COVID-19 UND RHEUMATOLOGIE

Impfungen gegen SARS-CoV-2: Sicherheit und Effektivität im Blickpunkt

Das Thema COVID-19 dominiert auch in 2022 mit ständig neuen Erkenntnissen zur Sicherheit und Wirksamkeit von COVID-19-Impfungen bei Patienten mit autoimmunen, entzündlichen rheumatischen Erkrankungen (AIRD), die in Bezug auf den Impfschutz aufgrund der neuen Omikron-Variante teilweise schon wieder überholt sind. Im Folgenden sei ein kurzer Überblick über die aktuellen Entwicklungen gegeben.

Zu Beginn ein kurzer Exkurs zu den bei COVID-19-Patienten erprobten Medikamenten aus der Rheumatologie: Obgleich im Gegensatz zu dem bei früher Erkrankung sehr effektiven Paxlovid und Sotrovimab (und einer Reihe weiterer antivraler bzw. Antikörperpräparate) sicher keine „Game Changer“, hat die EMA im Dezember 2021 in kurzer Folge den in mehreren Studien bei schwerem COVID-19 getesteten Interleukin-6-Rezeptorinhibitor (IL-6-Ri) Tocilizumab (kombiniert mit Glukokortikoiden, GK) und IL-1-Rezeptorantagonisten Anakinra zugelassen. Noch kein finaler Bescheid ist zum Januskinase (JAK)-1/2-Inhibitor Baricitinib ergangen, der von der WHO als Alternative zu IL-6Ri empfohlen wird.

Keine Rolle mehr spielt das ebenfalls als Kandidat gehandelte Colchicin, nachdem die von Deepak L. Bhatt, Boston (USA), und Kollegen publizierte randomisierte, kontrollierte COLCOVID-Studie keinen Nachweis für eine Reduktion der 28-Tages-Mortalität oder Notwendigkeit einer invasiven Beatmung bei 1.279 hospitalisierten Patienten mit COVID-19-Pneumonie erbrachte. (1)

Risiko spezifischer immunsuppressiver Therapien

Eine Auswertung der „National COVID Cohort Collaborative“ (N3C) von 231.830 Patienten (von diesen erhielten 132 Rituximab infolge einer AIRD), die in den USA wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, bestätigte die aus anderen Registern bekannte erhöhte Sterblichkeit unter Rituximab: In der von Caleb Alexander, Baltimore (USA), und Kollegen vorgelegten Propensity-Score-Analyse war das Risiko um 72 % erhöht (Hazard ratio, HR 1,72). Für andere Immunsuppressiva zeigte sich entweder kein signifikant höheres oder sogar ein im Trend (vor allem unter IL-6Ri) niedrigeres Sterberisiko. Eine Überraschung boten in dieser Analyse die Januskinase-Inhibitoren (JAKi), die anders als im Register der COVID-19 Global Rheumatology Alliance (und dem deutschen COVID-19 Rheuma-Register) mit einer sogar signifikant niedrigeren Mortalität assoziiert waren. (2) Angesichts der Studien zu Baricitinib bei COVID-19 und auf dem ACR gezeigter Daten des deutschen Registers, die zwar ein erhöhtes Risiko von JAK- im Vergleich zu TNFa-Inhibitoren belegen, die aber durch höhere GK-Dosen und mehr Komorbiditäten in ersterer Gruppe relativiert wurden, ergibt sich nun ein differenzierteres Bild. 

Sicherheit der COVID-19-Impfungen bei Rheumapatienten

Dass die Impfungen gegen COVID-19 auch bei Rheumapatienten in aller Regel sicher durchführbar sind, bestätigen aktuell von Pedro M. Machado, London (Großbritannien), und Kollegen vorgestellte Daten aus dem EULAR Coronavirus Vaccine (COVAX)-Register. In die Analyse gingen 5.121 geimpfte Patienten (70 % Biontech/Pfizer, 17 % AstraZeneca/Oxford, 8 % Moderna) ein, davon 90 % mit AIRD und 10 % mit nicht-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen (ca. 70 % Frauen). Häufigste Diagnosen waren entzündliche Arthritiden (58 %), Kollagenosen (18 %) und Vaskulitiden (12 %), 54 % erhielten csDMARDs, 42 % bDMARDs und 35 % Immunsuppressiva. Bei den voll vakzinierten AIRD-Patienten waren in der Vor-Omikron-Zeit (bis Ende Juli 2021) Durchbruchinfektionen mit 0,7 % sehr selten, zu Schüben respektive schweren Schüben kam es bei 4,4 bzw. 0,6 % der Patienten, zu einer Medikationsänderung bei 1,5 %. Auch (alle und schwere) unerwünschte Ereignisse waren mit 37 bzw. 0,4 % selten. (3)

Etwas häufiger wurden Nebenwirkungen im deutschen COVID-19-Impfregister mit 2.771 Rheumapatienten (Stand Januar 2022) berichtet, zu einem Schub (mittlere Stärke 6/10 auf NRS) kam es bei 15 %, eine Anpassung der Immunmodulation erfolgte daraufhin bei 58 % der Betroffenen.   

Nicht unerwartet zeigte eine Analyse des bereits zuvor erwähnten N3C-Registers durch Jing Sun, Baltimore (USA), und Kollegen, dass bei immungeschwächten Menschen oder solchen unter immunsupprimierenden Medikamenten häufiger mit Durchbruchinfektionen zu rechnen ist. Bei 604.035 vollständig Geimpften betrug die Inzidenz solcher Durchbruchinfektionen nur 5,0/1.000 Personenmonate (Anstieg auf 7,1 in Delta-Welle). Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) war beispielhaft die Inzidenz mit 9,3/1.000 Personenmonate höher. Jedoch verliefen auch bei Immunsupprimierten die Durchbruchinfektionen häufig milder. (4)  

Rationale für Dritt- und Viertimpfungen: Was ist bekannt?     

Dass die humorale Impfantwort aller COVID-19-Vakzine (Biontech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca/Oxford, Janssen/Johnson & Johnson) bei mit Rituximab behandelten AIRD-Patienten heerabgesetzt ist, bestätigte eine deutsche Fall-Kontroll-Studie mit 102 Teilnehmern von Falk Schumacher, Köln, und Kollegen. 64 % zeigten nach der Impfung einen negativen Antikörper-Spiegel (<24 IE/ml), bei 72 % waren keine CD19+ peripheren B-Zellen gemessen werden. Es zeigte sich eine signifikante Assoziation zwischen dem Antikörper-Titer und dem Intervall bis zur ersten Vakzinierung (p=0,0008) und der Anzahl der peripheren B-Zellen – Parameter, die für den Zeitpunkt der Impfung hochrelevant sind. (5)

Mit der Effektivität von mRNA-Impfstoffen (hier Biontech/Pfizer) bei AIRD-Patienten in der Delta-Welle befassten sich französische Experten um Benjamin Terrier, Paris. Es zeigte sich, dass Rituximab und Methotrexat unterschiedlich die Immunogenität über eine verminderte B-Zell- bzw. T-Zellantwort beeinflussen, wobei die Delta-Variante unter Rituximab fast gänzlich das humorale Ansprechen unterläuft. (6)

Dass bei AIRD-Patienten nach Nicht-Ansprechen auf zwei mRNA-Impfungen (zu 50 % waren diese auf Rituximab) unabhängig vom B-Zell-Status ein dritter Versuch dringend zu empfehlen ist, legen von Georg Schett, Erlangen, und Kollegen publizierte Daten vor – dabei spielte es keine Rolle, ob es sich bei der Drittimpfung um eine mRNA-basierte Vakzine oder einen Vektorimpfstoff handelte. (7) Diesen letzteren, doch etwas überraschenden Befund bestätigte auch eine randomisierte, kontrollierte Studie österreichischer Rheumatologen um Daniel Aletaha, Wien. (8)

Eine weitere deutsche Arbeit von Claudius Speer, Heidelberg, und Kollegen weist daraufhin, dass bei mit Rituximab (als Erhaltungstherapie) behandelten Patienten mit ANCA-assoziierten Vaskulitiden selbst eine dritte Impfdosis  der Biontech/Pfizer-Vakzine nicht zu einem humoralen Ansprechen führte. (9) Mit der Problematik rund um Rituximab beschäftigten sich auch Thomas Dörner, Berlin, und Kollegen. Sie gelangen zu dem Schluss, dass bei AIRD-Patienten auf Rituximab eine Mindestmenge von 10 B-Zellen/ml (entsprechend 0,4 % der Lymphozyten) im peripheren Blut als Biomarker für eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein angemessenes zelluläres und humorales Ansprechen dienen könnte. (10)

Dass keineswegs nur Rituximab das Ansprechen auf drei und selbst eine vierte Impfung gegen COVID-19 vermindert, sondern auch andere Anti-B-Zell-Therapien Probleme bereiten, verdeutlicht eine Analyse US-amerikanischer Experten um Dorry Segev, Baltimore (USA). Nach der 4. Impfung erreichten zwei Patienten dieser allerdings kleinen Fallserie unter Mycophenolat Mofetil kein relevantes humorales Ansprechen – allerdings war bei diesen schwer kranken AIRD-Patienten die Therapie unverändert fortgeführt worden. (11) Im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung dürfte relativ sicher damit zu rechnen sein, dass ganz generell bei älteren und immunsupprimierten Patienten, also auch und insbesondere solchen mit AIRD, in naher Zukunft eine 4. Impfdosis empfohlen wird.

Long COVID: Höheres Risiko bei Rheumapatienten?

Last but not least zum Thema Long COVID, das bei AIRD-Patienten bislang nur unzureichend untersucht wurde. Eine multizentrische Studie spanischer Experten um César Fernández-de-las-Peñas, Madrid, in die 1.969, während der ersten Welle der Pandemie aufgrund von COVID-19 hospitalisierte Patienten eingingen – darunter 17 mit RA –, ergab keine Hinweise darauf, dass diese nach einem Beobachtungszeitraum von 8,4 Monaten ein erhöhtes Risiko für Long COVID haben. Angesichts der geringen Fallzahl von RA-Patienten kann dies aber höchstens als ein erstes Indiz gewertet werden. (12)


Quellen:
1   JAMA Netw Open 2021; 4(12): e2141328
2   Lancet Rheumatol 2022; 4(1): e33-e41
3   Ann Rheum Dis 2021; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221490
4   JAMA Intern Med 2021; doi: 10.1001/jamainternmed.2021.7024
5   Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac036
6   Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221508
7   Ann Rheum Dis 2021; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221554
8   Ann Rheum Dis 2022; doi:10.1136/annrheumdis-2021-221558
9   Ann Rheum Dis 2022; doi:10.1136/annrheumdis-2021-221747
10 Arthritis Rheumatol 2021; doi: 10.1002/art.42060
11 Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221641
12 Clin Rheumatol 2022; 41(2): 585-586