EXPERTENGESPRÄCH AG JUNGE RHEUMATOLOGIE

7 Mythen der Existenzgründung – Vorurteile und Fakten

Prof. Dr. Wolfgang Merk

Prof. Dr. Wolfgang Merk

Rund um die ärztliche Niederlassung ranken sich viele Mythen − doch was nun Vorurteil und was Fakt ist, lässt sich für (werdende) Ärzte oft gar nicht so einfach zu durchschauen. Im Rahmen des „Expertengesprächs AG Junge Rheumatologie“ wurden die hartnäckigsten Mythen der Niederlassung von Prof. Dr. Wolfgang Merk, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungsschäden, anschaulich entschlüsselt.

Dabei zeigte sich in der Runde sehr schnell, dass die Entschlüsselung der Mythen nicht nur in der direkten Ansprache für Jungärzte interessant ist. Vielmehr bekamen auch „Praxisabgeber in spe“ einige schlagkräftige Argumente zur Hand, um die gängigsten Vorurteile potenzieller Übernehmer künftig widerlegen zu können. Im Folgenden werden die hartnäckigsten Mythen kurz zusammengefasst:

Mythos 1 – „Für einen Vertragsarzt besteht ein hohes unternehmerisches Risiko.“

Tatsächlich beträgt die Wahrscheinlichkeit, als Vertragsarzt Pleite zu gehen, 0,01 %. Und: Hierbei liegen die Ursachen üblicherweise im privaten Bereich, wie z. B. Ehescheidung etc.

Mythos 2 – „Als Vertragsarzt arbeitet man deutlich mehr als in der Klinik!“

Die durchschnittliche Arbeitszeit eines Vertragsarztes beträgt pro Woche ca. 50 Stunden. In der Klinik sind es hingegen 60 bis 80 Stunden pro Woche.

Mythos 3 – „Für eine Existenzgründung benötigt man Eigenkapital oder Sicherheiten, ansonsten bekommt man kein Bank-Darlehen.“

Fast alle Praxisfinanzierungen werden heutzutage mit 100 % Fremdkapital ohne Sicherheiten abgewickelt. In der Regel erfolgt lediglich eine Abtretung der Einnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung.

Mythos 4 – „Als Vertragsarzt nagt man doch am Hungertuch!“

Laut aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung konnten niedergelassene Ärzte der Inneren Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie im 1. Quartal 2018 eine bundesweit durchschnittliche Fallzahl von 972 erzielen − mit einem Fallwert von 76,13 €. Dies ergibt einen Honorarumsatz je Arzt allein im 1. Quartal 2018 von rund 74.000 €.

Mythos 5 – „Als Vertragsarzt ist man unflexibel.“

Es besteht eine Vielzahl an Möglichkeiten bei der Sitzteilung, Anstellung, Assistentengenehmigung, Job-Sharing etc. Bei Vollzulassung beträgt die Mindestsprechstundenanzahl 25 Stunden pro Woche, bei halber Zulassung 12,5 Stunden pro Woche. Auch bei einer Vollzulassung sind weitere Anstellungsverhältnisse bis zu 13 Stunden pro Woche möglich. Letzten Endes ist man auch bezüglich der Urlaubsplanung nicht an Klinik-Dienstpläne etc. gebunden, sondern deutlich freier in der Entscheidung. WICHTIG: SIE ENTSCHEIDEN SELBST!

Mythos 6 – „Als Vertragsarzt ist man ganz allein auf sich gestellt und hat keinen Kontakt zu Kollegen zum Austausch – sprich, man ist förmlich Einzelkämpfer!“

Siehe auch Mythos 5: Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten bei der Sitzteilung, Anstellung, Assistentengenehmigung, Job-Sharing etc.. Außerdem eröffnen sich dem Arzt viele Möglichkeiten der Kooperationsbildung und Zusammenarbeit: Das Bild des Einzelkämpfers gehört längst der Vergangenheit an!

Mythos 7 – „Vertragsärztliche Niederlassung und Familie passen nicht zusammen.“

Siehe auch Mythen 5 und 6: Hohe Flexibilität und eine Vielzahl an Möglichkeiten wie Gemeinschaftspraxen, Anstellung, Assistentengenehmigung, Job-Sharing etc. sind heutzutage gelebte Praxis. Damit bestehen vielfältige Möglichkeiten der Kooperationsbildung und individueller Arbeitszeitmodelle. So lassen sich auf der einen Seite das Familienleben und die eigene Praxis auf der anderen Seite sehr gut und flexibel organisieren. WICHTIG: SIE SIND IHR EIGENER CHEF!

Möglichkeiten der Niederlassung: Für einen Jungarzt kommen bei der Niederlassung eine Neugründung, eine Übernahme oder ein Einstieg in eine bestehende Praxis in Betracht.

Echte Praxisneugründung: Bei der echten Praxisneugründung besteht für den Arzt die Möglichkeit, eine Zulassung in einem nicht zulassungsbeschränkten Bereich zu erhalten. Er kann sich damit neu niederlassen.

Unechte Praxisneugründung: Im Rahmen einer unechten Praxisneugründung übernimmt ein Arzt zunächst in einem gesperrten Gebiet pro forma eine bestehende Praxis zwecks der damit verbundenen Zulassung. Im Regelfall ist eine solche Praxis bereits sehr umsatzschwach. Nach einer gewissen Zeit (üblicherweise fordert die KV die Weiterführung des alten Standortes für mindestens ein Quartal) erfolgt dann die Verlegung an den (ursprünglich gewünschten) neuen Praxissitz.

Praxisübernahme: Da eine Vielzahl attraktiver Planungsbereiche für neue Niederlassungen gesperrt ist und häufig das Risiko einer kompletten Praxisneugründung gescheut wird, ist die Übernahme einer bestehenden Praxis der Regelfall der ärztlichen Existenzgründung geworden. Eine große Anzahl an Praxen wird heutzutage im Rahmen einer Übergangsgesellschaft veräußert, d. h. der abgebende Arzt arbeitet mit dem Praxiskäufer im Rahmen einer Übergangs-Berufsausübungsgemeinschaft noch einige Zeit zusammen. Als Grundsatz gilt: je spezieller und personenorientierter die Praxis, desto länger ist die Einarbeitungszeit bzw. die gemeinsame Übergangszeit anzusetzen.

Dieser Artikel, der die Inhalte des Workshops auf dem Kongress kurz wiedergeben sollte, kann nur unvollständig das gesamte Themengebiet abbilden. Aber die Diskussion zwischen „Jungärzten – potentiellen Käufern und Praxisabgebern in spe – Verkäufern“ zeigte, wie lückenhaft das Wissen um Chancen, Risiken und gesetzeskonformen Strategien ist.

Sachverständigeninstitut Prof. Dr. Wolfgang Merk*
Expertisen für die Gesundheitswirtschaft
E-Mail:  info(at)wm-institut.de
Tel.: 0731/14034350
www.wm-institut.de

* Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen, Betriebsanalysen und Betriebsunterbrechungsschäden (IHK München und Oberbayern)