Update zu antirheumatischen Therapien

Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie sind eine Reihe antirheumatischer Therapien auch zur Behandlung insbesondere schwerer Verläufe von COVID-19-Infektionen im Gespräch, etwa aufgrund ihrer vermuteten antiviralen, antientzündlichen oder auch antithrombotischen Effekte. Auch wenn noch vieles im Fluss ist, sei hier kurz der aktuelle Stand zu Hydroxychloroquin, Steroiden, Interleukin (IL)-6 und IL-1-Inhibitoren, Januskinase (JAK)-Inhibitoren und Colchicin dargelegt. Explizit außen vor bleiben an diese Stelle antivirale Therapien wie z. B. mit dem inzwischen zu diesem Zweck auch in Europa zugelassenen Remdesivir.

csDMARDs: Antimalariamittel, Glukokortikoide und Colchicin

Der anfängliche Hype um Hydroxychloroquin (HCQ) hat sich endgültig gelegt. Die bis dato vorgelegten Beobachtungsstudien ergaben keine Hinweise auf einen protektiven Effekt und mitunter für HCQ sogar eine erhöhte Mortalität oder ein schlechteres kardiales Outcome (QTc-Verlängerung, Torsades de pointes), was aber primär auf den Einsatz bei schwer kranken COVID-19-Patienten zurückzuführen ist und nicht dessen prinzipielle Sicherheit bei Rheumapatienten in Frage stellt. In der Folge stoppte die WHO die weitere Evaluation von HCQ in der SOLIDARITY-Studie. Kürzlich hatte eine US-amerikanische Beobachtungsstudie bei 812 asymptomatischen Patienten überdies gezeigt, dass HCQ auch prophylaktisch nach SARS-CoV-2-Exposition nicht zu einer Reduktion von COVID-19-Infektionen führte. (1)

Nicht ganz einfach ist die Situation im Hinblick auf Glukokortikoide (GK), für die in den COVID-19-Registern zu Rheumapatienten ein Trend für ein Risiko für einen schlechteren Verlauf von COVID-19-Infektionen gesehen wurde. Andererseits können systemische GK bei kritisch erkrankten COVID-19-Patienten mit akutem Atemwegversagen (ARDS) eine gute Option sein. Inzwischen wurden die vorläufigen Ergebnisse der britischen RECOVERY-Studie zum Einsatz von Dexamethason bei 2.104 hospitalisierten, schwerkranken COVID-19-Patienten im Vergleich zu Placebo (n=4.300) publiziert (2), die angesichts einer relativ um 17 % reduzierten Mortalität zumindest in diesem Kollektiv einen kleinen Durchbruch bedeuten könnten. Im Ergebnis betrug die 28-Tages-Mortalität 22,9 % unter Dexamethason gegenüber 25,7 % mit Standard-of-Care (p<0,001). Zusätzlich wurde der Bedarf für eine mechanische Beatmung ebenso signifikant vermindert wie die Entlassungsrate aus dem Krankenhaus an Tag 28 gesteigert wurde. Primär profitieren in puncto Mortalität dabei jene Patienten, die bereits einer mechanischen Beatmung bedurften (29,3 vs. 41,4 %) oder Sauerstoff erhielten, nicht jene, bei denen dies (noch) nicht erforderlich war.   

Das primär bei Gicht und familiärem Mittelmeerfieber eingesetzte Colchicin könnte auch bei COVID-19 effektiv sein, was mechanistisch u. a. aufgrund der Inhibition der Aktivierung des Inflammasoms über NLRP3 plausibel wäre. Positive Ergebnisse zeigte die griechische GRECCO-19-Studie zu 105 mit  Colchicin behandelten COVID-19-Patienten. (3) In der open-label-Studie, in der die Gabe anderer gegen COVID-19 gerichteter Medikamente erlaubt war, kam es seltener zu schweren Verläufen ohne signifikante Veränderungen von Biomarkern wie Troponin oder CRP. In einer monozentrischen italienischen Studie wurde unter Colchicin (n=140) zusätzlich zu Standard-of-Care (z. B. HCQ, Dexamethason, antivirale Therapie) gegenüber dieser alleine (n=122) nach 21 Tagen ein besseres Überleben dokumentiert (84,2 vs. 63,6 %; p=0,001). (4)  Die Ergebnisse kontrollierter Studien, wie der kanadischen COLCORONA-Studie mit 6.000 ambulanten Patienten und der COLHEART-19-Studie, die speziell COVID-19-Patienten mit kardialen Manifestationen in den Blick nimmt, bleiben abzuwarten. 

ts- und bDMARDs: JAK-Inhibitoren sowie IL-6- und IL-1-Inhibitoren

Noch wenig Neues gibt es zur JAK-Inhibition mit Baricitinib, dass die virale Endozytose über inhibitorische Effekte auf die beiden Kinasen AAK1 und GAK hemmt und zusätzlich über die Hemmung des Zytokin-Signalwegs (z. B. IL-6 und Interferon) wirken kann. Somit gibt es die Rationale sowohl für einen frühen antiviralen als auch eher späten antientzündlichen Einsatz von Baricitinib oder anderen in Studien untersuchen JAK-Inhibitoren wie z. B. Tofacitinib oder Ruxolitinib. Bislang gibt es zu Baricitinib (in Kombination mit antiviraler Therapie) lediglich Daten einer kleinen Pilotstudie mit 12 COVID-19-Patienten. (5) Nach 2 Wochen war die zusätzliche Baricitinib-Gabe mit einer größeren Verbesserung von CRP, Lymphopenie, selteneren Intensivpflicht und häufigeren Entlassungen verbunden – kontrollierte Studien stehen auch hier noch aus. 

Gleiches gilt für die GM-CSF-Inhibition mit Mavrilimumab, zu der positive Daten einer italienischen Pilotstudie zu Patienten mit einer schweren COVID-19-Pneumonie und Hyperinflammation  auf dem Online-EULAR präsentiert wurden (siehe Bericht in letzter Ausgabe). (6)

Große Hoffnungen werden bei schweren COVID-19-Verläufen mit Zytokinsturm (cytokine release syndrome, CRS) auf die IL-6-Rezeptorinhibition gesetzt. Die bisherigen Beobachtungsstudien zu i.v. Tocilizumab, das in dieser Situation oft höher als üblich dosiert wird (8-12 mg/kg als Einzeldosis) waren überwiegend positiv. (7) 

Genährt wird diese Erwartung durch die retrospektive holländische CHIC-Studie, in der 172 COVID-19-Patienten mit CRS im Verhältnis 1:1 hoch dosiertes i.v. Methylprednisolon für 5 Tage mit/ohne i.v. Tocilizumab (8 mg/kg) oder Placebo (historische Kontrollen) erhalten hatten. (8) Der primäre Endpunkt einer klinischen Verbesserung wurde um 79% häufiger erreicht, die Mortalität um 65 % und die Erfordernis einer mechanischen Beatmung um 71 % reduziert. Bei akzeptabler Sicherheit schließen die Autoren, dass die zeitnahe Methylprednisolon-Gabe, gefolgt von i.v. Tocilizumab bei COVID-19-Patienten mit CRS zu optimalen Ergebnissen führt. Auch hier bleiben die Phase-III-Studien abzuwarten. Die erste, COVACTA, verfehlte bei Patienten mit Pneumonie, aber ohne CRS, einen Wirksamkeitsnachweis, drei weitere (REMDACTA, EMPACTA, MARIPOSA) laufen noch, ebenso wird Tocilizumab in der erwähnten RECOVERY-Studie geprüft. 

In puncto Sarilumab erbrachte die italienische offene SARI-RAF-Studie (400 mg i.v.) bei COVID-19-Pneumonie und Hyperinflammation keinen signifikanten Nutzen im Hinblick auf die Mortalität und eine klinische Verbesserung. (9) Inzwischen verfehlte auch eine erste Phase-III-Studie in den USA zu Sariliumab den primären und die sekundären Endpunkte, eine weitere außerhalb der USA soll noch fortgeführt werden. Wie im Fall von COVACTA steht die Publikation noch aus, jenseits des CRS scheint (vor allem bei stärkerer Konsolidierung der Lunge) die Effektivität der IL-6-Inhibition aber eher limitiert zu sein. 

In mehreren klinischen Studien werden auch die beiden IL-1-Inhibitoren Anakinra und Canakinumab geprüft. Ein erster Erfolg wurde mit Anakinra s.c. 2x 100 mg/Tag in einer retrospektiven italienischen Studie mit 29 nicht-intensivpflichtigen COVID-19-Patienten mit ARDS und hohem CRP oder Ferritin erzielt. Nach 3 Wochen kam es gegenüber Kontrollpatienten zu einem besseren Überleben (90 vs. 56 %; p=0,009), stärkeren CRP-Reduktion und Verbesserung der respiratorischen Funktion (72 vs. 50 %). (10) In der französischen Ana-COVID-Studie wurden 52 Patienten mit Pneumonie mit Anakinra s.c. behandelt. Gegenüber 44 historischen Kontrollen kam es seltener zu Tod oder einer erforderlichen mechanischer Beatmung (25 vs. 73 %; p<0,0001). (11) Genauere Aussagen werden auch hier erst kontrollierte Studien erlauben, solche zu Canakinumab stehen gleichfalls noch aus. 
 

Quellen:
1 Boulware DR et al., N Engl J Med 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2016638
2 RECOVERY Collaborative Group. N Engl J Med 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2021436
3 Deftereos SG et al., JAMA Netw Open 2020; 3(6): e2013136
4 Scarsi M et al., Ann Rheum Dis 2020; doi: 10.1136/annrheumdis-2020-217712 
5 Richardson P et al., Lancet 2020; 395(10223): e30-e31
6 Dagna L et al., Lancet 2020; doi: 10.1016/S2665-9913(20)30170-3
7 Guaraldi G et al., Lancet Rheumatol 2020; doi: 10.1016/S2665-9913(20)30173-9
8 Ramiro S et al., Ann Rheum Dis 2020; doi: 10.1136/annrheumdis-2020-218479
9 Della-Torre E et al., Ann Rheum Dis 2020; doi: 10.1136/annrheumdis-2020-218122
10 Cavalli G et al., Lancet Rheumatol 2020; 2(6): e325-e331
11 Huet D et al., Lancet Rheumatol 2020; 2(7): e393-e400