GROßGEFÄßVASKULITIDEN

Gemeinsame ACR/EULAR-Klassifikationskriterien 2022 publiziert

Erstmals im Rahmen des ACR Convergence 2021 wurde das gemeinsam von ACR und EULAR getragene 2022-Update der Klassifikationskriterien für Großgefäßvaskulitiden vorgestellt – insbesondere Fortschritte in der diagnostischen Bildgebung hatten eine Überarbeitung unumgänglich gemacht. Jetzt publizierten Peter A. Merkel, Philadelphia (USA), und Kollegen der multinationalen Diagnostic and Classification Criteria for Vasculitis (DCVAS)-Studiengruppe die neuen Klassifikationskriterien für Riesenzell- (RZA) und Takayasu-Arteriitis (TA).

Ganz beträchtlich – die letzten ACR-Klassifikationskriterien wurden 1990 publiziert – war angesichts moderner Bildgebungsverfahren (Ultraschall, Angiografie, PET) der Bedarf für eine Aktualisierung bei der RZA.

Die neuen Klassifikationskriterien wurden auf Basis der internationalen DCVAS-Kohorte entwickelt, wobei die Studie in sechs Phasen ablief: 1. die Identifizierung möglicher Kandidaten-Kriterien, 2. deren prospektive Erfassung zum Zeitpunkt der Diagnose, 3. einem Review der Fälle durch ein Expertenpanel, 4. datengetriebene Reduktion der Kandidaten-Kriterien, 5. Ableitung eines punktebasierten Risiko-Klassifikations-Scores in einem Entwicklungsdatensatz und 6. dessen Validierung in einem unabhängigen Datensatz. Der Entwicklungsdatensatz enthielt 518 RZA- und 536 Vergleichsfälle, der Validierungsdatensatz zusätzlich 238 RZA- und 213 Vergleichsfälle.

Klassifikationskriterien für Riesenzellarteriitis

Das absolut erforderliche Schlüsselkriterium für RZA ist ein Alter ≥50 Jahre zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Zusätzliche klinische Kriterien werden mit einem Punktesystem gewichtet, dazu zählen eine positive Temporalarterien (TA)-Biopsie oder TA Halo-Zeichen im Ultraschall (+5), eine Erythrozyten-Sedimentationsrate (ESR) ≥50 mm/h oder C-reaktives Protein (CRP) ≥10 mg/l (+3), plötzlicher Visusverlust (+3), Morgensteifigkeit (Schultern oder Nacken), Claudicatio (Kiefer oder Zunge), neu auftretende temporale Kopfschmerzen, schmerzempfindliche Kopfhaut, TA-Abnormitäten in der Gefäßuntersuchung, bilaterale Beteiligung der Arteria axillaris in der Bildgebung und FDG-PET-Aktivität in Aorta (jeweils +2). Ausgehend von diesen 10 Kriterien wurde ein kumulativer Punktwert ≥6 für die Klassifikation als RZA festgelegt. Bei der Testung dieser Kriterien im Validierungsdatensatz ergab sich eine Fläche unter der Kurve (AUC) von 0,91 (95% KI 0,88-0,94) mit einer Sensitivität von 87,0 % (95% KI 82,0-91,0 %) und Spezifität von 94,8 % (95% KI 91,0-97,4 %). (1)

Explizit handelt es sich um Klassifikations- und nicht Diagnosekriterien – letztere sollte deren Anwendung (primär in der klinischen Forschung) vorausgehen.   

Klassifikationskriterien für Takayasu-Arteriitis

Identisch war der Ablauf bei den Klassifikationskriterien für TA, die ebenfalls auf Basis der DCVAS-Kohorte entwickelt wurden. Hier umfasste der Entwicklungsdatensatz 316 TA- und 313 Vergleichsfälle, der Validierungsdatensatz zusätzlich 146 TA- und 127 Vergleichsfälle.

Für die TA wurden als absolut erforderliche Kriterien für die Klassifikation ein Alter von ≤60 Jahren und bildgebender Nachweis einer Großgefäßvaskulitis definiert. Die finalen Kriterien und deren Gewichtung wurden wie folgt festgelegt: weibliches Geschlecht (+1), Angina (+2), Claudicatio (Arme oder Beine) (+2), Gefäßgeräusche (+2), reduzierter Puls in den oberen Extremitäten (+2), reduzierter Puls oder Schmerzempfindlichkeit (in) einer Karotis-Arterie (+2), Blutdruck-Differenz zwischen Armen von ≥20 mm Hg (+1), Anzahl der betroffenen arteriellen Bereiche (+1 bis +3), paarweise arterielle Beteiligung (+1) und abdominale Aorten- plus renale oder mesenteriale Beteiligung (+3).

In diesem Fall reicht bei den wiederum 10 einzelnen Kriterien ein kumulativer Punktwert ≥5 für die Klassifizierung als TA aus. Bei der Testung dieser Kriterien im Validierungsdatensatz ergab sich eine AUC von 0,97 (95% KI 0,94-0,99) mit einer Sensitivität von 93,8 % (95% KI 88,6-97,1 %) und Spezifität von
99,2 % (95% KI 96,7-100,0 %). (2)

Auch bei der Takayasu-Arteriitis gilt, dass die Klassifikationskriterien erst nach erfolgter Diagnose zur Anwendung in der Forschung kommen sollten. 

Quellen:
1   Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/ard-2022-223480
2   Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/ard-2022-223482