UNDIFFERENZIERTE ARTHRITIS

Steigendes Risiko für eine Übertherapie mit DMARDs?

Viele Rheumatologen plädieren für die rasche Einleitung einer DMARD-Therapie bei früher Arthritis, bedarfsweise auch wenn die Klassifikationskriterien noch nicht erfüllt werden. Infolgedessen werden vermehrt Patienten mit undifferenzierter Arthritis (UA) mit DMARDs behandelt. Da es sich bei UA um eine Ausschlussdiagnose handelt, führten die Klassifikationskriterien aus 2010 wohl zu einer Abnahme der UA-Population, da frühere UA-Patienten danach als rheumatoide Arthritis (RA) klassifiziert wurden. Dementsprechend veränderte sich die heutige UA-Definition zu: keine klinische Diagnose, nicht die RA-Kriterien aus 1987 und 2010 erfüllend. Da aber placebokontrollierte DMARD-Studien in diesem Kollektiv fehlen, untersuchten niederländische Rheumatologen um Marloes Verstappen, Leiden, ob intensivere Therapiestrategien in den letzten 25 Jahren zu einer Verbesserung des Outcomes von Patienten mit heutiger UA-Definition führten.

 

In der retrospektiven Analyse der bekannten Leiden Früharthritis-Kohorte war UA definiert als klinische Arthritis (Gelenkschwellung bei körperlicher Untersuchung), die weder die RA-Klassifikationskriterien aus 1987 oder 2010 noch jede andere klinische Diagnose erfüllten. Insgesamt 1.132 konsekutiv im Zeitraum von 1993 bis 2019 eingeschlossene UA-Patienten wurden in 5 Zeitperioden unterteilt: 1993-1997, 1998-2005, 2006-2010, 2011-2014 und 2015-2019. Zwischen diesen Gruppen erfolgte ein Vergleich bezüglich des Beginns einer DMARD-Therapie sowie von Outcome-Parametern wie dem DAS28-CRP und HAQ-DI im Verlauf des Follow-up, die Prävalenz eines DMARD-freien Status innerhalb von 10 Jahren (DFS; spontane oder anhaltende Remission nach DMARD-Stopp) und Progression zur RA (nach den 1987/2010-Kriterien).

Die UA-Population war überwiegend Autoantikörper-negativ, wies einen medianen SJC von 2, TIC von 3 sowie einen HAQ-Score von 0,6 auf. Dieses Erkrankungsprofil war stabil über die betrachteten 5 Zeitperioden. Die Anzahl der mit DMARDs behandelten Patienten stieg von 17 % (1993–1997) auf 52 % (2015–2019) an, vor allem Methotrexat wurde häufiger eingesetzt. Im zeitlichen Verlauf kam es zu einer Verbesserung des DAS28-CRP ab 2011 (-0,18 bis -0,25; p<0,05), während beim HAQ-DI keine signifikante Verbesserung eintrat. Die DFS-Prävalenz war ebenfalls vergleichbar (58, 57 und 61 % für 1993-1997, 1998-2005 und 2006–2010; p=0,77). Zugleich kam es auch zu keiner Abnahme einer Progression zu einer manifesten RA (14, 21, 26, 18 bzw. 27 %). Im Ergebnis kam es durch den zunehmenden Einsatz von DMARDs zwar zu einer leichten Verbesserung der Krankheitsaktivität, die sich aber nicht positiv auf die körperliche Funktion oder das Langzeit-Outcome auswirkte. Daraus lässt sich eine mögliche Übertherapie bei nicht wenigen dieser UA-Patienten ableiten. An dieser Stelle bedarf es dringlich der Entwicklung besserer Strategien zur Risikostratifizierung bei UA. (1)  

Keine erhöhte Mortalität von UA-Patienten

Eine weitere Veröffentlichung der niederländischen Gruppe beschäftigte sich mit der langfristigen Mortalität von UA- im Vergleich zu RA-Patienten. Seit Längerem ist bekannt, dass RA (sowohl bei ACPA-Positivität als auch -Negativität) vermutlich als Folge der systemischen Entzündung nach 10 Jahren mit einer Exzess-Mortalität gegenüber der Allgemeinbevölkerung verbunden ist. In der Analyse wurden 860 „konventionelle“ UA-Patienten und 561 UA-Patienten, die nicht die 1987/2010-Kriterien erfüllten (wiederum aus der Leiden Früharthritis-Kohorte) über ein mittleres Follow-up von 17 Jahren (≥10 Jahre) verglichen. Im Gegensatz zu einer über den Zeitverlauf steigenden Mortalität bei RA war in keiner der beiden UA-Kohorten ein Anstieg der Sterblichkeit zu verzeichnen (standardisierte Mortalitätsrate, SMR 1,11; 95% KI 0,96-1,27 bzw. 1,05; 95% KI 0,87-1,26), was auch nicht durch die Einnahme von DMARDs oder eine Stratifizierung nach dem ACPA-Status beeinflusst wurde. (2) Auch diese Analyse verdeutlicht die Schwierigkeiten mit der „UA-Diagnose“ und den sich daraus ableitenden Interventionen.

Quellen:
1   Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keab880
2   Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2022-222145