SERIE: ABGABE/VERKAUF EINER RHEUMATOLOGISCHEN PRAXIS

Wie regeln Sie Ihre Unternehmensnachfolge? Teil 2: Wie ermittle ich den Kaufpreis für meine Praxis

Rechtsanwalt Christian Koller

Rechtsanwalt Christian Koller

In den nächsten Jahren werden zahlreiche Rheumatologen aus Altersgründen ihre ärztliche Tätigkeit beenden. Dabei stellen sich verschiedene Fragen: Wie findet man einen geeigneten Nachfolger? Wie bereitet man die Übernahme am besten vor? Welcher Kaufpreis kann verlangt werden? Auf was muss bei der Vertragsgestaltung geachtet werden? Welche Fallstricke gibt es im Nachbesetzungsverfahren? Diesen Fragen wird in verschiedenen Beiträgen in der Rheuma Management nachgegangen.

Bei der Ermittlung des Kaufpreises ist zwischen zwei Fallgestaltungen zu differenzieren: Wird die ganze Praxis verkauft mit Praxiseinrichtung, Personal und idealerweise mit Übernahme des Mietverhältnisses oder möchte der Erwerber lediglich die Vertragsarztzulassung erwerben? Im letzteren Fall ist festzuhalten, dass die Vertragsarztzulassung rein rechtlich gesehen schon gar nicht Gegenstand eines Kaufvertrages sein kann. In dem Vertrag zwischen Zulassungsinhaber und Erwerber wird deshalb nur auf den Patientenstamm abgestellt. Der Kaufpreis basiert damit allein auf dem immateriellen Wert einer Praxis. Wird hingegen die Praxis als Ganzes verkauft, treten neben dem materiellen Wert auch noch weitere Aspekte hinzu, insbesondere, welche wirtschaftlichen Chancen der Erwerber mit der Übernahme und Fortsetzung der Praxis hat. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich deshalb auf die Wertermittlung der kompletten Praxis. 

Bestandteile des Praxisgesamtwerts

Der Kaufpreis wird in der Regel den Gesamtwert einer Praxis abbilden. Dieser wiederum lässt sich in den materiellen Wert (Substanzwert) und den immateriellen Wert (Goodwill) aufteilen. 

Materieller Wert

Materielle Werte umfassen z. B. die Praxiseinrichtung (Möbel, EDV, Telefon usw.), medizinisch-technische Geräte, Verbrauchsmaterialien oder auch bauliche Veränderungen durch den Praxisverkäufer. Ausgangslage ist die Feststellung des Verkehrswertes bzw. des Wiederbeschaffungszeitwertes des Inventars, das im Eigentum des Praxisinhabers steht. Dieser Zeitwert ist für jedes einzelne Wirtschaftsgut festzustellen, wobei insbesondere für medizinisch-technische Geräte Ansatzpunkte aus dem Gebrauchtgerätemarkt gezogen werden können. Bei der Wertermittlung können dabei u. a. folgende Kriterien eine Rolle spielen: 

  • Wie wichtig sind die Geräte für den Betrieb der Praxis?
  • Sind diese bald zu entsorgen oder stehen sie noch eine gewisse Zeit zur Verfügung?

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Mietvertrag. Ist eine Übernahme des Mietvertrages nicht gewährleistet, so sind Einbauten, die nach Beendigung des Mietvertrages wieder entsorgt werden müssen, wertmindernd zu berücksichtigen. 

Immaterieller Wert 

Der immaterielle Wert oder Goodwill einer rheumatologischen Praxis wird nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt. Entscheidend ist, dass nach einer Analyse der Praxis einschließlich des wirtschaftlichen Umfelds geprüft wird, inwieweit sich die Erträge der Vergangenheit auch in der Zukunft fortschreiben lassen.

Goldstandard: Modifizierte Ertragswertmethode

Tatsächlich gibt es keine rechtlich verbindliche Methode für die ideelle Praxiswertermittlung. Jedoch haben sowohl der Bundesgerichtshof (in seinem Urteil vom 9.2.2011 - XII ZR 40/09) als auch das Bundessozialgericht (in seinem Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 39/10) mittlerweile festgestellt, dass das modifizierte Ertragswertverfahren nicht nur eine geeignete, sondern eine der sog. Ärztekammermethode vorzuziehende Methode ist, um den Kaufpreis einer Praxis zu ermitteln. Dabei geht man in 5 Schritten vor: 

1. Schritt: Analyse der Ertragszahlen

In einem ersten Schritt werden zunächst die Ein- und Ausgaben der Praxis in den vergangenen drei Jahren analysiert. Die Ertragszahlen werden dann um die für ein typisches Geschäftsjahr außergewöhnlichen Umstände bereinigt. Dazu können beispielsweise überhöhte Praxisvertreterkosten wegen längerer Krankheit des Praxisinhabers oder aber Erlöse aus dem Verkauf von Praxisanteilen oder des Anlagevermögens gehören.

2. Schritt: Goodwill-Reichweite

Sodann wird bestimmt, wie lange der Praxisnachfolger von dem erworbenen Goodwill profitieren kann. Oder anders ausgedrückt: Ab wann sind die künftigen Praxiserfolge nicht mehr auf das Wirken des Praxisabgebers zurückzuführen? Dabei gilt: Je spezialisierter eine Praxis ist und je mehr der Erwerber in der Lage ist, diese Spezialisierung zu übernehmen, desto länger ist dieser Zeitraum. Für eine rheumatologische Facharztpraxis kann man diesen Zeitraum wohl auf drei bis fünf Jahren ansetzen. Hingegen wäre der Zeitraum für eine Hausarztpraxis ohne Spezialisierung sicherlich kürzer. 

3. Schritt: Zukünftiger Praxisertrag

Für den im Schritt 2 ermittelten Zeitraum wird dann auf Grundlage der bereinigten Ertragszahlen (Schritt 1) eine Kosten- und Umsatzprognose erstellt. Dabei ist Umsatz und Gewinn der rheumatologischen Praxis nicht alles. Wichtige Faktoren, die die Höhe des Goodwills und damit die Praxiswertermittlung beeinflussen, sind in jedem Fall folgende:

  • Das Alter und der Ruf der Praxis bei den Patienten: Hier bietet sich an, die Arztbewertungen der Praxis im Internet zu prüfen.
  • Die Qualifikationen und die Behandlungsmethoden des Praxisabgebers: Verfügt der Erwerber nicht über spezifische Zusatzqualifikationen, verringert dies den prognostizierten Praxisertrag.
  • Die Lage des Praxisstandortes: Je spezialisierter die neue Praxis ausgerichtet sein soll, desto größer ist das Praxiseinzugsgebiet, desto wichtiger ist eine gute Verkehrsanbindung. 
  • Die Attraktivität von Praxisgebäude und Praxisräumen: Handelt es sich um ein älteres Gebäude, können Zusatzinvestitionen anfallen, um die Praxis auf den neuesten Stand zu bringen. 
  • Die Qualifikation und das Alter des Personals. 
  • Die Praxiseinrichtung: Sind in den kommenden Jahren Ersatzinvestitionen erforderlich, etwa für bestimmte medizinische Geräte, wirkt sich dies in Form von kalkulatorischen Abschreibungen ebenfalls mindernd auf den zu erwartenden Ertrag aus.
  • Die Praxisorganisation: Liegt ein gut dokumentiertes Qualitätsmanagement vor, ist dies wertsteigernd, da die Praxisabläufe auch unter einem neuen Praxisinhaber weiterlaufen.

4. Schritt: Kalkulatorischer Unternehmerlohn 

Von dem ermittelten Praxisertrag werden nun ein kalkulatorischer Unternehmerlohn und eine pauschalierte Einkommensteuer in Höhe von 35 % abgezogen. Die Höhe des kalkulatorischen Unternehmerlohns orientiert sich dabei an alternativen Verdienstmöglichkeiten des Praxiserwerbers, beispielsweise wenn er oder sie als Oberarzt in einem Krankenhaus tätig wäre. 

5. Schritt: Abzinsung des prognostizierten Praxisgewinns

Die Ertragsprognose wird abschließend auf den Zeitpunkt des Vertragsverkaufs abgezinst. Der Kalkulationszinssatz für die Abzinsung setzt sich aus einem Basiszins und einem Risikozuschlag zusammen. Der Wert, der sich nach Abzinsung des prognostizierten Ertrags ergibt, ist sodann der Goodwill oder immaterielle Praxiswert nach dem modifizierten Ertragswertverfahren.

Ärztekammermethode als günstige Alternative 

Die modifizierte Ertragswertmethode kommt sicher zu einem wirtschaftlich belastbaren Wert. Sie hat aber ihren Preis, da sie eine anspruchsvolle Bewertung erfordert, die ohne betriebswirtschaftliche Hilfe nicht zu erstellen ist. Gerade bei dem Verkauf von gut laufenden rheumatologischen Praxen gegebenenfalls mit Labor sollten die Vertragsparteien einen Praxisbewerter beauftragen. Die Kosten für eine entsprechende Begutachtung können dabei durchaus fünfstellig sein. 

Vor diesem Hintergrund sei doch noch mal eine Lanze für die von der Rechtsprechung als nachrangig bezeichnete Ärztekammermethode gebrochen. Sie ist relativ einfach umsetzbar und kann zumindest eine gewisse Größenordnung für den immateriellen Wert vermitteln, auf die sich dann die Parteien einigen können. 

Bewertungsschritte der Ärztekammermethode

Als Basis gilt der durchschnittliche Umsatz der letzten drei Jahre. Davon werden zum einen nicht übertragbare Umsatzanteile, wie z. B. individuelle, nur dem Praxisinhaber zurechenbare Umsätze aufgrund Gutachtertätigkeit, personengebundenen Abrechnungsgenehmigungen oder Belegarzttätigkeiten abgezogen. Zum anderen werden die durchschnittlichen Kosten der letzten drei Jahre abgezogen. Dieser wiederum werden jedoch bereinigt um die mit den nicht übertragbaren Umsatzanteilen zusammenhängende Kosten oder kalkulatorische Kosten wie Abschreibungen, Finanzierungskosten oder zu hohe oder zu niedrige Gehaltszahlungen. Zusätzlich kommt der kalkulatorische Arztlohn zum Abzug. 

Der so gewonnene Wert wird pauschal mit dem Prognosefaktor 2 multipliziert, um die sog. Goodwill-Reichweite zu erfassen (vgl. oben den 2. Schritt bei der modifizierten Bewertungsmethode). Der mit dem Prognosemultiplikator errechnete immaterielle Wert kann sich nun u. U. bis zu +/-20 % aufgrund der oben dargestellten Faktoren verändern (vgl. oben den 3. Schritt bei der modifizierten Bewertungsmethode). 

Rechenbeispiel: 

Durchschnittlicher 3-Jahresumsatz                                     € 350.000
Abzgl. nicht übertragbare Umsätze                                       € 20.000
Abzgl. Übertragbare Kosten                                                 € 100.000
Abzgl. Kalkulatorischer Arztlohn                                          € 120.000
Erzielbarer Gewinn                                                                € 110.000
Prognosefaktor 2                                                                   € 220.000
+/- wertmindernde Faktoren                                              -  €  10.000
Immaterieller Wert                                                             € 210.000

 

Fazit

Wird eine gut laufende Praxis verkauft, so wird es sich für den Praxisinhaber durchaus lohnen, in eine professionelle Praxisbewertung zu investieren. So kann er eine Größenordnung für den Kaufpreis vorbestimmen, die für den Erwerber auch belastbar ist. Geht es bei einem Praxisverkauf jedoch nur um die Vertragsarztzulassung oder weiß der Praxisinhaber, dass er nur einen geringen Kaufpreis für seine Praxis erzielen kann, so kann auch mit der Ärztekammermethode, ggf. mit Unterstützung des eigenen Steuerberaters, eine vernünftige Basis gefunden werden. Hat man sich sodann auf einen Kaufpreis geeinigt, geht es an die rechtliche Umsetzung des Praxisverkaufs. Mit diesen Fragen beschäftigt sich der nächste Beitrag aus dieser Reihe.                                   


Rechtsanwalt Christian Koller
Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei Tacke Krafft
Rindermarkt 3 und 4
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E-Mail: 
christian.koller(at)tacke-krafft.de