EOSINOPHILE GRANULOMATOSE MIT POLYANGIITIS

Evidenzbasierte Leitlinie für die klinische Praxis vorgestellt

Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) ist eine (sehr) seltene Form der ANCA-assoziierten Vaskulitis mit weltweit nur 10-14 Fällen pro 1 Million Menschen, die beide Geschlechter in etwa gleich häufig trifft und zumeist um das 50. Lebensjahr diagnostiziert wird. Charakteristisch sind Asthma, Eosinophilie und eine granulomatöse oder vaskulitische Beteiligung mehrerer Organe. Eine multidisziplinäre europäische Expertengruppe um Augusto Vaglio, Florenz (Italien), entwickelte nun evidenzbasierte EGPA-Leitlinien zu Diagnose und Management, die aktuelle Neuerungen einbeziehen. 

Auf Basis eines systematischen Literaturreviews wurden insgesamt fünf „Overarching Principles“ und 16 Leitlinien-Statements verabschiedet, die die Diagnose, das Staging, die Therapie, das Outcome und die Nachbeobachtung bei EGPA adressieren. Zunächst zu den „Overarching Principles“: Diese besagen, dass EGPA-Patienten die beste Versorgung durch ein Management in oder in Assoziation mit Expertenzentren erhalten sollten, dass diese Versorgung interdisziplinär gestaltet werden sollte mit einem „shared decision making“ von Patienten und Ärzten unter Berücksichtigung von Sicherheit, Effektivität und Kosten, dass eine Patientenschulung (inklusive zu den EGPA-Risiken) angeboten werden sollte, dass die Verbesserung der Lebensqualität im Verbund mit klinischen Outcomes wie dem Überleben, langzeitigen Erhalt der Organfunktion und Prävention von Schüben ein wichtiges Ziel ist, und zudem, dass Patienten auf therapieassoziierte und kardiovaskuläre (CV) Komorbiditäten gescreent werden sollten einschließlich prophylaktischer Maßnahmen und Ratschlägen zum Lebensstil zur Reduktion des CV-Risikos und therapieassoziierter Komplikationen.

Diagnostik und Remission

Die Diagnose einer EGPA sollte erwogen werden bei Patienten mit Asthma, chronischer Rhinosinusitis und Eosinophilie, die eine Endorganbeteiligung entwickeln, insbesondere  periphere Neuropathie, Lungeninfiltrate, Kardiomyopathie oder andere Komplikationen (z. B. Haut-, Gastrointestinal [GI]-Trakt- oder Nierenbeteiligung). Es wird betont, dass es für EGPA keine diagnostischen, sondern nur Klassifikationskriterien gibt (z. B. ACR/EULAR 2022). Die Diagnose der EGPA sollte basieren auf hoch verdächtigen klinischen Merkmalen, dem objektiven Nachweis einer Vaskulitis (z. B. histologisch) oder einem ANCA-Nachweis. Die diagnostische Evaluation von Patienten mit V. a. EGPA sollte stets multidisziplinär erfolgen; sie sollte andere eosinophile oder vaskulitische Erkrankungen ausschließen und sich auf die Hauptmanifestationen (v. a. Herz-, respiratorische, Haut-, renale und ZNS-Beteiligung, im Verbund mit ANCA und Eosinophilie) konzentrieren. Eine Biopsie wird, falls verfügbar,  empfohlen, ist für die Diagnosestellung einer EGPA aber nicht essenziell. Bei allen Patienten mit V. a. EGPA solle eine ANCA-Testung durchgeführt werden. ANCA sind detektierbar in ca. 30-40 % der Patienten, die meisten sind MPO-ANCA-positiv. Letztere weisen häufig Merkmale einer Vaskulitis wie Glomerulonephritis, Neuropathie und Purpura auf, während ANCA-negative Patienten häufiger eine Kardiomyopathie und Lungenbeteiligung zeigen.

Eine EGPA-Remission ist definiert als Abwesenheit klinischer Zeichen und Symptome, die einer aktiven Erkrankung zuzuordnen sind, einschließlich Asthma und HNO-Manifestationen. Die tägliche Glukokortikoid (GK)-Dosis sollte bei der Definition von Remission berücksichtigt werden, mit max. 7,5 mg Prednison pro Tag als vorgeschlagenem Cut-off-Wert.

Remissionsinduktion und -erhaltung

Die Therapie sollte bei der Remissionsinduktion auf Basis der klinischen Manifestationen mit prognostischer Relevanz gewählt werden. Organbedrohende Manifestationen gemäß Five Factor-Score (Niereninsuffizienz, Proteinurie, Kardiomyopathie, GI-Trakt, ZNS-Beteiligung), periphere Neuropathie und andere seltene Manifestationen (z. B. alveoläre Hämorrhagie) sollten bei der Wahl der Strategie in der Remissionsinduktion berücksichtigt werden. Für die Remissionsinduktion von Patienten mit neuer, aktiver EGPA sollten als Initialtherapie GK gegeben werden. Bei Patienten mit schwerer EGPA (negative prognostische Faktoren) sollten GK mit Cyclophosphamid (CYC) oder alternativ mit Rituximab kombiniert werden. Bei nicht schwerer Erkrankung sollen nur GK gegeben werden. Bei Patienten mit schwerer EGPA werden zur Remissionserhaltung Rituximab, Mepolizumab oder traditionelle DMARDs in Kombination mit GK empfohlen, bei nicht schwerer EGPA GK allein oder in Kombination mit Mepolizumab. GK sollten aufgrund ihrer Toxizität auf die minimal effektive Dosierung reduziert werden.  

Rezidivierende und refraktäre EGPA

Ein EGPA-Rezidiv ist definiert als Wiederauftreten von klinischen Zeichen oder Symptomen, die einer aktiven Erkrankung nach einer Phase der Remission zuzuordnen sind. Auch eine erforderliche Erhöhung der GK-Dosis oder der Beginn bzw. Dosissteigerung von einem Immunsuppressivum sollten als Rezidiv betrachtet werden. Das Rezidiv oder eine neu auftretende systemische Vaskulitits (systemisches Rezidiv) sollten von einer isolierten Exazerbation von Asthma und HNO-Manifestationen (respiratorisches Rezidiv) differenziert werden. Rezidive sollten gemäß ihres Typus (systemisch versus respiratorisch) und ihrer Schwere behandelt werden. Für schwere systemische Rezidive werden Rituximab oder CYC plus GK empfohlen, für nicht schwere systemische und respiratorische Rezidive eine Erhöhung der GK-Dosis und/oder Zugabe von Mepolizumab.

Refraktäre EGPA ist definiert als unveränderte oder gesteigerte Krankheitsaktivität nach 4 Wochen einer angemessenen remissionsinduzierenden Therapie. Das Persistieren oder die Verschlechterung von systemischen Manifestationen sollte von jener der respiratorischen Manifestationen unterschieden werden. Mepolizumab in Kombination mit GK wird empfohlen zur Remissionsinduktion bei Patienten mit rezidivierend-refraktärer EGPA ohne organ- oder lebensbedrohende Manifestationen. Es kann auch zur Remissionserhaltung genutzt werden, insbesondere bei Patienten, die zur Kontrolle der respiratorischen Manifestationen eine GK-Dosis ≥7,5 mg/Tag benötigen.

Weitere Statements im Überblick

Bei EGPA-Patienten mit aktivem Asthma oder HNO-Beteiligung müssen topische und/oder Inhalationstherapien optimiert werden. Beim Management dieser Manifestationen sollten Spezialisten wie Pulmologen oder HNO-Ärzte hinzugezogen werden. Bei speziellen Patientenpopulationen wie Kindern, Älteren, Frauen im gebärfähigen Alter und solchen mit Komorbiditäten sollte die Therapieentscheidungen entsprechend angepasst werden.

Es gibt weiter keine Evidenz dafür, dass verschiedene Phänotypen (wie ANCA+ vs. ANCA-) unterschiedliche Ansätze erfordern. Obwohl einige Laborparameter (z. B. Eosinophilen-Zahl oder ANCA) in der Regel überwacht werden, gibt es keine verlässlichen Biomarker für die Bestimmung der Krankheitsaktivität bei EGPA. Letztere sollte daher im Follow-up nur mit validierten Tools erfasst werden. Ein routinemäßiges Monitoring EGPA-assoziierter Manifestationen, vor allem im Hinblick auf Lungenfunktion, CV-Ereignisse und neurologische Komplikationen, wird empfohlen, ebenso das Langzeit-Monitoring von Komorbiditäten wie Krebs, Infektionen und Osteoporose.  

Quelle: Nat Rev Rheumatol 2023; 19(6): 378-393