkeit davon SARS-CoV-2-Testung (z. B. Tel.: 116 117).
BELLM: Alle DMARDs sollten pausiert werden, nicht jedoch Hydroxychloroquin. Bei Lymphopenie und MTX-Therapie zusätzlich Folinsäure geben. Leflunomid sollte ausgewaschen werden. Meiner persönlichen Erfahrung nach ist dies im Allgemeinen das kritischste Medikament für pulmonale Komplikationen.
MENNE: Therapiepause wie immer, Telefonat oder WhatsApp.
ARIES: Wir orientieren uns an den RKI-Empfehlungen sowie jenen der lokalen Gesundheitsbehörden, was die Abstriche zum Ausschluss von SARS-CoV-2-Infektionen angeht.
SCHUCH: Bei klinisch relevantem Infekt bzw. Temperatur über 38 Grad, losgelöst von Corona, wird ein Fortführen der immunmodulierenden Systemtherapie nicht empfohlen, d. h. es wird gemäß den DGRh-Empfehlungen pausiert.
LINHART & VON HINÜBER: Bei Infektionsverdacht verweisen wir auf die Hausärztinnen und Hausärzte, die ja entsprechend geschult sind. Diese sollen vom Patienten ggf. telefonisch kontaktiert werden.
Wie informieren Sie Ihre Patienten über COVID-19?
WITT: Wir geben Informationen in erster Linie persönlich über ein Arzt-Patienten-Gespräch im Rahmen der derzeitigen Telefonkontakte. Der Kontakt mit den Patienten wird derzeit von uns proaktiv gesucht. Im Gespräch werden allgemeine Maßnahmen des Infektschutzes besprochen (v. a. Handhygiene, Abstandsgebot, Meidung sozialer Kontakte, etc.). Ferner werden ggf. die Möglichkeiten einer Therapiedeeskalation erörtert sowie Verhaltensregeln im Fall von Fieber oder sonstigen Infektbeschwerden. Erreichbar für die Patienten sind wir telefonisch und über Email. Zusätzlich sind Informationen zu COVID-19 und Rheuma auch auf unserer Internetseite hinterlegt.
BELLM: Hauptsächlich über unsere Homepage mit entsprechenden Links und telefonisch.
MENNE: Die Patienten sind initial über das Prozedere von „Grippe“ und Co. aufgeklärt. Bei Redebedarf stehen die üblichen Kommunikationswege WhatsApp, Telefon und Email 7 Tage und 24 h zur Verfügung (aktueller Bedarf außerhalb der Sprechzeiten 2 Fälle im Monat – also so wie immer).
ARIES: Wir aktualisieren unsere Homepage täglich und verweisen bei persönlichen Gesprächen sowie in den Arztbriefen und Emails darauf, die aktualisierten Empfehlungen auf unserer Homepage zu verfolgen. Für die rheumatologischen Kollegen in Hamburg haben wir eine Messenger-Gruppe etabliert, in der aktuelle Veränderungen in der Stadt rund um die Pandemie kommuniziert werden. Dabei spielen medizinische Aspekte genauso eine Rolle wie berufspolitische Punkte.
SCHUCH: Über Informationen auf unsere Website gemäß den Empfehlungen des RKI und der DGRh. Zusätzliche Information gibt es an den Praxiseingängen in Hinblick auf ein Meiden des persönlichen Besuches, wenn ein Infekt vorliegt. Auch auf den Verzicht von Begleitpersonen und das Mitbringen von Kindern wird hingewiesen.
LINHART & VON HINÜBER: Die Patienteninformation erfolgt durch schriftlichen Hinweis auf die einschlägigen Websites, wie der KV, RKI, Rheuma-Liga etc., per Aushang und Flyer, und auf Nachfrage
individuell.
Wie gehen Sie mit dem wirtschaftlichen Einbruch durch niedrigere Patientenzahlen um? Haben Sie Kurzarbeit für Ihre Mitarbeiter angemeldet? Planen Sie eine Mietreduktion? Haben Sie eine Aussetzung der Steuervorauszahlung beantragt?
WITT: Für den Großteil der Angestellten (sowohl MFAs als auch Ärzte) wurde Kurzarbeit beantragt. Für unsere beiden Standorte in Erding und Bad Aibling haben wir eine Halbierung der Miete auf 50 % für zunächst drei Monate beantragt. Bei unserer Hausbank haben wir die Zahlung laufender Kredite zunächst ausgesetzt. Einkäufe wurden bis auf den nötigen Desinfektions- und Infektionsschutzbedarf eingefroren. Auch aus hygienischen Gründen haben wir bis auf Weiteres die Teilnahme am „Lesezirkel“ gekündigt und den Trinkwasserspender im Wartezimmer abgeschafft.
BELLM: Wir haben Kurzarbeit für alle Mitarbeiter des MVZ angemeldet. Der Umfang wird durch tägliche Zeiterfassung ermittelt. Wir haben einen Überbrückungskredit bei der KfW beantragt bzw. hier eine Registrierungsnummer online eingeholt - die Beantragung muss über die Bank erfolgen. Unsere Betriebsunterbrechungsversicherung (Eclesia) hat eine Sonderversicherung für gute Konditionen zu Beginn der Krise angeboten, die wir abgeschlossen haben für den Fall einer angeordneten Schließung.
MENNE: Da wir jetzt 14 Tage Urlaub haben, erübrigt sich alles. Ab dem 20. April läuft es bei mir zunächst wie immer. Überlegungen: Patienten sind krank, Labor muss laufen, „unnötige“ Laboruntersuchungen gibt es nicht – alle 3 Monate Verlaufskontrollen waren in der Vergangenheit Normalität, da sonst die Fallzahlen von der KV Westfalen-Lippe nicht zu schaffen wären. Doppeltermine versuchen wir zu minimieren, d. h. alle 3 Monate Labor und alle 6 Monate Sichtung.
ARIES: Wir haben keinerlei der oben genannten Maßnahmen angemeldet. Wir haben sowohl Vertrauen in unser Praxismanagement, dass ein Absinken der Fallzahlen z. B. mittels der Videosprechstunde abzufangen ist. Zum anderen haben wir Vertrauen in die örtliche KV, mit der wir sehr gut im Kontakt stehen und die uns Sicherheit in dieser Situation gibt, auch was die Auswirkung auf die Quartalszahlungen angeht.
SCHUCH: Aktuell haben wir wirtschaftliche Überlegungen zurückgestellt und hoffen auf Stützungsmaßnahmen wie von der Politik und der KV Bayern versprochen. Kurzarbeit ist bislang noch nicht angemeldet, möglicherweise ab Mai. Eine Reduktion der Mietzahlung oder Steuerreduktion ist bisher nicht beantragt. Insgesamt werden ca. 80-90 % weniger Patienten im Alltag im persönlichen Kontakt betreut, dafür sind aber zwei Kollegen ca. 8 bis 11 Std. gänzlich durch Telefonarbeit gebunden – denn es herrscht viel Verunsicherung, gibt viele Sorgen und Ängste bei den Patienten. Hier erleben wir sehr große Dankbarkeit und Anerkennung. Wir erhoffen und erwarten hier entsprechende Honorierung der geleisteten Arbeit. Eine Videosprechstunde ist aufgrund der Strukturen keine Alternative zur Telefonsprechstunde. Ältere Patienten dürften damit auch nicht erreichbar sein. Daher sollte die Telefonsprechstunde 1:1 wie die persönliche Vorstellung in dieser Ausnahmesituation honoriert werden! Eine eklatante unterschiedliche Leistungsbewertung Telefonsprechstunde vs. Videosprechstunde, wie von der KBV (Dr. Gassen) kommuniziert, ist ein inakzeptabler Tiefschlag gegen die geleistete Arbeit der Rheumatologen in dieser historischen Krise.
LINHART & VON HINÜBER: Bis jetzt sind noch keine gravierenden wirtschaftlichen Schäden absehbar.
Welche Tipps können Sie an die Kollegenschaft weitergeben?
WITT: Viele unserer Patienten sind gerade sehr verunsichert und schätzen in der aktuellen Situation das persönliche, klärende Telefongespräch.
BELLM: Wir alle machen uns große Sorgen. Mein Mann ist ärztlicher Direktor eines Kreiskrankenhauses und ich bekomme täglich die prekäre Situation dort aus erster Hand mit. Ich habe Angst vor dem Kollaps unseres Kliniksystems. Das wichtigste in unseren Führungspositionen ist es, diese Sorge nicht den ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter/innen weiterzugeben, sondern Sicherheit zu geben, auch wenn wir selbst oft unsicher sind. Ich versuche keine unsinnigen Nachrichten an mich heranzulassen, sehr gut zu filtern und mich in seriösen Medien konsequent zu informieren - nicht nur in der eigenen rheumatologischen Zunft. Hier finde ich die Covid19 updates auf https://streamed-up.com/ sehr gut. Auch der Austausch und die Vernetzung unter Kollegen hilft (besonders den Kolleginnen und Kollegen in Einzelpraxen). In Baden-Württemberg sind die meisten niedergelassenen Rheumatologen Mitglieder unserer Genossenschaft „Rheumaexperten BW e.G.“ vernetzt, wo wir einen niederschwelligen Austausch, anlässlich der Corona-Krise auch in einer Threema-Gruppe pflegen.
ARIES: Ich glaube, das Wichtigste ist die Vernetzung mit den Kollegen, um nicht alles selber erfinden und nachsehen zu müssen. Uns hilft es in Hamburg ungemein, die zuvor genannte Messenger-Gruppe zu haben.
SCHUCH: Mehr als sonst für das Team ansprechbar und verfügbar sein, eigene Sorgen und Ängste nicht aufs Team übertragen.
Wir danken allen Autoren, dass sie sich die Zeit genommen haben, für dieses Spezial ihre bisherigen Erfahrungen für alle anderen Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben!