SJÖGREN-ERKRANKUNG

Erstmals Aussicht auf zielgerichtete Therapien

Beim Sjögren-Syndrom, oder laut neuer Nomenklatur, der Sjögren-Erkrankung (SjE), bahnt sich eine Revolution an. Wie Prof. Dr. Diana Ernst, Hannover, darlegte, könnten in den nächsten Jahren gleich mehrere Antikörper mit verschiedenen Wirkprinzipien zur Zulassung gelangen – einige davon werden bereits in Phase-III geprüft, andere haben zumindest in Phase-II-Studie vielversprechende Ergebnisse geliefert.

Eine großes Problem bei der SjE ist deren klinisch heterogenes Krankheitsbild. Zuletzt wurden diverse Arbeiten zu Subgruppen publiziert, wobei im Rahmen des PRECISESADS-Projekts vier Transkriptom-basierte Cluster mit 1) einer spezifischen Interferon (IFN)-Gensignatur, 2) fast gesund erscheinenden Patienten, 3) mit IFN- und B-Zell-Signaturen und 4) mit IFN-, B-Zell- und Neutrophilen-Signaturen identifiziert wurden. Bei Neuauswertung klinischer Studien mit Rituximab, Abatacept und Hydroxychloroquin (HCQ) zeigte sich das beste Ansprechen in Cluster 1 und 3, keines hingegen in Cluster 2. Ernst stellte mehrere Analysen zu Komorbiditäten vor, die bei SjE u. a. auf eine veränderte Mikrovaskulatur, häufigere Atherosklerose und vorzeitige Schlaganfälle hinweisen.

In puncto Diagnostik wies sie darauf hin, dass eine Lippenspeicheldrüsen-Biopsie erst ab 5(!) Biopsien reproduzierbar ist, der Speicheldrüsen-Ultraschall (SGUS OMERACT-Score) hilfreich ist und derzeit mehrere neue Autoantikörper bei Ro-negativen Patienten evaluiert werden. Auch die IFN Typ 1-Signatur und microRNAs werden künftig diagnostisch bedeutsamer werden. Aufgrund der neuen Erkenntnisse werden womöglich neue Klassifikationskriterien benötigt.

Aktuelle und neue Therapien im Überblick

Bislang ist beim SjE keine systemische Therapie zugelassen, die Wirksamkeit von vor allem csDMARDs ist eher mäßig. Eine HCQ-Monotherapie verbessert nach einer Metaanalyse zwar Schmerzen, nicht aber Fatigue oder Sicca-Symptomatik. In einer kleinen Phase-IIa-Studie gelang mit einer Kombination aus HCQ und Leflunomid zwar eine signifikante Verbesserung des ESSDAI-Scores (nicht des ESSPRI), was jetzt in der etwas größeren  Phase-IIb-Studie RepurpsSS nach 24 Wochen (auch für STAR und CRESS) bestätigt wurde, Sicca-Symptome besserten sich aber nicht. Das oft bei extraglandulären Beschwerden eingesetzte Rituximab ist erste Wahl bei vaskulitischen Manifestationen, zeigte laut einer Metaanalyse aber in der Regel keine Effekte bei der Sicca-Symptomatik. Letzteres gilt auch für Rituximab in Kombination mit Belimumab, jedoch kommt es darunter zu einer größeren Verbesserung im ESSDAI-Score als mit Rituximab oder Belimumab allein.

Erstmals besteht jetzt aber die Hoffnung, demnächst auf wirksame, zugelassene Therapien bei SjE zugreifen zu können, erläuterte Ernst. Der vielversprechendste Kandidat, Ianalumab, ein B-Zell-depletierender BAFF-Rezeptorantagonist, der zuvor bereits in einer Phase-IIb-Studie überzeugte (nach 24 Wochen Reduktion des ESSDAI-Scores um ca. 8 Punkte mit der 300 mg-Dosis und fortgesetzt bis Woche 52; nur numerische Verbesserungen im ESSPRI, deutlichere Vorteile im stimulierten Speichelfluss und globalen Arzt- und Patientenurteil), wird in den beiden Phase-III-Studien NEPTUNUS 1 und 2 evaluiert. Aus einer Pressemitteilung des Herstellers geht hervor, dass der primäre Endpunkt in beiden Phase-III-Studien erreicht wurde – einer späteren Zulassung dürfte der Weg gebahnt sein, erste Daten könnten beim ACR-Kongress folgen. Der ebenfalls mit gutem Erfolg in der Phase-II-Studie TWINSS untersuchte Anti-CD40-Antikörper Iscalimab desselben Herstellers wird hingegen nicht weiterentwickelt (vermutlich, weil Ianalumab als die bessere Option angesehen wird). Ein weiterer Kandidat ist der (ähnlich wie Iscalimab) gegen den CD40-Liganden gerichtete Antikörper Dazodalibep. Nachdem in Phase-II vielversprechende Ergebnisse erzielt wurden, sind inzwischen Phase-III-Studien angelaufen.

Das auch bei SLE untersuchte, gegen BlyS und APRIL gerichtete Fusionsprotein Telitacicept kann nach einer erfolgreichen Phase-II-Studie auch eine abgeschlossene Phase-III-Studie mit chinesischen Patienten vorweisen, eine weitere Phase-III-Studie in den USA ist auf dem Weg (bis zu einer potenziellen Zulassung in Europa dürfte es somit noch ein weiter Weg sein). 

Ein neues Target (nicht nur bei SjE) ist der neonatale Fc-Rezeptor (FcRn). Gleich zwei FcRn-Inhibitoren sind im Rennen, so das in mehreren Indikationen geprüfte Nipocalimab, das nach positiven Resultaten der Phase-II DAHLIAS-Studie (deutliche Verbesserung des clinESSDAI) und versehen mit einem „Breakthrough Status“ der FDA jetzt in einer Phase-III-Studie geprüft werden soll. Ein zweiter FcRn-Antikörper ist Efgartigimod, zu dem kürzlich positive Phase-II-Studien bei SjE (RHO) und Myositis (ALKIVIA) auf dem EULAR 2025 vorgestellt wurden. Eine Phase-III-Studie zur s.c.-Applikation von Efgartigimod namens UNITY wurde bereits angekündigt.

Gleichfalls in Phase-III geprüft wird der orale Tyrosinkinase (TYK)-2-Inhibitor Deucravacitinib, dies ohne „echte“ vorherige Phase-II-Studie. Anlass hierzu gab nach Ernst die bei systemischem Lupus erythematodes durchgeführte Phase-II-Studie PAISLEY, die positive Ergebnisse in einer Subgruppe von Patienten mit SjE-assoziierter Anti-Ro/SSA-Antikörper-Positivität zu Tage förderte.  

Abschließend verwies Ernst noch auf zwei weitere Therapiekandidaten. Obwohl bislang alle in rheumatologischen Indikationen untersuchten Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitoren später eingestellt wurden, wusste Remibrutinib doch in einer Phase-II-Studie bei der SjE zu überzeugen. Von Phase-III-Plänen war noch nichts zu hören, wohl auch, weil der Hersteller mit Ianalumab seinen in dieser Indikation vielversprechenderen Kandidaten priorisiert.

Ein bei SjE noch neues Wirkprinzip ist der aus der Hämato-Onkologie bekannte BiTE-Antikörper Teclistamab, der bei therapierefraktärer RA sowie Kollagenosen (SLE, Myositis und auch SjE) in Einzelfällen mit großem Erfolg erprobt wurde. Auf weitere Untersuchungen, die sich aber auf schwerwiegende SjE-Fälle begrenzen werden, kann man gespannt sein.

Quelle: WIN-Session „PMR/RZA, SLE und Sjögren-Syndrom“, 18. September 2025