DIGITALE GESUNDHEITSANWENDUNGEN

Wie entsteht eine DiGA? Was muss sie erfüllen?

Abb.: Apps auf Rezept – Verordnungen und Kosten (Quelle: DiGA-Report 2022 der Techniker Krankenkasse)

Abb.: Apps auf Rezept – Verordnungen und Kosten (Quelle: DiGA-Report 2022 der Techniker Krankenkasse)

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Smartphone unser ständiger Begleiter im Alltag ist, erscheint es nur logisch, es auch in die Therapie von Krankheiten einzubinden. Dabei sind die Erwartungen an solch eine Integration hochgesteckt.

Apps auf Rezept!

Digitale Gesundheitsanwendungen (kurz: DiGAs) umfassen eine breite Palette von Anwendungen, die von einfachen Gesundheits-Apps bis hin zu komplexen Softwarelösungen reichen, die beispielsweise bei der Behandlung von chronischen Krankheiten eingesetzt werden können.

DiGAs können für Patienten und Ärzte gleichermaßen von Vorteil sein, da sie die Überwachung von Gesundheitszuständen erleichtern, die Diagnosestellung verbessern und die Behandlung unterstützen. Auch die Möglichkeit, medizinische Daten elektronisch zu erfassen und auszuwerten, kann dazu beitragen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu steigern.

Ein weiterer Vorteil von DiGAs ist, dass sie eine Ergänzung zu herkömmlichen therapeutischen Ansätzen bieten und somit dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung im Allgemeinen zu verbessern. Derzeit sind 55 DiGAs im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet, davon 24 dauerhaft und 25 zur Erprobung. Bislang wurden insgesamt 186 Anträge (146 Anträge zur vorläufigen Aufnahme zur Erprobung und 40 Anträge zur dauerhaften Aufnahme) gestellt. Die derzeit gelisteten DiGAs sowie die Anzahl der eingereichten Anträge sind auf der Seite des BfArM abrufbar (Stand 20.09.2023).

Rechtliche Rahmenbedingungen für DiGAs

DiGAs müssen in Deutschland behördlich zugelassen werden, um auf dem Markt angeboten und von den Krankenkassen bezahlt zu werden. Für die Zulassung gelten spezifische Anforderungen, die vom BfArM festgelegt werden.

Anforderungen an DiGAs

Um als DiGA in Deutschland zugelassen zu werden, müssen die digitalen Gesundheitsanwendungen eine medizinische Zweckbestimmung erfüllen und als Medizinprodukt der Klasse I oder IIa nach der Medizinprodukteverordnung (MDR) eingestuft werden. Sie müssen außerdem einen therapeutischen Nutzen für Patienten haben und zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen.

Die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von DiGAs müssen durch klinische Studien oder vergleichbare Nachweise belegt werden. Diese Nachweise müssen nach den Vorgaben der Verordnung über die Nutzenbewertung von Medizinprodukten (DVO) mithilfe von evidenzbasierten Methoden erbracht werden. Zudem müssen die Studien an einer ausreichenden Anzahl von Patienten durchgeführt werden und eine hohe Methodenqualität aufweisen.

Zu den Anforderungen gehören auch:

  • Klinische Evidenz: Es muss nachgewiesen werden, dass die DiGA einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Patienten hat. Hierbei können klinische Studien oder andere Formen der Evidenzgenerierung zum Einsatz kommen.
  • Sicherheit: DiGAs müssen den geltenden Anforderungen der Medizinprodukterichtlinie entsprechen und ein hohes Maß an Sicherheit und Datenschutz gewährleisten.
  • Nutzen: Die DiGA muss einen relevanten Nutzen für Patienten oder das Gesundheitssystem haben.
  • Qualität: Die Qualität der DiGA und ihrer Funktionalitäten muss sichergestellt sein.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, muss ein umfangreiches Zulassungsverfahren durchlaufen werden, welches von einer benannten Stelle geprüft wird. Hierbei wird unter anderem auch eine Risikobewertung durchgeführt.

Es ist zu beachten, dass die Anforderungen je nach Art der DiGA unterschiedlich sein können. So sind zum Beispiel für DiGAs mit höherem Risikopotenzial wie Implantaten oder In-vitro-Diagnostika strengere Anforderungen zu erfüllen als für einfache Fitness-Apps.

Das Zulassungsverfahren für DiGAs

Das BfArM prüft Anträge auf Zulassung von DiGAs und überprüft, ob die Anforderungen erfüllt sind. Das Verfahren ist in der Regel auf drei bis sechs Monate begrenzt, kann aber je nach Komplexität der Anwendung auch länger dauern.

Die Antragsteller müssen ein vollständiges Dossier mit allen Nachweisen über die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit ihrer DiGA einreichen. Außerdem müssen sie die Ergebnisse der klinischen Studien und einen Maßnahmenplan für die Qualitätssicherung vorlegen. Das BfArM prüft das Dossier und kann bei Bedarf weitere Informationen oder Unterlagen anfordern.

  • Reguläres Zulassungsverfahren: Das BfArM prüft die Zulassungsanträge im Rahmen eines standardisierten Verfahrens. Die Prüfung dauert in der Regel sechs Monate.
  • Fast-Track-Verfahren: Das BfArM prüft die Zulassungsanträge im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens. Die Prüfung dauert in der Regel drei Monate.

Erstellung und Entwicklung von DiGAs

Die Erstellung und Entwicklung von DiGAs erfordert ein tiefes Verständnis der Bedürfnisse und Anforderungen der Patienten sowie der medizinischen Fachkräfte. Der Prozess beginnt in der Regel mit einer Idee. Diese soll, durch umfangreiche Forschung und Tests, den Standards der DiGAs entsprechen.

Ein wichtiger Schritt bei der Erstellung von DiGAs ist die Zusammenarbeit mit Ärzten und anderen medizinischen Experten, um sicherzustellen, dass die Anwendung den Bedürfnissen und Anforderungen der Patienten entspricht. Erfolgreiche DiGAs setzen auf eine intuitive Benutzeroberfläche, die eine einfache und effektive Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten ermöglicht.

Entwicklung von DiGAs

Die Entwicklung von DiGAs umfasst die Arbeit an zahlreichen Komponenten, darunter Design, Softwareentwicklung, Funktionalität und Qualitätssicherung. Die DiGAs müssen eine hohe Zuverlässigkeit und Stabilität aufweisen, um eine kontinuierliche und zuverlässige Nutzung durch die Patienten zu gewährleisten.

Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von DiGAs ist die Berücksichtigung der Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen. Die Anwendungen müssen die Privatsphäre der Nutzer schützen und sicherstellen, dass ihre Gesundheitsdaten sicher und vertraulich bleiben.

Warum sind DiGAs so teuer?

Die Entwicklung von medizinischen digitalen Anwendungen ist ein komplexes und kostenintensives Unterfangen. Die Personalkosten sind dabei besonders hoch, da die Entwicklung solcher medizinischen Apps ein hohes Maß an Fachwissen und Expertise erfordert. Je talentierter die Entwickler sind, desto höher sind die Kosten für ihre Bezahlung.

Neben den Personalkosten fallen auch Kosten für die Softwareentwicklung, die Nutzung anderer Software und die Qualitätssicherung an.

Zu den Kosten für die Softwareentwicklung gehören neben den Personalkosten auch die Kosten für die Softwarelizenzen und die Werkzeuge, die für die Entwicklung benötigt sind, wie beispielsweise Cloud, Datenbanken oder Analysetools. Am Ende der Entwicklungsphase muss die Software einem umfangreichen Q&A-Prozess unterzogen werden. Dieser Prozess erfordert die Mitarbeit von Testern, welche die Software auf Fehler und Mängel überprüfen, dadurch fallen zusätzliche Kosten an.

Nach der Entwicklung müssen DiGAs regelmäßig ein Update erhalten. Allein im Hinblick auf die Sicherheit muss Software ständig aktualisiert werden, da, wenn Sicherheitslücken gefunden werden, ganze Patches erstellt und verteilt werden müssen. Diese ständige Wartung und Pflege der Apps ist natürlich auch mit Kosten verbunden (s. Abb.).

Weiterhin kritisiert der GKV-Spitzenverband die hohen Kosten für eine DiGA. Der Grund hierfür kann in der Tatsache liegen, dass DiGAs sich an kleinere Zielgruppen richten und oft von weniger Anbietern hergestellt werden. Aufgrund des spezifischen Bedarfs dieser Nischenzielgruppe können diese Anbieter höhere Preise verlangen. Wie die Grafik zeigt, im vierten Quartal 2021 wurde ein Höchststand bei der Anzahl der App-Verordnungen mit 7.943 erreicht, während zugleich ein leichter Rückgang bei den durchschnittlichen Kosten pro Verordnung auf 324 € im Vergleich zum vorherigen Quartal zu verzeichnen war, in dem die Kosten noch bei 357 € lagen. Dies könnte darauf hindeuten, dass aufgrund der steigenden Popularität und vermehrten Inanspruchnahme digitaler Gesundheitsanwendungen die Kosten pro Verordnung gemindert werden können.

Zudem kann der Markt aufgrund der Nischenzielgruppe und starker Konkurrenz begrenzt sein, was dazu führt, dass Anbieter höhere Preise von ihrer begrenzten Kundenbasis verlangen müssen. Dawährend des ersten Jahres können die DiGA-Hersteller selbst den Preis für ihre Anwendung festlegen. Nach dem ersten Jahr folgte eine Preisverhandlung mit dem GKV-Spitzenverband. Und wenn hier die Parteien zu keiner Einigung kommen sollten, legt eine Schiedsstelle den endgültigen Preis fest. Ein prägnantes Beispiel, das die Bedeutung der Finanzierung in der Entwicklung digitaler Anwendungen unterstreicht, ist die Situation der aidhere GmbH, die sich selbst als führend im Sektor der digitalen Gesundheitsanwendungen sieht. Sie hat Insolvenz angemeldet. Der Grund dafür ist eine rückwirkende Kürzung der Vergütung für ihre Adipositas-App Zanadio durch den GKV-Spitzenverband mit Wirkung zum Oktober 2021. Dies führte dazu, dass aidhere bereits erhaltene Zahlungen zurückzahlen musste, was wiederum zum Verlust von Risikokapitalgebern führte. Das Unternehmen ist nun auf der Suche nach neuen Investoren, befindet sich aber bis dahin auf dem Weg in die Insolvenz.           

Haithem Doukali, Sonja Froschauer
BDRh Service GmbH

Quellen:
https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Aufgaben/DiGA-und-DiPA/DiGA/_node.html 

https://resource-allocation.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12962-022-00359-y

https://www.tk.de/resource/blob/2125136/dd3d3dbafcfaef0984dcf8576b1d7713/tk-diga-report-2022-data.pdf

https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/fokus/fokus_diga.jsp

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/143574/Aidhere-DiGA-Anbieter-ist-insolvent