SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES

Umfassendes Update der EULAR-Empfehlungen vorgestellt

Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) sind seit den letzten Leitlinien viele Jahre vergangen mit zwischenzeitlich neuen Erkenntnissen zu den Risiken einer langfristigen Glukokortikoid (GK)-Therapie, neu zugelassenen Medikamenten und neuen Therapiestrategien einschließlich von Kombinationen – ein Update war also zwingend erforderlich. Ferner standen trotz der Komplexität des SLE eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Empfehlungen im Fokus. Die 43-köpfige EULAR Task Force aus Rheumatologen (und Nephrologen) involvierte diesmal  Experten aus aller Welt. Die Ergebnisse des systematischen Literaturreviews und Abstimmungsverfahrens stellte Dimitrios T. Boumpas, Athen (Griechenland), dem Auditorium vor. 

In den fünf „Overarching Principles“ wird festgehalten, dass SLE ein multidisziplinäres, individualisiertes Management (inkl. Shared Decision Making und Patientenschulung) erfordert, die Krankheitsaktivität bei jeder klinischen Visite mit validierten Scores erfasst werden sollte (Untersuchung auf Organschäden mindestens 1x jährlich), dass zur Verbesserung des Langzeitoutcomes nicht-pharmakologische Interventionen (Sonnenschutz, Rauchstopp, gesunde/ausgewogene Ernährung, körperliche Aktivität, Knochengesundheit) ebenfalls wichtig sind, und dass pharmakologische Interventionen an Patientencharakteristika, der Art und Schwere der Organbeteiligung, Therapierisiken, Komorbiditäten, dem Risiko für progressive Organschäden und der Patientenpräferenz auszurichten sind. Last but not least sind eine frühen SLE-Diagnose (inkl. Serologie), regelmäßiges Screening (Organbeteiligung, v. a. Nephritis), sofortiger Beginn einer am Ziel Remission (oder niedrigen Krankheitsaktivität) ausgerichteten Therapie und strikte Therapieadhärenz essenziell für die Prävention von Schüben und Organschäden, die Verbesserung der Prognose sowie der Lebensqualität.

Die Empfehlungen: Steroide ab-, Biologika aufgewertet

Insgesamt werden „nur“ 13 Empfehlungen ausgesprochen: 1) Hydroxychloroquin (HCQ) wird, falls nicht kontraindiziert, für alle Patienten empfohlen mit einer Zieldosis von 5 mg/kg realem Körpergewicht/Tag, mit individueller Anpassung basierend auf dem Risiko für Schübe und retinale Toxizität (eine Bestimmung des Wirkspiegels im Blut kann genutzt werden, soll aber auf die Adhärenz abzielen). 2) Glukokortikoide (GK) sollen, wenn erforderlich, gemäß Art und Schwere der Organbeteiligung dosiert und auf eine Erhaltungsdosis von ≤5 mg/Tag Prednisonäquivalent reduziert, und – so möglich – abgesetzt werden. Bei mäßig bis schwer erkrankten Patienten können i.v. Methyprednisolon (MP)-Pulse (125-1.000 mg/Tag für 1-3 Tage) erwogen werden. Diese Empfehlung ist als klarer Appell zu verstehen, weniger GK einzusetzen, mehr in Richtung einer Bridging-Therapie zu gehen und sehr früh DMARDs zu priorisieren. 3) Bei Patienten, die auf HCQ nicht ansprechen (allein/plus GK), oder GK nicht in den akzeptablen Bereich reduzieren können, sollten immunsuppressive/-modulierende Medikamente (IS: Methotrexat [MTX], Azathioprin [AZA] oder Mycophenolat Mofetil [MMF]) und/oder bDMARDs (Belimumab, Anifrolumab) erwogen werden. Die jeweils höchsten Empfehlungsgrade erhalten die beiden bDMARDs, die ohne Umweg direkt nach HCQ (also ohne vorherige IS) gegeben werden können; übergeordnetes Ziel ist die frühe Reduktion des Steroidbedarfs. 4) Bei Patienten mit organ- oder lebensbedrohender Erkrankung sollte i.v. Cyclophosphamid (CYC) erwogen werden, nur in refraktären Fällen kann Rituximab (RTX) erwogen werden. Künftig dürften hier noch andere Optionen wie die Kombination aus CYC und RTX sowie die CAR-T-Zell-Therapie verstärkt diskutiert werden.

5) Die Therapie einer aktiven Hauterkrankung sollte Topika (GK, Calcineurin-Inhibitoren [CNI]), Antimalariamittel (HCQ, CQ), und/oder – falls erforderlich – systemische GK beinhalten, in der Zweitline kommen MTX, MMF, Anifrolumab (beste Evidenz) und Belimumab hinzu. 6) Keine Änderung gibt es beim neuropsychiatrischen SLE, wo GK und IS (für entzündliche Manifestationen) und Plättchenhemmer/Antikoagulanzien für atherothrombotische/Antiphospholipid-Antikörper (aPL)-assoziierte Manifestationen erwogen werden sollten. 7) Für die Behandlung der schweren autoimmunen Thrombozytopenie sollten hochdosierte GK (inkl. i.v.-MP-Pulse) mit oder ohne i.v. Immunglobulin G (IVIG) und/oder RTX und/oder hochdosiertes i.v. CYC, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit RTX, AZA, MMF (letzteres ist neu) oder Ciclosporin erwogen werden.

Lupusnephritis: Viele Neuerungen mit dabei

Nun zu dem Empfehlungen zur Lupusnephritis (LN): 8) Patienten mit aktiver proliferativer LN sollten niedrigdosiertes i.v. CYC (Euro-Lupus) oder MMF und GK (i.v. MP-Pulse, gefolgt von niedriger dosierten oralen GK) erhalten; Kombinationstherapien mit Belimumab (entweder mit CYC oder MMF) oder CNI (vor allem Voclosporin oder Tacrolimus, kombiniert mit MMF) sollten erwogen werden. Die wichtigsten Veränderungen seit 2019 (LN-Empfehlungen) sind, dass nicht zwischen Klasse III/IV und V unterschieden wird, und Belimumab oder CNI (vor allem Voclosporin) bei allen LN-Patienten als Add-on-Therapie erwogen werden sollten. Es gibt keine klare Präferenz für Belimumab oder Voclosporin, ersteres hat potenziell Vorteile in puncto Sicherheit, Schubprävention, bei nicht zu schwerer Proteinurie und bei extrarenalem Lupus, letzteres in Bezug auf höhere Remissionsraten und Steroideinsparung, vor allem bei schwerer Proteinurie sind rasche Effekte zu erwarten. 9) Nach einem renalen Ansprechen sollte die Therapie der LN mindestens 3 Jahre andauern; initial mit MMF allein oder in Kombination mit Belimumab oder einem CNI behandelte Patienten sollten auf diesen Medikamenten bleiben, während MMF oder AZA bei jenen, die initial CYC allein oder in Kombination mit Belimumab erhielten, CYC ersetzen sollten. 10) Bei Patienten mit hohem Risiko für Nierenversagen (definiert als reduzierte GFR, histologischer Nachweis einer granulären Halbmondbildung als Zeichen einer rasch-progressiven Glomerulonephritis oder fibrinoide Nekrose oder schwere interstitielle Entzündung) können hochdosiertes i.v. CYC (NIH-Regime) in Kombination mit i.v. MP-Pulsen in Betracht gezogen werden. 11) Bei SLE-Patienten, die eine anhaltende Remission erreichen, kann ein graduelles Tapering erwogen werden, beginnend mit dem Entzug von GK. Es wird aber darauf hingewiesen, dass bei LN besondere Vorsicht angebracht ist, erste Versuche sollten erst nach 3-5 Jahren Therapie mit IS/bDMARDs unternommen werden.

Keine Veränderung gibt es beim Antiphospholipidsyndrom (APS): 12) SLE assoziiert mit APS sollte nach einem ersten arteriellen oder unprovozierten venösen thrombotischen Ereignis langfristig mit Vitamin K-Antagonisten gemanagt werden; niedrigdosiertes ASS (75-100 mg/Tag) sollte zur Primärprävention bei SLE/non-APS-Patienten mit Hochrisiko-aPL-Profil erwogen werden. Es wird auf mögliche antithrombotische Effekte von HCQ hingewiesen,  direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) sind zu vermeiden. Nun zur letzten Empfehlung: 13) Immunisierungen zur Prävention von Infektionen (HZV, HPV, Influenza, COVID-19, Pneumokokken), ein Management der Knochengesundheit, Nieren- und kardiovaskulärer Schutz sowie Screening auf Malignitäten sollten durchgeführt werden. An dieser Stelle wird auf die separaten EULAR-Leitlinien zu diesen Punkten verwiesen, in puncto Renoprotektion sind inzwischen (bei LN) auch SGLT2-Inhibitoren zu diskutieren, es fehlt aber derzeit noch an Evidenz aus Studien. Generell gilt, dass die finale Publikation des Updates der EULAR-Empfehlungen zum SLE inklusive Lupusnephritis mit ausgiebiger Erörterung der einzelnen Diskussionspunkte abzuwarten bleibt.

Take home-Messages

Die wichtigsten Punkte der neuen EULAR-Empfehlungen und einer HOT-Session zum SLE zusammenfassend, betonte Boumpas die essenzielle Bedeutung einer frühen Diagnose und Therapie (mit Einbeziehung des SLE Risk Probability Index [SLERPI], im Zweifelsfall lieber einer frühen Nierenbiopsie und adäquater Stratifizierung der Patienten). Steroide wirken gut, sind aber mit exzessiven Kollateralschäden verbunden, und sind daher besser kurzfristig als Rescue- bzw. Bridging-Therapie geeignet, bei unabwendbarem längerem Einsatz sollte die Dosis 5 mg/Tag (nicht wie zuvor 7,5) nicht übersteigen. Ziel ist eine Remission oder das Erreichen des LLDAS-Kriteriums mit nicht mehr als 5 mg/Tag Prednisolon. Biologika helfen bei der Steroidreduktion, während sie zugleich mehr Patienten die Aussicht auf Remission und LLDAS mit weniger Schüben und Organschäden geben. Bei frühem Einsatz könnten sie zu einem besseren Ansprechen führen verbunden mit weniger Damage. Ein letzter Punkt:  Die Krankheitsaktivität und Damage müssen bestimmt werden, hier lohnt zur Verbesserung der Versorgung ein Blick auf die bereits im Jahr 2019 veröffentlichten Qualitätsindikatoren bei SLE.

Quelle: EULAR Recommendations Session, Mailand, 3. Juni 2023