ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN

EMA meldet Sicherheitsbedenken nunmehr bei allen JAK-Inhibitoren an

Nach einer aktuellen Risikobewertung des Pharmakovigilanz-Ausschusses (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist davon auszugehen, dass die bereits für den Einsatz von Tofacitinib auf Basis der Ergebnisse der ORAL Surveillance-Studie bestehenden Einschränkungen bei chronisch-entzündlichen bzw. rheumatischen Erkrankungen nun auch auf andere Januskinase (JAK)-Inhibitoren wie Filgotinib, Baricitinib und Upadacitinib übertragen werden.

Zu den Einsatzgebieten der JAK-Inhibitoren gehören neben der rheumatoiden Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis, axialen Spondyloarthritis und juvenilen idiopathischen Arthritis auch die Colitis ulcerosa, atopische Dermatitis und Alopecia areata. Einige andere JAK-Inhibitoren wie Ruxolitinib und Fedratinib, die zur Therapie von myeloproliferativen Neoplasien eingesetzt werden, wurden nicht einbezogen und sind deshalb nicht von den Empfehlungen betroffen, selbiges gilt für Baricitinib im Rahmen der (kurzzeitigen) Behandlung von COVID-19.

Analoge Entwicklung wie in den USA durch den FDA-Entscheid

Anlass der Überprüfung waren die Ergebnisse der ORAL Surveillance-Studie, die dem Hersteller von Tofacitinib von der US-Arzneimittelbehörde FDA auferlegt wurde, nachdem in ersten klinischen Studien ein Anstieg der Serumlipide und vermehrte Inzidenz von Tumoren aufgefallen war. An 323 Zentren in 30 Ländern waren 4.362 RA-Patienten mit mindestens einem kardiovaskulären (CV) Risikofaktor auf Tofacitinib 2x 5 oder 10 mg/Tag oder einen TNFα-Inhibitor (Adalimumab oder Etanercept) randomisiert worden. Im Ergebnis war es unter Tofacitinib häufiger zu CV-Ereignissen gekommen und auch bestimmte Tumorentitäten, insbesondere Lungenkrebs und Lymphome, traten im Beobachtungszeitraum häufiger auf.

Nach dem Bekanntwerden der ersten Ergebnisse im Februar 2021 hatte die FDA noch vor der Vollpublikation der Studie einen Warnhinweis für Tofacitinib veranlasst, der trotz damals im Grunde noch fehlender Evidenz im September 2021 auch auf die JAK-Inhibitoren Baricitinib und Upadacitinib ausgeweitet wurde (Filgotinib ist in den USA nicht zugelassen). In Deutschland wurde im Juli 2021 mit einem Rote-Hand-Brief zu Tofacitinib reagiert, wonach dieses bei Patienten ≥65 Jahre, aktuellen oder früheren Rauchern, solchen mit zusätzlichen CV-Risikofaktoren (z. B. für Myokardinfarkt, Schlaganfall) und zusätzlichen Risikofaktoren für Malignitäten nur eingesetzt werden sollte, wenn keine geeigneten Alternativen verfügbar sind. Diese Einschränkungen werden jetzt voraussichtlich in ähnlicher Form auf alle bei chronisch-entzündlichen und/oder rheumatischen Erkrankungen eingesetzten JAK-Inhibitoren einschließlich Abrocitinib, Filgotinib, Baricitinib und Upadacitinib übertragen. Überdies sollen laut PRAC JAK-Inhibitoren auch bei anderen Patienten mit Risikofaktoren für venöse Thromboembolien (VTE) mit Vorsicht angewendet bzw. bei Patienten, bei denen ein Risiko für VTE, Malignitäten oder schwere CV-Ereignisse besteht, deren Dosis reduziert werden.

Rationale hierfür sind neben ORAL Surveillance auch vorläufige Ergebnisse einer ähnlichen Beobachtungsstudie mit Baricitinib, in der gemäß der EMA-Verlautbarung offenbar ebenfalls ein Sicherheitssignal gesehen wurde und den PRAC somit zu der Einschätzung bewog, dass die potenziellen Risiken nicht nur Tofacitinib, sondern wohl alle JAK-Inhibitoren betreffen (auch wenn Registerdaten bislang weder für Tofacitinib noch andere JAK-Inhibitoren ein einheitliches Bild zeichnen). Die PRAC-Empfehlungen werden jetzt zunächst noch vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bewertet, die finale Entscheidung zur Änderung der jeweiligen Fachinformationen obliegt dann der Europäischen Kommission.

Quelle: EMA-Mitteilung auf Basis des PRAC-Meetings, 28. Oktober 2022