Kommentar zu den DGRh-Empfehlungen

Das gegenwärtige Chaos der COVID-19-Pandemie bringt nicht nur unser aller Leben gehörig durcheinander, es hat auch in der rheumatologischen Community für große Verwirrung und Unsicherheit gesorgt, dies gleichermaßen bei den Patienten und ihren Ärzten. Da ich gleichzeitig einen Chat für Rheumapatienten bei der Rheuma-Liga (mit)betreue und im Auftrag der DGRh einen Chat für Rheumatologen, werde ich mit dieser Unsicherheit täglich konfrontiert. Sie bezieht sich vor allem auf den Umgang mit der laufenden immunsuppressiven Therapie.

Wir haben seitens der DGRh zu diesem Thema in einer Arbeitsgruppe Empfehlungen formuliert, die auf der Webseite schnell zu finden sind. Diese Empfehlungen wiederum haben bei den Rheumatologen viele Diskussionen ausgelöst – vor allem die Frage, ob man nicht angesichts der potenziell lebensbedrohlichen viralen Infektion, die uns alle so beschäftigt, viel vorsichtiger mit der DMARD-Therapie umgehen sollte, als dort formuliert ist, genauer gesagt diese Therapie vorsorglich und konsequent pausieren sollte.

Warum ist dieser Schluss falsch und würde dieses Vorgehen den Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit schaden? Man muss etwas ausholen: Die große Angst vor dem erhöhten Infektionsrisiko unter DMARD- und insbesondere bDMARD-Therapie stammt aus der Zeit vor 20 Jahren. Mit Biologika wurden damals vor allem schwerkranke Patienten behandelt, und man sah durchaus auch häufig schwere Infektionen. Heute wissen wir, dass in erster Linie nicht die Biologika, sondern wichtige Ko-Faktoren wie schwere Grunderkrankung, Kortikoid-Gabe oder Komorbiditäten ursächlich waren. Liegen diese Ko-Faktoren (die in Tab. 1 der DGRh-Empfehlungen dargestellt sind) nicht vor, so ist dieses Risiko überschaubar gering: In großen Kohortenstudien haben bDMARDs und tsDMARDs ein gering über den csDMARDs liegendes Risiko, und Patienten unter csDMARDs wiederum haben nur ein minimal höheres Risiko als solche, die keine DMARDs nehmen. Alle DMARDs werden bezüglich des Infektionsrisikos von den Kortikoiden deutlich übertroffen.

Diesem vergleichsweise geringen DMARD-induzierten Infektionsrisiko steht ein erheblich höheres gegenüber, das von der schlecht kontrollierten rheumatischen Grunderkrankung ausgeht. Werden DMARDs vorsorglich aus Angst vor Infektion abgesetzt, so wird die Aktivität der rheumatischen Erkrankung in vielen Fällen zunehmen oder gar „explodieren“, im Falle der JAK-Inhibitoren mit bekannt kurzer Halbwertszeit geschieht dies innerhalb weniger Tage. Wenn der Hausarzt in dieser Situation den Patienten sieht, wird er versuchen, den Schub mit einer hohen Kortikoid-Dosis in den Griff zu bekommen - zwei gravierende infektionsfördernde Faktoren kommen so zusammen.

Es gibt also gute Gründe dafür, die laufende DMARD-Therapie nicht zu unterbrechen, wenn keine Infektion vorliegt, dementsprechend raten die DGRh-Empfehlungen in dieser Situation zur Fortsetzung. Ist hingegen eine manifeste Infektion eingetreten, so wird zu einer Unterbrechung geraten - so wie es auch bei anderen Infektionen empfohlen wird. Ob das allerdings tatsächlich nötig und sinnvoll ist, wurde bisher nicht untersucht. In dieser unklaren Situation Vorsicht walten zu lassen, scheint aber gegenwärtig adäquat.

Interessanterweise gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass DMARDs – zumindest einige davon - den Verlauf der COVID-19-Infektion sogar positiv beeinflussen können. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein fataler COVID-Verlauf vor allem in der Lunge durch ungebremste Entzündung („Zytokin-Sturm“) hervorgerufen wird. Intensive Zytokin-Bremsung könnte sich so lebensrettend auswirken, vor allem für IL-6- und IL-1-Inhibitoren wird ein solcher Effekt postuliert. Entsprechende Studien wurden unterdessen begonnen. Weitere „Hoffnungsträger“ sind die Antimalariamittel Chloroquin und Hydroxychloroquin, die sich in Pilotstudien positiv auf den Verlauf der Infektion auswirkten und jetzt ausführlicher getestet werden. 

Sollte der Rheumapatient diese Mittel vorsorglich zusätzlich nehmen, um sich zu schützen? Ganz sicher nicht – zum einen ist diese positive Wirkung bisher nicht eindeutig belegt, zum anderen können diese Mittel – wenn auch selten – durchaus gefährliche unerwünschte Wirkungen haben.

Ausblick:
Fasst man aber diese erfolgsversprechenden Ansätze zusammen und geht von positiven Ergebnissen aus, so könnte irgendwann ein Paradigmenwechsel für den Umgang mit DMARDs bei Infektion resultieren: Könnte es sein, dass diese Therapie Infektionen nicht begünstigt, sondern sogar davor schützt? Im Moment ist das allerdings noch eine Hypothese, und der Rheumatologe tut gut daran, sein Vorgehen an den Empfehlungen der DGRh zu orientieren.


Prof. Dr. med. Klaus Krüger
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
Praxiszentrum St. Bonifatius
St.-Bonifatius-Str. 5, 81541 München