MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN

20 Jahre MVZ – eine Bestandsaufnahme

Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) wurde vom Gesetzgeber zum 01.01.2004 das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) eingeführt. Zeit für eine Bestandsaufnahme!

Die Anfänge waren zunächst bescheiden. In den ersten Quartalen nach Inkrafttreten der Neuregelung waren bundesweit gerade einmal 17 MVZ zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mittlerweile hat sich das MVZ zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Nach aktuellen Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV; Statistische Informationen aus dem Bundesarztregister, Stand 31.12.2023, S. 3) lag die Gesamtzahl der MVZ nach den letzten verfügbaren Zahlen bei 5.474 bei einer Veränderungsrate von ca. +10 % gegenüber dem Vorjahr. Die Gesamtzahl der „in Einrichtungen angestellten Ärzte“ lag bei 27.448 (ausgehend von insgesamt 153.726 Ärzten), was einer Veränderungsrate von ebenfalls ca. +10 % gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Dabei musste der Gesetzgeber im Laufe der Jahre die Regularien in mehrfacher Hinsicht ändern: auf der einen Seite schränkte er den Kreis zulässiger Gründer auf im Wesentlichen Vertragsärzte, Krankenhäuser und gemeinnützige Träger ein. Zugleich beschränkte der Gesetzgeber die zulässigen Organisationsformen und schloss insbesondere MVZ in Form der Aktiengesellschaft aus. Des Weiteren führte der Gesetzgeber den Nachrang von MVZ in Fremdbesitz gegenüber ärztlichen Bewerbern oder MVZ in Hand von Vertragsärzten ein. Dieser Nachrang sollte selbstständig tätige Ärzte vor Verdrängung durch sog. Investoren-MVZ schützen.

Nichtärztliche Trägerschaft gerät ins Kreuzfeuer

Der entscheidende Anschub für die Steigerung der MVZ-Gründungen war jedoch der Wegfall der Fachübergreiflichkeit als Zulassungsvoraussetzung. Dies ermöglichte nicht nur die Zahnarzt-MVZ mit der Folge, dass sich viele Ketten bildeten. Vielmehr konnten nun auch viele fachgleiche Gemeinschaftspraxen, die über die Jahre eine erfolgreiche Patientenbehandlung etabliert hatten, sich mithilfe der MVZ-Konstruktion in eine GmbH umwandeln, um so attraktiver für Investoren zu werden. Genau diese Entwicklung führt indessen dazu, dass MVZ mittlerweile wieder unter Beschuss stehen. Die nichtärztliche Trägerschaft ist vielen ein Dorn im Auge. Man fürchtet um die medizinische Unabhängigkeit bzw. das Diktat der Betriebswirtschaftler, die von den Investoren als Geschäftsführer der MVZ-GmbHs eingesetzt werden. Zwar konnte bislang kein empirischer Beleg für strukturelle (Gesundheits-)Gefahren durch MVZ in nichtärztlicher Hand erhoben werden. Vielmehr zeigen vor allem die zahnärztlichen MVZ eine hervorragende und sogar steigende Qualität (so zumindest der Qualitätsbericht der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung für das Jahr 2022). Dennoch rufen einige Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), insbesondere die KV Bayern dazu auf, den Investoren die Gründung von bzw. die Beteiligung an MVZ zu erschweren.

Bislang kaum juristische Aktivitäten

Auffällig ist dabei zunächst, dass auch die bisherige Rechtsprechung keine Einwände gegen den sog. Fremdbesitz erhoben hat. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die seit 2004 eingeführten gesetzlichen Beschränkungen der MVZ-Gründung, primär zum Schutz vor Einflüssen durch Fremdbesitz, weder (verfassungsrechtlich) infrage gestellt noch hat sie versucht, selbst regulierend einzugreifen.

Gefordert ist deshalb der Gesetzgeber, der aber nach zunächst vollmundigen Ankündigungen derzeit keine Tätigkeit an den Tag legt. Dies mag daran liegen, dass viele Vorschläge verfassungsrechtlich kritisch zu bewerten sind. So sollten die MVZ-Gründungsmöglichkeiten für Krankenhäuser örtlich beschränkt werden. Dabei solle es einem zugelassenen Krankenhaus verwehrt sein, ein MVZ außerhalb arztgruppenbezogener Planungsbereiche zu gründen, die ganz oder teilweise im 50-km-Radius um das Krankenhaus liegen. Für alle anderen MVZ-Gründertypen (Vertragsarzt, nichtärztlicher Dialyseleistungserbringer etc.) soll diese neue Zulassungsvoraussetzung der Trägernähe indes nicht gelten. Diese Beschränkung ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Denn es ist kein Nachteil für den GKV-Patienten zu erkennen, wenn der Träger des ihn behandelnden MVZ in einer anderen Region beheimatet ist. Für eine Einschränkung der Berufsfreiheit ist aber ein sachlicher Grund erforderlich.

Juristisch realistischer dürfte der Vorschlag des Bundesrats sein, dass Verträge des MVZ-Trägers mit der ärztlichen Leitung dem Zulassungsausschuss zur Prüfung der Frage vorgelegt werden, ob deren Inhalte die ärztliche Entscheidungsfreiheit einschränken. Dabei sollen die entsprechenden Maßstäbe für die Entscheidung der Zulassungsgremien die gemeinsame Selbstverwaltung auf Bundesebene erarbeiten. In die gleiche Richtung geht es, wenn Abweichungen des MVZ-Trägers von den Empfehlungen der Gesamtvertragspartner für die Ausgestaltung der Vergütung ärztlicher MVZ-Leiter zu veröffentlichen wären. Somit könnte für den Patienten, soweit es für ihn von Belang ist, mehr Transparenz geschaffen werden. Kritisch wiederum wird in der juristischen Literatur die Idee gesehen, MVZ unter die Disziplinargewalt der KV zu unterwerfen. Dies bedeutet, dass nicht nur die einzelnen im MVZ tätigen Ärzte einschließlich seines ärztlichen Leiters als Mitglieder der KV disziplinarisch verfolgt werden können, sondern das MVZ als solches. Da ein Disziplinarverfahren jedoch immer auf einen subjektiven Schuldvorwurf abstellt, stellt sich die Frage, welche Motive einer juristischen Person (z. B. GmbH) vorgeworfen werden können. Die Idee scheint damit auch nicht zielführend zu sein.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, was die kommenden Gesetzgebungsverfahren bringen werden. Der Gesetzgeber sollte jedoch den MVZ, egal ob ärztlich betrieben oder im Fremdbesitz einer Klinik bzw. Investors, weiterhin genügend Luft zum Atmen lassen. Der Erfolg der MVZ basiert nämlich nicht nur auf den gesteigerten Möglichkeiten der Ärzte in ihrer Zusammenarbeit, sondern auch auf der Akzeptanz der Patienten, die die Vorteile der MVZ zu schätzen gelernt haben.      


Rechtsanwalt Christian Koller
Fachanwalt für Medizinrecht
Lehrbeauftragter der Technischen Universität München
TACKE KOLLER, Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Rindermarkt 3 und 4, 80331 München