Gonarthrose

Bisphosphonate als neue Therapieoption?

Gleich zwei aktuelle, qualitativ hochwertige Fall-Kontroll-Studien deuten darauf hin, dass bei Osteoporose eingesetzte Bisphosphonate die Progression einer Gonarthrose bremsen könnten. Das Risiko für eine Kniegelenkersatz-Operation wurde um jeweils ca. 25 % reduziert. Mögliche Implikationen für die Praxis diskutierte der niederländische Rheumatologe Willem F. Lems, Amsterdam, in einem begleitenden Editorial.

Generell sind bei Arthrose die Therapieoptionen zur Modifikation des Krankheitsverlaufs äußerst limitiert mit spärlicher Evidenz lediglich für Glucosamin und Chondroitin in Bezug auf die radiologische Progression. Vor diesem Hintergrund erregen aktuell publizierte Daten US-amerikanischer Experten um Tuhina Neogi, Boston, große Aufmerksamkeit. So war bei Gonarthrose-Patienten das Risiko für einen Kniegelenkersatz (KE) bei Bisphosphonat (BP)-Anwendern um 25 % verringert – ein klinisch relevanter Unterschied. Pathophysiologisch betrachtet könnten antiresorptive Antiosteoporotika wie BP aber auch der RANKL-Inhibitor Denosumab positive Effekte auf den subchondralen Knochen ausüben, Hinweise darauf wurden in Studien bereits gefunden. Unklar ist, inwieweit daraus subsequente Effekte auf den Knorpelmetabolismus oder strukturelle Veränderungen (Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten oder Knochenmarködeme) folgen. In der Summe hält Lems positive Effekte von BP (und Denosumab) auf die Progression der Gonarthrose für wahrscheinlich. (1)

Positive Daten aus Fall-Kontroll-Studien

Neogi und Kollegen griffen auf das „The Health Improvement Network“ (THIN) zurück, in dem von britischen Allgemeinärzten gesammelte Daten eingehen. Lediglich Patienten mit inzidenter Gonarthrose (im Mittel 76 Jahre) wurden eingeschlossen und 2.006 Fälle, die mindestens ein Jahr nach der Diagnose eine BP-Therapie begonnen hatten, ebenfalls 2.006 mittels Propensity-Score gematchten Fällen ohne BP-Einnahme gegenübergestellt. Nach einem mittleren Follow-up von drei Jahren betrug die krude Inzidenz von KE 22,0 pro 1.000 Personenjahre (PJ) bei BP-Anwendern versus 29,1 bei Nicht-BP-Anwendern (Hazard ratio, HR 0,74; 95% KI 0,59-0,93), die BP-Einnahme war also mit einer Risikoreduktion um 26 % assoziiert. Auch nach sorgfältiger Adjustierung auf Einflussfaktoren blieb der Vorteil erhalten (HR 0,76; 95% KI 0,60-0,95) und wurde durch Sensitivitätsanalysen untermauert. (2)

Auch wenn sich ein Bias zugunsten der BP-Therapie angesichts des Studiendesigns nicht gänzlich ausschließen lässt, fällt doch auf, dass die Daten sehr jenen von Shau-Huai Fu und Kollegen, Doulio City (Taiwan), gleichen.  

In dieser Taiwan-weit durchgeführten Studie mit Gonarthrose-Patienten waren über 12.000 BP-Anwender mit 123.000 Nicht-BP-Anwendern verglichen worden. Mit 25 % war die Risikoreduktion für KE (HR 0,75; 95% KI 0,69-0,83) fast identisch zu den THIN-Daten. Zudem zeigte sich hier eine Dosisabhängigkeit: Bei Patienten, die BP für ≥2 Jahre regelmäßig einnahmen (Adhärenz ≥80 %), betrug die Risikoreduktion sogar 34 % (HR 0,66; 95% KI 0,43-0,95). Überdies zeigte sich bei BP-Nutzern im 5-Jahres-Follow-up eine signifikant größere Reduktion im Gebrauch von NSAR, Paracetamol und Glucosamin (p<0,001). (3)    

Ausblick: In Anbetracht einer unter Bisphosphonaten in beiden Studien gezeigten Risikoreduktion für Kniegelenkersatz-Operationen um 25 % sollten diese (ähnliches könnte für Denosumab gelten) bei Gonarthrose-Patienten mit Osteoporose und erhöhtem Frakturrisiko bevorzugt eingesetzt werden – für eine Empfehlung für Patienten ohne Osteoporose ist es in Ermangelung randomisierter, placebokontrollierter Studien aber noch zu früh (auch wenn vieles für einen direkten Effekt auf den Krankheitsverlauf spricht). Ob solche Studien angesichts ihrer schweren Durchführbarkeit (Abgrenzung zur Osteoporose, hohe Patientenzahl, lange Studiendauer) initiiert werden, ist fraglich – genauere Daten zur Rolle des subchondralen Knochens bei Arthrose wären auf jeden Fall wünschenswert. 

Quellen:
1    Ann Rheum Dis 2018; doi: 10.1136/annrheumdis-2017-212364
2    Ann Rheum Dis 2018; 77(1): 92-97
3    J Bone Joint Surgery Am 2017; 99: 838-846