Neue ACR-Richtlinien für die Behandlung der Lupusnephritis
Die neuen ACR-Richtlinien für das Management der Lupusnephritis (LN), die auf der ACR Convergence 2024 vorgestellt wurden, haben zum Ziel, die Nierenfunktion zu erhalten, die Morbidität und Mortalität einer chronischen Nierenerkrankungen zu reduzieren und die Toxizität der Medikamente zu minimieren.
Screening und Diagnose
Es wird empfohlen, SLE-Patienten ohne bisher bekannte Nierenbeteiligung alle 6 bis 12 Monate auf das Vorliegen einer Proteinurie zu screenen. Bei V. a. LN (bei einem sog. nephritischen Urinsediment, einer Eiweißausscheidung im Urin von >0,5 g/g und/oder einer nicht anderweitig zu erklärenden Einschränkung der Nierenfunktion) sollte eine Nierenbiopsie durchgeführt werden. Dies nicht nur, um eine LN zu bestätigen, sondern insbesondere, um deren Aktivität und Prognose besser beurteilen zu können und so die Behandlung besser zu steuern.
Therapieempfehlungen
Bereits vor Erhalt des Ergebnisses einer Nierenbiopsie sollte eine i.v. Glukokortikoid (GK)-Stoßtherapie mit 250-1.000 mg/Tag über 1-3 Tage verabreicht werden. Die immunsuppressive Behandlung der proliferativen LN der Klasse III/IV (auch in Kombination mit Klasse V) sieht standardmäßig eine Dreifachkombination von GK, Mycophenolat und entweder Belimumab oder einem Calcineurin-Inhibitor (CNI) vor, letztere bevorzugt, wenn eine deutliche Proteinurie (>3 g/g) besteht, Belimumab eher bei auch aktiven extrarenalen Manifestationen. Die Behandlung mit niedrig-dosiertem Cyclophosphamid (CYC; „Euro-Lupus“) anstelle von Mycophenolat wird „alternativ“ empfohlen, in der Dreifachkombination aber nur mit Belimumab (da RCTs zum Einsatz von CYC in Kombination mit CNI fehlen). Eine Zweifachkombination ohne Belimumab oder CNI wird empfohlen, wenn diese nicht verfügbar sind oder nicht vertragen werden. Neben einer (starken) Empfehlung zu einer Begleittherapie mit Hydroxychloroquin (HCQ) und Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) wird eine sog. „bedingte“ Empfehlung für eine niedrigere GK-Dosierung (nach anfänglich hoch-dosierter i.v.-Pulstherapie, s. o.) gegeben, um deren Toxizität zu minimieren, beginnend mit nur 0,5 mg/kg/Tag Prednison (max. 40 mg täglich) und Reduktion auf eine Prednison-Zieldosis von max. 5 mg/Tag innerhalb von max. 6 Monaten.
Die Behandlung der reinen Klasse V LN soll bei deren Beginn oder Schub ganz ähnlich erfolgen, wobei aber einem CNI gegenüber Belimumab der Vorzug gegeben wird. Bei refraktären Fällen wird eine Eskalation auf Anti-CD20-Antikörper und nicht mehr die hoch-dosierte CYC-Therapie empfohlen.
Dauer der Behandlung
Die Therapie soll insgesamt wenigstens 3-5 Jahre andauern, wobei die „Erhaltungstherapie“ nach der Induktionsphase nur noch mit Mycophenolat (oder ersatzweise mit Azathioprin) erfolgt. Es wird auf die Bedeutung einer regelmäßigen Überwachung und die Fortführung von HCQ (und RAAS-Inhibitoren bei Proteinurie) verwiesen.
Abweichungen gegenüber den EULAR-Empfehlungen
Die Abweichungen gegenüber den letzten EULAR-Empfehlungen von 2023/24 (1) sind nur gering. Eine reduzierte GK-Dosis wurde auch hier schon empfohlen, wie auch eine i.v.-Pulstherapie zu Beginn der Behandlung. Neu ist, diese bereits explizit zu empfehlen, wenn man noch auf das Ergebnis einer Nierenbiopsie wartet. Eine Empfehlung zur direkten Dreifachkombination mit GK, MMF und Belimumab oder einem CNI, wurde in den EULAR-Recommendations so nicht gegeben, hier konnte deren zusätzlicher Einsatz auch vom ersten Ansprechen auf die Zweifachtherapie abhängig gemacht werden. Die Empfehlungen zur Therapiedauer unterscheiden sich nicht wesentlich, in den ACR-Empfehlungen wird diese mit insgesamt 3-5 Jahren angegeben, in den EULAR-Empfehlungen mit mindestens 3 Jahren nach Erreichen einer Remission. Der deutlichste Unterschied ist sicher in der hier nur noch untergeordneten Bedeutung von CYC zu sehen, das hier lediglich in Form des niedrig-dosierten Euro-Lupus-Protokolls als „Alternative“ zur Standardtherapie mit Mycophenolat vorgesehen ist und gar nicht mehr als Hochdosistherapie (NIH-Protokoll), welche in den EULAR-Empfehlungen bei hoch-aktiver LN empfohlen wird. Gleiches gilt für die Eskalations-Option, für welche in den ACR-Empfehlungen nur noch eine Anti-B-Zelltherapie aufgeführt ist. Da die neuen ACR-Empfehlungen bislang nur auf dem Kongress (in einer Hauptsitzung) vorgestellt wurden und noch nicht als Paper publiziert sind, kann dieser Vergleich noch unvollständig sein.
Neue Therapien für den SLE
Dapirolizumab: Co-Stimulationsblockade von CD40-CD40-Ligand
Die ersten Versuche einer zielgerichteten Therapie beim SLE gehen bis in die späten 1990er Jahre zurück und versuchten eine Co-Stimulationsblockade von CD40 und CD40-Ligand zwischen T- und Makrophagen bzw. auch B-Zellen zu nutzen. Ein Anti-CD40-Ligand-Antikörper bot zwar Hinweise für eine Wirksamkeit, wurde aber wegen thromboembolischer Ereignisse nicht weiter verfolgt. (2) Später zeigte sich, dass diese Begünstigung von Thrombosen wahrscheinlich durch Interaktion des Fc-Teils des monoklonalen Antikörpers mit dem FCg-Rezeptor der Thrombozyten bedingt ist. Mit Dapirolizumab pegol (DZP), einem pegylierten monoklonalen Anti-CD40-Ligand Fab-Fragment (ohne Fc-Teil), sollte es keine Interaktion mit den FCg-Rezeptoren auf Thrombozyten geben, was sich in einer ersten Phase-I-Studie auch bestätigte. (3) Daraufhin erfolgte ein Phase-IIb-Studie mit verschiedenen Dosen von DZP bei SLE. (4) Jetzt wurden als Late-breaking Abstract die Ergebnisse einer Phase-III-Studie zum Einsatz von DZP bei SLE vorgestellt. (5)
PHOENYCS GO war eine weltweite 48-wöchige, randomisierte, placebokontrollierte Studie, in welcher 321 Patienten (ca. 93 % Frauen, im Mittel ca. 42 Jahre, initialer SLEDAI-2K ca. 11) randomisiert entweder i.v. DZP (24 mg/kg plus Standard-of-Care [SoC]-Medikation; n=213) oder Placebo (PBO + SoC; n=108) alle 4 Wochen erhielten. Eine relativ rasche Reduktion von GK war Teil des Behandlungsprotokolls. Insgesamt schlossen 90 % der Patienten unter DZP (+SoC) und 84 % unter PBO (+SoC) die Studie bis Woche 48 ab. Der primäre Endpunkt einer sog. BICLA-Response zu Woche 48 wurde in 49,5 % (103/208) der Patientinnen unter DZP gegenüber 34,6 % (37/107) unter PBO erreicht (p=0,0110) (Abb. 1). Bei den mit DZP Behandelten wurden gegenüber PBO auch mehrere sekundäre Endpunkte signifikant erfüllt, darunter das SRI-4-Ansprechen (Abb. 1), es kam zu 50 % weniger Krankheitsschüben. Von den Patientinnen mit einer GK-Dosis von >7,5 mg/Tag zu Beginn konnten 72 % (76/105) diese in Woche 48 auf ≤7,5 mg/Tag reduzieren gegenüber 53 % (27/51) unter PBO (nominal p=0,0404). Ein höherer Anteil der Patienten, die DZP erhielten, hatte mindestens ein behandlungsbedingtes unerwünschtes Ereignis (TEAE; DZP + SoC: 82,6 %; PBO + SoC: 75,0 %); der Anteil der Patienten mit schwerwiegenden TEAEs war jedoch geringer als unter PBO (DZP + SoC: 9,9 %; PBO + SoC: 14,8 %). Opportunistische Infektionen wurden bei 2,8 bzw. 0,9 % der Patienten unter DZP + SoC bzw. PBO + SoC gemeldet. Es gab ein thromboembolisches TEAE (Myokardinfarkt) und einen Todesfall (aufgrund Gangrän-bedingter Sepsis) bei Patienten mit prädisponierender Anamnese, die DZP + SoC erhielten.
KOMMENTAR: Diese erfolgreiche Phase-III-Studie dürfte zu einer Zulassung von Dapirolizumab (zunächst in den USA) führen. Eine Einordnung dieses neuen Wirkprinzips in den Therapiealgorithmus des SLE ist aber noch nicht möglich, nicht zuletzt, weil es sich bei den Patientinnen dieser Studie nicht um höhergradig aktive Lupus-Fälle gehandelt zu haben scheint.
Kurzes Update zu Obinutuzumab
Im letzten Frühsommer erschienen erste Pressemeldungen über einen erfolgreichen Ausgang der Phase-III-Studie REGENCY zum Einsatz von Obinutuzumab (Anti-CD20) bei der Lupusnephritis. Die Studie ist aber noch nicht veröffentlicht und wurde jetzt auch auf dem ACR noch nicht vorgestellt (wäre als Late-breaking Abstract sicher angenommen worden). Hierzu gab es nur ein Poster zu einer Post-hoc-Auswertung der vorherigen Phase-II-Studie NOBILITY. (6) Mit der Zulassung dieser Anti-B-Zelltherapie der nächsten Generation für die Behandlung der LN ist aber zu rechnen, wenn die Studie in diesem Jahr veröffentlicht worden ist.
CAR-T-Zelltherapie
Auch auf der ACR Convergence 2024 standen die Ergebnisse der (verschiedenen) CAR-T-Zelltherapien und anderer neuer „zellulärer“ Therapieansätze wieder im Zentrum des Interesses. Eine ganze Sitzung zu diesen neuen Therapien wurde von den Erlanger Kollegen mit vier von sechs Präsentationen bestritten (die anderen beiden kamen aus der Johns Hopkins University in Baltimore und waren nicht minder interessant).
Melanie Hagen aus der Arbeitsgruppe von Georg Schett in Erlangen stellte die Ergebnisse der CAR-T-Zelltherapie von inzwischen 35 Patientinnen und Patienten im sog. Compassionate Use Programm (Fa. Miltenyi) mit verschiedenen, schweren, zuvor therapierefraktären Autoimmunerkrankungen (SLE, n=19; autoimmune Myositis [AIM], n=5; systemische Sklerose [SSc], n=11) vor. (7) Alle behandelten Patienten befinden sich seitdem in therapiefreier Remission, bis auf einen Patienten mit einer AIM, welcher nach über einem Jahr ein Rezidiv entwickelte. Das in der Hämatologie bekannte, therapieassoziierte Cytokine-Release-Syndrom (CRS) und ein Immunzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) war bei CAR-T-Zelltherapie von Autoimmunerkrankungen seltener und vor allem in der Schwere geringer ausgeprägt. An schwereren Infektionen wurden sechs Pneumonien verzeichnet.
Ergebnisse von 17 Patienten der prospektiven Phase-I/II-CASTLE-Basket-Studie aus Erlangen zur CAR-T-Zelltherapie bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen (wieder SLE, AIM und SSc) stellte Georg Schett vor. (8) Alle sieben SLE-Patienten, die an der Studie bislang teilnahmen, erreichten eine Remission und konnten ihre immunsuppressive Therapie absetzen. CRS und ICANS waren auch hier seltener und leichter und wurden in der Hälfte der Fälle (8/17) mit Tocilizumab behandelt.
Georg Schett stellte dann auch noch die ersten Ergebnisse einer laufenden, offenen Phase-I-Studie (Breakfree-1) mit einem anderen CAR-T-Zellprodukt vor (9), bei welchem ein anderes Verfahren für die Expression des gegen CD19 gerichteten CAR-T-Rezeptors auf den T-Zellen der Patienten eingesetzt wird und welches deutlich weniger Zeit für die Herstellung der CAR-T-Zellen benötigt. Das könnte neben den rein zeitlichen und logistischen Vorteilen auch erlauben, mit weniger zu infundierenden CAR-T-Zellen arbeiten zu können. Vor der Leukapherese wurden bei den Patienten alle Therapien abgesetzt und sie erhielten bereits 2-7 Tage nach einer 3-tägigen Konditionierung mit Fludarabin (30 mg/m²) und CYC (300 mg/m²) die einmalige Infusion mit CAR-T-Zellen. Bislang wurden 15 Patienten mit SLE (n=11), SSc (n=3) und AIM (n=1) behandelt. Trotz Absetzen der Therapie kam es bei allen SLE-Patientinnen zu einem deutlichen SLEDAI-Rückgang, Anti-dsDNA-Antikörper und Komplementwerte normalisierten sich bei 6 von 7 SLE-Patienten mit einem für die Auswertung ausreichend langen Follow-up.
Compound-CAR-T-Zellen
Die Behandlung schwerer SLE-Fälle in China mit sog. Compound-CAR (cCAR)-T-Zellen, welche separat chimäre Antigenrezeptoren (CAR) für BCMA und für CD19 auf der CAR-T-Zell-Oberfläche exprimieren, fand schon auf dem EULAR 2024 viel Beachtung (10) und wurde auf dem ACR „nur“ als Poster präsentiert (11), obwohl das Unternehmen, welches das Produkt herstellt (oder lizensiert hat?) aus den USA kommt.
Zwischen Juni 2022 und Februar 2023 wurden nun 12 (10 weiblich) chinesische Patienten mit refraktärer LN der Klasse III-V im Alter von 17-58 Jahren und einer mittleren Krankheitsdauer von 8 Jahren mit diesen cCAR-T-Zellen behandelt. Da zuvor auch schon einzelne Patienten mit NHL (± Lupus) hiermit behandelt wurden, fußt die Safety-Analyse auf bislang 18 Behandlungen mit einer Nachbeobachtung von ≥12 Monaten. Ab Tag -15 wurden die GK reduziert und ab Tag -6 (1 Woche vor der Gabe der cCAR-T-Zellen) wurden alle (!) Medikamente (Immunsuppressiva, HCQ, GK, Biologika) abgesetzt. Die Konditionierung erfolgte dann nur mit CYC in vergleichswese niedriger Dosierung (3 Tage jeweils 300 mg/m² KOF). Am Tag 0 wurden dann 3x 106 cCAR-T-Zellen infundiert. In dem Protokoll war keine weitere Medikation mehr vorgesehen, bis auf ivIgG „as needed“ (was schon darauf hinweist, worauf man zu achten hatte).
Die SLE/LN-Aktivität hat sich nach der cCAR-Behandlung bei allen 12 Patienten deutlich verbessert und sämtliche Autoantikörper normalisierten sich. Die Proteinurie sank von durchschnittlich 1.744 auf 163 mg/Tag, die UPCR von 0,7 auf 0,15. 10/12 weisen auch mehr als 2 Jahre nach der Behandlung eine Vollremission auf: bei einem Ausgangswert des SLEDAI-2K von durchschnittlich 9,5 (4-16), lag dieser bei 10/12 Patienten nach einem und zwei Jahren bei 0 Punkten. Eine persistierende Proteinurie wurde als „Damage“ eingestuft und wegen nicht erneuter Nieren-PE mit 4 Punkten im SLEDAI gewertet und einer mit 2 Punkten, da er noch ein vermindertes Komplement aufwies. Zwei Patientinnen weisen nun schon eine therapiefreie Vollremission und vollständige Seronegativität im 5. Jahr nach der Behandlung auf und eine im dritten Jahr. Eine Patientin entwickelte 17 Monate nach der Behandlung wieder einen messbaren ANA-Titer und einen Sm-Antikörper, der vor der Behandlung nicht vorhanden gewesen sei.
Die cCAR-T-Zelltherapie sei gut vertragen worden, sAEs wurden nicht verzeichnet. Zu Fieberreaktionen kam es in 80 % der Fälle, bei allen zu einer (deutlichen) Hypogammaglobulinämie. Ein CRS trat in 90 % der Fälle auf, in keinem aber über Grad 1 hinaus. Neurologische Nebenwirkungen (ICANS) wurden nicht verzeichnet. Eine in 50 % der Fälle aufgetretene Anämie, Leuko- und Lymphopenie (CYC?), hatte sich nach einem Monat regelhaft normalisiert. An Infektionen wurde außer COVID-19 nur ein Harnwegsinfekt registriert.
Allogene CD19-CAR-NK-Zellen
Ob man auch allogene CAR-Zellen zur SLE-Therapie einsetzen kann, untersuchte eine chinesischen Arbeitsgruppe, die Arbeit wurde als Late-breaking Abstract vorgestellt. (12) Hier wurden aber keine allogenen CAR-T-, sondern CAR-NK-Zellen (natürliche Killerzellen) eingesetzt, deren CAR auch gegen CD19 gerichtet ist. Der Vorteil allogener CAR-Zellen bestünde vor allen Dingen darin, dass man diese „auf Halde“ mit weniger Aufwand und Kosten produzieren und logistisch einfacher verabreichen kann. Bislang wurden 22 Fälle mit aktivem, refraktärem SLE (9 mit LN) mit diesen allogenen CAR-NK-Zellen behandelt (auch hier nach Konditionierung mit CYC und Fludarabin). Bemerkenswert ist, dass bei 16 Patientinnen unter den Vortherapien auch das hoch-potente Telitacicept (Anti-APRIL) aufgeführt war.
Es wurden bei den CAR-NK-Zellen weniger therapieassoziierte Nebenwirkungen (CRS, Infektionen) verzeichnet als in den bisher veröffentlichten Fallserien der CAR-T-Zelltherapie (Cave: indirekter Vergleich), wobei die Wirkung ähnlich gut gewesen sein soll. Allerdings erreichten von den bislang 8 Patienten mit einem Follow-up von >6 Monaten „nur“ 50 % (4/8) eine DORIS-Remission und 75 % (6/8) eine niedrige Krankheitsaktivität (LLDAS). Auch die serologische Response zeigte keinen so deutlichen Effekt wie bei den bisherigen autologen CAR-T-Zelltherapien.
Bi-spezifische T-Zell Engager
Bi-spezifische T-Cell Engager (BiTEs) sind künstlich hergestellte, monoklonale Antikörper, die zwei verschiedene Zielstrukturen gleichzeitig binden können. Ein Teil des BiTE-Antikörpers bindet an ein Oberflächenprotein der T-Zellen, üblicherweise den CD3-Rezeptor, während der andere Teil an ein spezifisches Antigen auf der Zielzelle, wie z. B. einer B-Zelle, bindet. Hierdurch wird eine Verbindung zwischen der Zielzelle und der T-Zelle hergestellt, wodurch diese T-Zelle aktiviert wird. Dies führt zur Freisetzung von zytotoxischen Proteinen wie Perforin und Granzymen, die den programmierten Zelltod (Apoptose) der Zielzelle auslösen. BiTE-Antikörper werden in der Tumortherapie eingesetzt, um gezielt Tumorzellen zu zerstören. Dieses Prinzip einer zielgerichteten „intrinsischen“ Zelltherapie auch bei (B-Zell getriebenen) Autoimmunerkrankungen einzusetzen, lag nahe und wieder waren es deutsche Arbeitsgruppen in München, Berlin und Erlangen, welche BiTEs erstmalig bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt haben, und zwar bei der SSc (13), der rheumatoiden Arthritis (14) und dem SLE. (15) Dies fand auf dem EULAR- und auf dem DGRh-Kongress bereits große Beachtung.
Laura Bucci, Erlangen, stellte auf dem ACR ein Poster mit Sicherheitsdaten einer Behandlung von 12 Patienten (9 RA, 1 SSc, 1 AIM, 1 Sjögren-Syndrom [SjS]) mit Blinatumomab (n=7) oder Teclistamab (n=4) vor. Ein CRS trat in 3 Fällen (1x Grad 1, 2x Grad 2) auf und wurde mit einmaliger Tocilizumab-Gabe behandelt. ICANS wurden nicht verzeichnet. Relativ häufig (5/12) kam es zu Infektionen leichterer Art, in drei Fällen im Kontext eines überschießenden Abfalls der Immunglobuline. (16) Über den ersten Einsatz von Teclistamab beim SLE (15) berichtete Tobias Alexander, Berlin bereits auf dem DGRh-Kongress 2024. Bei der ACR Convergence stellte eine Arbeitsgruppe aus China in einem Late-Breaking Abstract Ergebnisse einer kleinen Fallserie vor (17): 6 SLE-Patientinnen (21-45 Jahre), davon fünf mit LN und eine mit ZNS-Lupus wurden mit dem neuen Konstrukt „A319“ behandelt, das (wie Blinatumomab) gegen CD19 und CD3 gerichtet ist. Alle Patienten reagierten mit Fieber (I°- II°), an Infekten wurde eine Phlebitis an der Zugangsstelle für die Infusion und ein viraler Infekt der oberen Luftwege verzeichnet. Es sei zu keinem CRS oder ICANS gekommen. Alle Patientinnen zeigten unter der Therapie erwartungsgemäß einen deutlichen Abfall der Immunglobuline aber auch der Anti-dsDNA-Antikörper sowie einen deutlichen Rückgang des SLEDAI-Aktivitätsscore von durchschnittlich 14 (8-20) auf 4 nach 4-12 Wochen.
KOMMENTAR: Man sieht, dass CAR-T-Zellen nicht gleich CAR-T-Zellen sind. Neben unterschiedlichen Konstrukten für die Expression der CAR, ist die Adressierung unterschiedlicher Antigene (z. B. nicht nur CD19, sondern auch BCMA) von Bedeutung. Auch der Einsatz bi-spezifischer bzw. cCAR-T-Zellen – wie sie in der Hämatologie bereits zum Einsatz kommen – könnte zusätzliche Therapieoptionen oder -intensitäten öffnen. Allogene CAR-T-Zellen böten die Aussicht auf geringere Therapiekosten und eine einfachere Verfügbarkeit. Nicht zuletzt bleibt abzuwarten, inwieweit BiTE-Antikörper nicht eine ähnliche Potenz bei deutlich einfacherer Herstellung und Anwendung bieten.
Immunologisch noch komplexer und weiter in die Zukunft gerichtet sind Versuche, die Selektivität der neuen „zellulären“ Therapien dadurch zu steigern, dass man nicht mehr alle Zellen, die CD19 oder BCMA exprimieren, sondern nur auto-reaktive B-Zellen attackiert. Diese vielversprechenden Ansätze befinden sich allerdings noch im präklinischen Stadium (siehe Abstracts 1751 und 1752). Es bleibt auf jeden Fall spannend und mit den „zelluläre Therapien“ genannten Prinzipien scheint sich ein neues, vielversprechendes Kapitel in der Therapie schwerer systemischer Autoimmunerkrankungen zu öffnen.
Prof. Dr. med. Christof Specker
Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie
Evangelisches Krankenhaus,
Pattbergstraße 1-3, 45239 Essen
Quellen: 1 Fanouriakis A et al., Ann Rheum Dis 2024; 83(1): 15-29 | 2 Boumpas DT et al., Arthritis Rheum 2003; 48(3): 719-727 | 3 Chamberlain C et al., Ann Rheum Dis 2017; 76(11): 1837-1844 | 4 Furie RA et al., Rheumatology 2021; 60(11): 5397-5407 | 5 Clowse M et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. L16 | 6 Furie RA et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. 0659 | 7 Hagen M et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. 1749 | 8 Schett G et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. 1750 | 9 Schett G et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. 1753 | 10 Ma Y et al., Ann Rheum Dis 2024; 83 (Suppl 1): 136 (OP0017) | 11 Yuan Y et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. 0673 | 12 Yu Y et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. L17 | 13 Subklewe M et al., Eur J Cancer 2024; 204: 114071 | 14 Bucci L et al., Nat Med 2024; 30(6): 1593-1601 | 15 Alexander T et al., . N Engl J Med 2024; 391(9): 864-866 | 16 Hagen M et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. 1130 | 17 Mei C et al., Arthritis Rheumatol 2024; 76 (Suppl 9): Abstr. L12