SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19: Aktueller Stand der Studien zu DMARDs

Prof. Dr. med. Klaus Krüger

Prof. Dr. med. Klaus Krüger

Die allgemeine Angst vor der COVID-2-Infektion und ihren Auswirkungen auf rheumakranke Patienten insbesondere im Hinblick auf die negativen Folgen der laufenden Disease-Modifying Antirheumatic Drugs (DMARD)-Therapie haben in der Frühphase der Infektion für große Unsicherheit bei den Patienten, aber auch bei vielen behandelnden Rheumatologen gesorgt. 

Schon frühzeitig hat die Task Force der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in ihren Empfehlungen allerdings darauf hingewiesen, dass allein aus Angst vor einer SARS-CoV-2-Infektion DMARDs keinesfalls abgesetzt werden sollten. (1) Diese Aussage stützte sich einmal auf die Erkenntnis, dass im Fall eines Verlustes der Krankheitskontrolle die höhere Aktivität der Erkrankung und der häufig damit verbundene vermehrte Glukokortikoid-Einsatz das Infektionsrisiko ihrerseits erheblich erhöhen. (2) Zum anderen gab es zum Zeitpunkt des Erscheinens der Empfehlungen keinen Hinweis darauf, dass DMARD-Therapien tatsächlich das Risiko erhöhen.

Rund drei Monate später stellt sich die Situation klarer dar und bestätigt die damaligen Empfehlungen. Weiterhin gibt es keine Hinweise dafür, dass DMARD-Therapien generell einen negativen Einfluss bezüglich der SARS-CoV-2-Infektion bzw. dem COVID-19-Verlauf ausüben. Im Gegenteil gibt es jetzt erste Evidenz zumindest aus kleinen Kohortenstudien und Fallserien, dass ein solcher Einfluss nicht besteht. In einer in New York (USA) gesammelten Fallserie mit 86 Patienten waren 72 % mit einem bDMARD oder JAK-Inhibitor behandelt, der Anteil an COVID-19-bedingten Hospitalisationen war bei diesen Patienten identisch mit dem der Normalbevölkerung. (3) Eine italienische Untersuchungsserie mit 320 Patienten unter bDMARDs oder JAK-Inhibitoren bot ebenfalls im Vergleich zur Normalbevölkerung keine Auffälligkeiten, insgesamt je vier dieser Patienten erkrankten gesichert oder vermutet an COVID-19 und zeigten durchwegs leichte Verläufe. (4) Eine erste Untersuchung aus dem Register der COVID-19 Global Rheumatology Alliance bot eine Auswertung von 600 Fällen. (5) Patienten unter ≥10 mg Prednisolon-Tagesdosis wiesen hier eine Verdopplung des Risikos für eine Hospitalierung auf, TNFa-Inhibitoren hingegen eine Risikoreduktion um 60 %. Keine Risikobeeinflussung zeigte sich für Antimalariamittel und weitere csDMARDs, ebenso für andere bDMARDs und JAK-Inhibitoren. Die COVID-19-Kohorte der DGRh wird an anderer Stelle in dieser Ausgabe von Dr. Hasseli ausführlicher dargestellt. In dieser Kohorte fielen Stand jetzt drei COVID-19-Todesfälle unter einer laufenden Rituximab-Therapie und einer unter Abatacept auf. Weitere ungünstige COVID-19-Verläufe unter Rituximab werden in einer weiteren, soeben erschienenen amerikanischen Publikation mit Fallserie und Review geschildert. (6) Inwieweit zellbasierte bDMARDs innerhalb der Biologika-Gesamtgruppe bezüglich des COVID-19-Risikos ungünstiger zu beurteilen sind als Zytokin-Inhibitoren, lässt sich jedoch anhand dieser wenigen Fälle noch nicht sicher beurteilen.

Experimentelle Untersuchungen einer interdisziplinären Erlanger Forschergruppe um Prof. Schett, über die ebenfalls in dieser Ausgabe berichtet wird, lassen möglich erscheinen, dass in der Rheumatologie verwendete Zytokin-Hemmer, insbesondere die gegen Interleukin (IL)-1 und IL-6 gerichteten Wirkstoffe, möglicherweise bei schweren COVID-19-Verläufen sogar eine protektive Wirkung entwickeln. Gegenwärtig läuft eine Vielzahl an Studien, die die Wirkung von in der Rheumatologie verwendeten Substanzen bei SARS-CoV-2-Infektion (und schweren COVID-19-Verläufen) untersuchen. (7) Im Einzelnen sind folgende Substanzen involviert: Hydroxychloroquin (215 Studien), Tocilizumab (54), Anakinra (18), Sarilumab und Baricitinib (je 15), Tofacitinib (4), Canakinumab (3), Infliximab und Methotrexat (je 1). 

Insbesondere Hydroxychloroquin (HCQ) wurden von Beginn der Pandemie an – befördert durch eine methodisch eher zweifelhafte französische Untersuchung mit wenigen Patienten – große Hoffnungen entgegengebracht, die sich bisher nicht erfüllt haben. Zuletzt hat unter anderem eine große randomisiert-kontrollierte Untersuchung mit 821 Probanden keinen Effekt der Substanz in der Postexpositions-Prophylaxe gezeigt. (8) Im britischen RECOVERY-Trial erwies sich die Substanz als ineffektiv auch bei hospitalisierten Patienten. (9) Ein systematischer Review mit Auswertung von sechs Studien ergab keine Hinweise für eine Reduzierung der COVID-19-assoziierten Mortalität. (10) Trotz der vielen noch laufenden HCQ-Studien muss man somit eher skeptisch sein, dass diese Substanz sich in Zukunft als nachhaltig protektiv erweist. Bei den weiteren untersuchten Substanzen (primär IL-1- und IL-6- und JAK-Inhibitoren) liegen bisher keine Ergebnisse vor, die eine zuverlässige Beurteilung erlauben würden. Nach jetzigem Wissensstand ist somit dringend davon abzuraten, diese Substanzen allein wegen des vermeintlichen Schutzes gegen die Infektion einzunehmen.


Prof. Dr. med. Klaus Krüger
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
Praxiszentrum St. Bonifatius
St.-Bonifatius-Str. 5, 81541 München

 

Literatur:
1 Schulze-Koops H, Holle J, Moosig F et al., Aktuelle Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie für die Betreuung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen während der SARS-CoV-2/Covid 19-Pandemie. Z Rheumatol 2020; 79(4): 385-388 | 2 Accortt NA, Lesperance T, Liu M et al., Impact of Sustained Remission on the Risk of Serious Infection in Patients With Rheumatoid Arthritis. Arthritis Care Res 2018; 70(5): 679-684 | 3 Haberman R, Axelrad J, Chen A et al., Covid-19 in Immune-Mediated Inflammatory Diseases - Case Series from New York. N Engl J Med 2020; doi: 10.1056/NEJMc2009567 | 4 Monti S, Balduzzi S, Delvino P, Bellis E, Quadrelli VS, Montecucco C. Clinical course of COVID-19 in a series of patients with chronic arthritis treated with immunosuppressive targeted therapies. Ann Rheum Dis 2020; 79(5): 667-668 | 5 Gianfrancesco M, Hyrich KL, Al-Adely S et al., Characteristics associated with hospitalisation for COVID-19 in people with rheumatic disease: data from the COVID-19 Global Rheumatology Alliance physician-reported registry. Ann Rheum Dis 2020; doi: 10.1136/annrheumdis-2020-217871 | 6 Sharmeen S, Elghawy A, Zarlasht F, Yao Q. COVID-19 in rheumatic disease patients on immunosuppressive agents. Semin Arthritis Rheum 2020; 50(4): 680-686 | 7 Abgerufen am 11.6.2020 bei: clinicaltrials.gov | 8 Boulware DR, Pullen MF, Bangdiwala AS et al. A Randomized Trial of Hydroxychloroquine as Postexposure Prophylaxis for Covid-19. N Engl J Med 2020; doi:  10.1056/NEJMoa2016638 | 9 Torjesen I. Covid-19: Hydroxychloroquine does not benefit hospitalised patients, UK trial finds. BMJ 2020; 369: m2263 | 10 Patel TK, Barvaliya M, Kevadiya B et al., Does Adding of Hydroxychloroquine to the Standard Care Provide Any Benefit in Reducing the Mortality Among COVID-19 Patients?: A Systematic Review. J Neuroimmune Pharmacol 2020; doi: 10.1007/s11481-020-09930-x