RHEUMATOIDE ARTHRITIS

Neues Therapieprinzip ante portas

Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) lässt sich bei der großen Mehrzahl der Patienten heutzutage eine Remission erreichen. Dennoch wären neue Medikamente willkommen. Ein recht interessanter Kandidat könnte der auch bei SLE und Sjögren-Syndrom untersuchte BLyS/APRIL-Inhibitor Telitacicept sein, der von einer primär chinesischen Expertengruppe um Qing Zuraw, San Francisco (USA), jetzt in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie auch bei RA geprüft wurde. Ein weiterer Aspirant ist der in einer Phase-II-Studie evaluierte, monoklonale IgG1-Antikörper Nipocalimab, der an den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) bindet und zirkulierende IgG-Serumspiegel einschließlich pathogener Autoantikörper senkt. Auch darüber hinaus bot der ACR Convergence einige interessante Studien zur RA.

Das gegen BLyS/APRIL gerichtete Fusionsprotein Telitacicept wurde in einer 24-wöchigen Phase-III-Studie mit Open-label-Extension bis Woche 48 untersucht: 479 Patienten mit mäßiger bis schwerer RA und unzureichendem Ansprechen auf Methotrexat (MTX) wurden im Verhältnis 3:1 auf s.c. Telitacicept 1x wöchentlich 160 mg (n=360) oder Placebo (n=119) randomisiert, in Woche 25 wechselten die Placebo-Patienten auf Telitacicept (für weitere 24 Wochen). Die Baseline-Charakteristika beider Gruppen waren vergleichbar mit Ausnahme höherer CRP-Spiegel im Telitacicept-Arm (22,86 vs. 17,29 mg/l). Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten mit einem ACR20-Ansprechen in Woche 24, sekundäre Endpunkte u. a. das ACR50-Ansprechen, der DAS28-ESR und die radiologische Progression (mTSS).

Telitacicept womöglich auch Option bei RA

Im primären Endpunkt ACR20 zeigten sich zu Woche 24 signifikante Vorteile von Telitacicept (60,0 vs. 26,9 %; p<0,001), dasselbe galt für das ACR50-Ansprechen (21,4 vs. 5,9 %) und die Reduktionen ab Baseline im DAS28-ESR (-1,58 vs. -0,97; p<0,001) sowie die individuellen Komponenten der ACR-Kriterien. Signifikant mehr Patienten zeigten unter Telitacicept 160 mg keine radiologische Progression (△mTSS ≤0) in Woche 24 verglichen mit Placebo (90,2 vs. 66,4 %; p<0,001). Auch kam es signifikant seltener zur Progression von Gelenkschäden. Die Inzidenzen für therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse (TEAE), schwere AE, zum Abbruch führende TEAE und Infektionen waren unter Telitacicept und Placebo vergleichbar, es gab keine Todesfälle. (1)

Genaue Aussagen zum Potenzial von Telitacicept in dieser Indikation sind derzeit noch schwierig. So scheint der Wirkeintritt etwas Zeit zu brauchen und es bleibt abzuwarten, wann ein Plateau erreicht wird und wie hoch dieses ausfällt (ein ACR50-Ansprechen von ca. 20 % nach 24 Wochen ist in diesem bDMARD/tsDMARD-naiven Kollektiv wenig überzeugend). Weitere Phase-III-Studien bleiben abzuwarten.

Nipocalimab: Potenzial schwer abschätzbar

Zu Nipocalimab stellte ein internationales Team um Peter C. Taylor, Oxford (Großbritannien), die Ergebnisse der multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Phase-IIa-Studie IRIS-RA vor. Aufgrund seines Wirkmechanismus könnte der IgG1-Antikörper vor allem bei seropositiver RA (i. e. ACPA+) durchaus von Interesse sein. In der Proof-of-Concept-Studie wurden 53 ACPA- oder RF-positive Patienten mit mäßiger bis schwerer RA (SJC/TJC ≥6) und ≥1 fortgeschrittener Therapie (68 % Frauen, im Mittel 59 Jahre) im Verhältnis 3:2 für 10 Wochen entweder auf i.v. Nipocalimab 15 mg/kg alle 2 Wochen (n=33) oder Placebo (n=20) randomisiert. Die Baseline-Charakteristika waren vergleichbar, diesmal war jedoch der CRP-Ausgangswert im Placebo-Arm etwas höher. Im primären Endpunkt, der Veränderung im DAS28-CRP zu Woche 12, zeigte sich unter Nipocalimab eine numerisch größere Reduktion (-1,17 vs. -0,62, Δ -0,45; p=0,224). Auch erreichten mehr Patienten gegenüber Placebo ein Ansprechen gemäß ACR20 (45,5 vs. 20 %), ACR50 (15,2 vs. 5 %), ACR70 und ACR90. 21,2 vs. 10,0 % der Patienten gelangten in eine DAS28-CRP-Remission (Δ 9,9 %; p=0,456). Das Sicherheitsprofil von Nipocalimab war akzeptabel, die Wirksamkeit bewegte sich aber auf einem eher mäßigen Niveau (besser könnte es bei Patienten mit hohem ACPA-Titer aussehen). (2)

Kurzes Update zu JAK- und TNFα-Inhibitoren

Nachdem die Sicherheitsdebatten um die Januskinase (JAK)-Inhibitoren etwas abgeebbt sind, sei kurz auf eine chinesische Phase-II-Studie von Chanyuan Wu, Peking, und Kollegen zu dem neuen JAK-1-Inhibitor LNK01001 eingegangen. Nach csDMARD-Versagen bei 156 RA-Patienten geprüft, zeigte sich unter der höheren 24 mg-Dosis nach 12 Wochen ein gutes ACR20/50/70-Ansprechen von 73,1, 42,3 und 23,1 %, bis Woche 24 steigen diese Werte noch weiter an (ACR20 91 %). (3) Ähnlich wie bei Peficitinib ist nicht damit zu rechnen, dass dieser JAK-1-Inhibitor jemals auf den europäischen Markt kommt.

Die Frage, ob bei Patienten mit RA-assoziierter interstitieller Lungenerkrankung (ILD) generell auf TNFα-Inhibitoren (TNFi) verzichtet werden sollte, kann letztlich auch eine Propensity Score-gematchte US-amerikanische Studie von Bryant England, Omaha, und Kollegen mit je 237 neu mit TNFi oder Non-TNFi/tsDMARDs behandelten RA-ILD-Patienten nicht abschließend klären, eine Risikoerhöhung in puncto respiratorischer und Gesamtmortalität war unter TNFi nach 3 Jahren aber nicht auszumachen – eher im Gegenteil. (4)

Reichlich Diskussionsstoff boten die 3-Jahres-Daten der von Siri Lillegraven, Oslo (Norwegen), und Kollegen vorgestellten ARCTIC REWIND-Studie. Bei 98 RA-Patienten in stabiler tiefer Remission war der Therapieabbau von TNFi (bis zum Entzug) gegenüber deren stabilen Fortführung über 3 Jahre hinweg mit mehr Schüben (85 vs. 25 %) und signifikant niedrigeren Remissionsraten (Boolean 2.0) assoziiert. Auch wenn nach dem Absetzen zumeist wieder eine Remission erreicht wurde (81 %), scheint für eine Reihe von Patienten doch eine Dosisreduktion des TNFi (z. B. Halbierung oder Drittelung) gegenüber dem starren völligen Entzug zielführender zu sein. (5)

Last but not least zu einer von Russell Ross, Atlanta (USA), und Kollegen präsentierten Phase-Ib-Pilotstudie mit 10 RA-Patienten, die ungenügend auf s.c. Etanercept 50 mg angesprochen hatten. Diese wechselten auf eine 25 (!) mg-Dosis, die aber mit einem Nanotopografie-Mikronadelsystem (NTM) über 1,25 h intralymphatisch appliziert wurde (1x/Woche für 12 Wochen, danach 2-wöchentlich oder monatlich über bis zu 36 Wochen). Trotz reduzierter Dosis sank der DAS28-CRP binnen 12 Wochen von 5,40 auf 3,55, Schmerzen gingen um 77 % zurück – das gute Therapieergebnis blieb auch bei reduzierter Applikationsfrequenz erhalten. Das Verfahren ist für die Zukunft überaus spannend, ein Teil der Patienten führte die Applikation sogar zuhause durch. (6)                                                           

Quellen:
1   ACR Convergence 2023; Late Breaking-Abstract L20
2   Arthritis Rheumatol 2023; 75 (Suppl 9): Abstr. 0839
3   ACR Convergence 2023; Late Breaking-Poster L09
4   Arthritis Rheumatol 2023; 75 (Suppl 9): Abstr. 1582
5   ACR Convergence 2023; Late Breaking-Poster L07
6   Arthritis Rheumatol 2023; 75 (Suppl 9): Abstr. 0838