Medizinische Versorgungszentren

Aktuelle Rechtsprechung erschwert die Gründung medizinischer Versorgungszentren

Rechtsanwalt Jörg Hohmann

Soweit Rheumatologen die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) planen oder ihren Sitz in ein MVZ verlegen wollen, so sind neue Regelungen zu beachten, die das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 11.10.2017 – B 6 KA 38/16 R festgelegt hat.

Das BSG hatte dabei entschieden, dass Arztstellen zwar innerhalb eines MVZ, jedoch nicht zur Neugründung eines MVZ verlegt werden dürfen. Hintergrund des Streits waren entsprechende Anträge von Asklepios, die in Hamburg zahlreiche MVZs und in Harburg bislang lediglich eine Nebenbetriebsstätte vorgehalten haben. Dort waren fünf Ärzte tätig und Asklepios beantragte die Zulassung eines MVZ. Dieses sollte dadurch erreicht werden, dass insgesamt 15 Ärzte und Psychotherapeuten aus zwei anderen Hamburger Standorten nach Harburg verlegt werden sollten. Dieses wurde durch die Zulassungsgremien und letztlich auch durch das BSG abgelehnt.  

Der Gesetzgeber hatte mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz im Juli 2005 den § 24 Absatz 7 Ärzte-ZV ergänzt. In der Regelung hieß es, dass der Zulassungsausschuss den Antrag des Vertragsarztes auf Verlegung seines Sitzes genehmigen darf, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Der Ergänzung des Gesetzgebers sagt, dass entsprechendes für die Verlegung einer genehmigten Anstellung gelte. Damit sollte ermöglicht werden, dass MVZs genehmigte Arztstellen von einer Einrichtung in die andere verlegen können. In der Gesetzesbegründung wurde noch darauf hingewiesen, dass dieses nur zwischen MVZs desselben Betreibers oder aber zwischen MVZs unterschiedlicher Betreiber mit identischer Gesellschaftsstruktur gelten soll. Seither war die Frage offen, ob die neue Regelung auch erlaubt, Arztstellen aus einem MVZ zur Gründung eines neuen MVZ zu verlegen. Dieses könnte beispielsweise dadurch gewollt sein, wenn ein niedergelassener Rheumatologe mit einem Angestellten aus einem MVZ zusammen ein neues MVZ gründen will. Dieser Möglichkeit hat nun die Rechtsprechung einen Riegel vorgeschoben und damit den Willen des Gesetzgebers konterkariert. 

Auswirkungen für MVZs  

Entsprechende Projekte wurden bislang durch die Zulassungsgremien der verschiedenen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sehr unterschiedlich gehandhabt. Viele haben die Neugründung eines MVZ durch Verlegung von Arztstellen genehmigt. Dieses wird sich nach dem jetzigen Urteil (spätestens nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe) ändern. Der Gesetzgeber hatte das Ziel verfolgt, mit der Ergänzung sicherzustellen, dass MVZs bei Zulassung und Betrieb nicht gegenüber Vertragsärzten benachteiligt werden. In dem Streit ging es somit um die Frage, ob ein Nachteil oder ein Vorteil durch die Handhabung der Verlegung eines Angestelltensitzes zur Gründung eines neuen MVZ entsteht. Seitens der MVZs wird argumentiert, die Zahl der Zulassungen bleibe unverändert. Insoweit sei eine Besserstellung nicht gegeben. Die Zulassungsgremien vertreten hingegen die Auffassung, dass ein neuer Leistungserbringer bzw. ein neues MVZ entsteht und somit tatsächlich eine Besserstellung gegeben sei.  

Letztlich bleibt bei einer Verlegung des Angestelltensitzes zur Neugründung die Zahl der Versorgungsaufträge unberührt. Lediglich die Anzahl der Zulassungen wird im Bedarfsplanungsrecht beschränkt, nicht die Zahl der Praxen oder MVZs. Dem Gesetzgeber war die Zahl der MVZs erkennbar egal, solange sie demselben Betreiber zugeordnet bleiben. Innerhalb des Planungsbereichs sollten deshalb auch die MVZs ihre Sitze so verteilen können, dass sie mit niedergelassenen Ärzten gleichgestellt werden und solange regionale Versorgungsunterschiede dem nicht entgegenstehen. Insoweit bleibt abzuwarten, wann der Gesetzgeber hier eine weitere notwendige Klarstellung schafft. 

Auswirkungen für rheumatologische Praxen  

Niedergelassene Rheumatologen mit angestellten Ärzten – egal, ob in Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAGs) – können diese Praxen nicht mehr relativ unkompliziert in ein MVZ umwandeln. Zumindest kann ein Angestelltensitz nicht zur Gründung eines MVZ in einem einheitlichen Vorgang verlegt werden. Dadurch wird die Umwandlung von Praxen zu einem MVZ massiv erschwert. 

Das SGB V regelt den direkten Übergang von Anstellungsgenehmigungen ins MVZ nicht. Um Arztsitze aufzukaufen, bietet das Gesetz zwei Möglichkeiten: Den Verzicht auf die Zulassung zur Anstellung im MVZ oder die Erlangung des Zuschlags für eine ausgeschriebene Praxis durch das MVZ. In beiden Fällen wird eine Zulassung – jedoch keine Anstellungsgenehmigung – übernommen. 

Eine Anstellungsgenehmigung müsste deshalb in der Konsequenz des neuen Urteils immer zunächst in eine Vertragsarzt-Zulassung umgewandelt werden, der neue Inhaber des Sitzes müsste gegebenenfalls eine befristete Zeit am bisherigen Standort der Praxis ausüben und könnte dann eine Sitzverlegung und zugleich den Verzicht auf die Zulassung zur Tätigkeit in dem geplanten MVZ beantragen. Mit diesem Prozedere sind entsprechend große rechtliche Schwierigkeiten verbunden. Gerade dieses hatte der Gesetzgeber zu verhindern gesucht, diese Tür wurde nun durch das Bundessozialgericht verschlossen.  

Deshalb gilt vorläufig: Bei der Gründung eines MVZ bedarf es mindestens zwei zugelassener Ärzte (mindestens zwei halbe Vertragsarztsitze), eine Zulassung und ein Angestelltensitz reichen nicht aus. In der Konsequenz muss jeder Rheumatologe künftig vor Beantragung seiner ersten Anstellungsgenehmigung entscheiden, ob er nicht irgendwann ein MVZ gründen möchte und dieses im Zweifel sofort gründen. 

Ein weiteres Problem ergibt sich für rheumatologische Praxen, die zum Beispiel einen Gesellschafter mit mehreren Anstellungsgenehmigungen haben, denn eine weitere Expansion unter dem Dach eines MVZ ist ihnen unmöglich. Aktuell laufende MVZ-Gründungsverfahren unter Einbeziehung von Angestelltensitzen sollten deshalb beschleunigt werden, damit die Zulassung vor Vorliegen der Urteilsgründe abgeschlossen ist. 


Rechtsanwalt Jörg Hohmann
Kanzlei für Medizinrecht
Prof. Schlegel Hohmann Mangold und Partner
Paul-Nevermann-Platz 5
22765 Hamburg
Tel.: 040/3910697-0
Fax: 040/3910697-10
www.gesundheitsrecht.com