RIESENZELLARTERIITIS UND POLYMYALGIA RHEUMATICA

Erstmals Treat-to-target-Empfehlungen veröffentlicht

Eine internationale Expertengruppe um Christian Dejaco, Graz (Österreich), hat kürzlich die ersten Treat-to-target (T2T)-Empfehlungen für die Behandlung von Riesenzellarteriitis (RZA) und Polymyalgia rheumatica (PMR) veröffentlicht. Die Task Force mit 29 Mitgliedern (Rheumatologen, Internisten, einem Neuro-Ophthalmologen, einem Patientenvertreter, Methodikern und einer medizinischen Fachperson) aus 10 Ländern entwickelte auf Basis eines systematischen Literaturreviews nach Erreichen eines abgestimmten Konsensus insgesamt fünf übergreifende Prinzipien und sechs Empfehlungen.

Zunächst zu den „Overarching Principles“: Das klinische Management von RZA und PMR sollte von dem Bewusstsein geleitet werden, dass es sich um eng miteinander verknüpfte Entitäten in einem gemeinsamen Spektrum entzündlicher Erkrankungen handelt, die einzeln, simultan oder zeitlich nacheinander auftreten können. Die RZA ist ein medizinischer Notfall und bedarf aufgrund des Risikos für Sehverlust und andere ischämische Komplikationen einer sofortigen Therapie; das Management erfordert zumeist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit. Den Patienten sollte Zugang zu Informationen über RZA und PMR angeboten werden, einschließlich zu klinischen Krankheitsmerkmalen, Patient-Reported Outcomes (PROs), potenziellen Komplikationen, den mit Therapien verbundenen Vorteilen und Risiken sowie zu relevanten Komorbiditäten. Das Management von RZA und PMR sollte auf einem „shared decision making“ zwischen informiertem Patienten und Arzt basieren. Die Behandlung von RZA und PMR sollte auf eine Maximierung der gesundheitsspezifischen Lebensqualität durch die Kontrolle der Symptome, Prävention krankheitsassoziierter Schäden und Minimierung therapieassoziierter unerwünschter Konsequenzen abzielen, wobei auch relevante Komorbiditäten berücksichtigt werden sollten.

Die Empfehlungen im Überblick

Das Behandlungsziel bei RZA und PMR sollte Remission sein; diese wird hier definiert als die Absenz klinischer Symptome und systemischer Entzündung (gemeint sind hier primär ESR/CRP, aber auch Befunde aus der Bildgebung). Zu beachten ist, dass es keine klare Definition von Remission, z. B. in Form eines Scores gibt; einen solchen zu entwickeln war nicht Ziel des Projekts, sollte aber künftig adressiert werden). Die Therapie der RZA sollte zudem auf die Prävention von Gewebeischämien und vaskulären Schäden abzielen. Die Therapiewahl bei RZA und PMR sollte auf der Krankheitsschwere und -aktivität, dem Vorliegen relevanter Komorbiditäten und potenziellen Prädiktoren des Outcomes basieren; die Therapie sollte im Krankheitsverlauf nach Bedarf angepasst werden. Komorbiditäten könnten die Beurteilung des Behandlungsziels beeinflussen und sollten daher vor einer Modifizierung der Therapie abgewogen werden. Sobald eine Remission erreicht ist, sollte diese mit der minimal effektiven Dosis der Medikation aufrechterhalten werden; eine medikamentenfreie Remission kann bei einem Teil der Patienten erreicht werden (bei RZA waren dies in der GiACTA-Studie ca. 20 %, bei PMR etwa 30-60 %).

Die Krankheitsaktivität bei RZA und PMR sollte regelmäßig erfasst werden, in Abständen von 1-4 Wochen bis zum Erreichen einer Remission und längeren Intervallen (z. B. zwischen 3 und 6 Monaten) bei Patienten in stabiler Remission auf Therapie; das Monitoring von Patienten ohne Therapie sollte auf individueller Basis diskutiert werden.

Fazit: In diesen ersten T2T-Empfehlungen für RZA und PMR wurden Behandlungsziele sowie Strategien zu deren Bestimmung, Erreichung und Aufrechterhaltung definiert; Scores fehlen aber noch. Schon ein Blick auf die sehr umfangreiche Research Agenda verdeutlicht, dass vieles noch offen ist und es oftmals an Evidenz mangelt. Angesichts der Tatsache, dass derzeit jenseits von Tocilizumab viele Therapieoptionen zur Reduktion des Steroidbedarfs oder bei steroidrefraktären Patienten bei RZA (und teils auch PMR) untersucht werden und sich die Möglichkeiten der Bildgebung zunehmend verbessern, besteht hier noch Aufholbedarf.

Quelle: Ann Rheum Dis 2023; doi: 10.1136/ard-2022-223429