COVID-19 UND RHEUMATOLOGIE

EULAR: Neuer Leitfaden zum Einsatz immunmodulatorischer Therapien

Die mit COVID-19 in schweren Fällen assoziierte systemische Entzündung bis hin zum Zytokinsturm mit nicht selten tödlichem Verlauf hat in der Klinik und vermehrt auch in randomisierten, kontrollierten Studien zur Erprobung von häufig in der Rheumatologie eingesetzten antiinflammatorischen Medikamenten geführt. Eine EULAR Task Force um Xavier Mariette, Paris (Frankreich), aktualisierte ihre im letzten Jahr vorgelegten „Points to consider“ zum Einsatz immunmodulatorischer Therapien bei COVID-19.

Die aktualisierten EULAR „Points to consider” (PtCs) 2021 wurden von einer internationalen, multidisziplinären Task Force auf Basis eines systematischen Literaturreviews (Stichtag 14. Juli 2020) erarbeitet, abgestimmt und konsentiert. Das Ergebnis der Überarbeitung sind zwei übergeordnete Prinzipien und 12 spezifische PtCs. In den übergreifenden Prinzipien, die unverändert blieben, wird auf die enorme Heterogenität von SARS-CoV-2-Infektionen (asymptomatisch bis letal verlaufende COVID-19-Erkrankung infolge Multiorganversagen) hingewiesen und auf das dadurch benötigte differenzierte Therapiemanagement, inklusive antiviraler Medikamente, O2-Therapie, Antikoagulation und/oder immunmodulatorischer Therapien in den verschiedenen Krankheitsstadien. 

Glukokortikoide plus Tocilizumab oder JAK-Inhibitoren im Fokus

Für alle PtCs gilt, dass eine Evidenz nur für moderat-schwer bzw. kritisch erkrankte COVID-19-Patienten vorliegt. Unverändert blieben die ersten vier PtCs: Für nicht-hospitalisierte Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion gibt es derzeit keine Evidenz, die die Einleitung einer immunmodulatorischen Therapie unterstützen würde. Für hospitalisierte Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion, aber ohne Bedarf einer O2-Therapie, gibt es derzeit keine Evidenz, die zur COVID-19-Behandlung den Start einer immunmodulatorischen Therapie unterstützen würde. Hydroxychloroquin sollte zur Behandlung jedes Stadiums einer SARS-CoV-2-Infektion vermieden werden, da es keinen zusätzlichen Benefit zur Standardversorgung bietet und die Prognose schwer erkrankter Patienten sogar verschlechtern könnte, gerade in Kombination mit Azithromycin. Bei COVID-19-Patienten, die zusätzliches O2, eine nicht-invasive oder mechanische Beatmung benötigen, sollten zur Reduktion der Mortalität systemische Glukokortikoide (GK) eingesetzt werden, die beste Evidenz gibt es dabei für Dexamethason.

Modifiziert wurde der nächste PtC zu Tocilizumab: Bei COVID-19-Patienten, die zusätzlich O2, eine nicht-invasive oder mechanische Beatmung benötigen, sollte eine Kombination aus GK und Tocilizumab erwogen werden, da es die Krankheitsprogression und Mortalität reduziert. Für die Bewertung der Effekte anderer Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitoren fehlt es noch an Daten. Bei COVID-19 gibt es weiter keine robuste Evidenz, die den Einsatz von Anakinra oder Canakinumab in jedwedem Krankheitsstadium stützen würde.

Neu eingefügt wurde ein PtC, wonach es keine robuste Evidenz gibt, die den Einsatz von niedrig dosiertem Colchicin in jedwedem Krankheitsstadium stützen würde.* Bei COVID-19-Patienten, die eine nicht-invasive Beatmung oder Hochdurchfluss-O2-Therapie benötigen, kann die Kombination aus GK und Baricitinib erwogen werden, da sie die Krankheitsprogression reduzieren und die Mortalität senken könnte (gestrichen wurde hier Remdesivir zugunsten von GK und zudem die zunehmende Evidenz für Baricitinib berücksichtigt).

Neu sind die folgenden Punkte: In Anbetracht einer sich noch entwickelnden Landschaft randomisierter, kontrollierter Studien (RCTs) können noch keine Empfehlungen für den Einsatz von Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF)-Inhibitoren (Mavrilimumab, Otilimab, Lenzilumab) ausgesprochen werden. Bei Patienten ohne Hypogammaglobulinämie und mit einer Symptomdauer >5 Tage gibt es eine robuste Evidenz gegen den Einsatz von Rekonvaleszentenplasma.

Bei Patienten mit dem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, einer Symptomdauer <5 Tage oder Seronegativität sollten monoklonale Antikörper gegen das Antispike-Protein erwogen werden (auch hier wurde den Ergebnissen neuerer RCTs Rechnung getragen). Modifiziert wurde der letzte PtC: Bei COVID-19 gibt es gegenwärtig eine unzureichende Evidenz für die Empfehlung anderer Immunmodulatoren, einschließlich Interferon (IFN)-a, -b, -k oder -l, Leflunomid, i.v. Immunglobuline, Eculizumab und Ciclosporin. (1)

Take-home-Messages

Kurz gesagt gibt es gute Belege dafür, dass GK (vor allem Dexamethason) allein oder in Kombination mit Tocilizumab vorteilhaft sind bei Fällen mit erforderlicher O2-Therapie und bei kritisch erkrankten Patienten. Auch der Einsatz von Januskinase (JAK)-Inhibitoren (Baricitinib und Tofacitinib) erscheint vielversprechend bei schweren, kritischen COVID-19-Verläufen, im Hinblick auf IL-1-Inhibitoren fehlt es noch an Evidenz und einer Biomarker-basierten Stratifizierung für eine Anti-IL-1-Therapie.

Gegen SARS-CoV-2 gerichtete monoklonale Antikörper sowie Rekonvaleszentenplasma könnten Anwendung in frühen Krankheitsphasen und selektierten Subgruppen von Patienten finden. Für andere immunmodulatorische Therapien mangelt es weiter an Evidenz – hier bleiben die Ergebnisse laufender RCTs abzuwarten. (1)

*Die Empfehlung gegen Colchicin wird durch aktuelle Daten aus der britischen RECOVERY-Studie gestützt, in der jeweils über 5.500 hospitalisierte COVID-19-Patienten auf niedrig dosiertes Colchicin oder Placebo randomisiert worden waren: Colchicin war weder mit einer niedrigeren 28-Tages-Mortalität, geringeren Länge des Krankenhausaufenthaltes oder vermindertem Risiko der Progression zu einer invasiven Beatmung noch Tod assoziiert. (2)


Quellen:

1   Ann Rheum Dis 2021;
      doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221366
2   Lancet Respir Med 2021;
      doi: 10.1016/S2213-2600(21)00435-5