GICHTARTHRITIS

Neue Wege bei der Harnsäuresenkung

Bei vielen Gichtpatienten lässt sich mit dem Xanthinoxidase-Inhibitor (XOI) Allopurinol oder auch mit Febuxostat eine adäquate Harnsäuresenkung erreichen. Im Wege stehen eine Unterdosierung gerade von Allopurinol aufgrund nicht selten schlechter Verträglichkeit und eine generell geringe Medikamentenadhärenz. Neue, vielversprechende Optionen bestehen in Tigulixostat, einem weiteren XOI, sowie dem neuen Versuch, mit AR882 einen Urattransporter 1 (URAT1)-Inhibitor auf den Markt zu bringen. Für therapierefraktäre Patienten wären Uricase-basierte Therapien denkbar, wobei Pegloticase durch seine hohe Immunogenität ausgebremst wurde (in den USA erlebt es jetzt ein Revival in Kombination mit Methotrexat). Eine Alternative könnte SEL-212 mit der sequenziellen Infusion von Rapamycin-haltigen Nanokapseln (SEL-110) gefolgt von Pegadricase (SEL-037) darstellen, die in zwei Phase-III-Studien geprüft wurde.

Zunächst zum Therapieprinzip der URAT1-Inhibition: Dass selektive URAT1-Inhibitoren den Harnsäurespiegel senken können ist klar, zumal mit Lesinurad ein erster Vertreter dieser Wirkstoffklasse in Europa zwischen 2016 und 2020 zugelassen war, aber mangels kommerzieller Erfolge wieder vom Markt genommen wurde.

URAT1-Inhibitor mit überzeugenden Daten

Ein besseres Schicksal ist dem Urikosurikum AR882 zu wünschen – die in Mailand von Robert Keenan, San Diego (USA), und Kollegen vorgestellten Ergebnisse waren durchaus bemerkenswert. In der globalen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-IIb-Studie wurden 140 Patienten mit chronischer, symptomatischer Gicht gemäß den ACR/EULAR-Kriterien (Serumharnsäure, sUA-Wert im Mittel 8,6 mg/dl, im Durchschnitt 54 Jahre alt, 94 % Männer, Körpergewicht 96,4 kg (!), mit zahlreichen Komorbiditäten wie Hypertonie (47 %), Hyperlipidämie (35 %), Niereninsuffizienz (34 %), Arthritis (23 %), Typ-2-Diabetes (19 %), kardiovaskulären Erkrankungen (15 %),
Lungen- und Lebererkrankungen (11 bzw. 5%) nach einer 10-tägigen Prophylaxe vor Gichtschüben im Verhältnis 1:1:1 für 12 Wochen auf den selektiven URAT1-Inhibitor AR882 in einer Dosierung von 1x 50 oder 75 mg/Tag oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten, die sUA-Spiegel <6, <5, <4 oder <3 mg/dl in Woche 12 erreichten.

Nach 12 Wochen zeigte sich ein medianer Rückgang des sUA-Spiegels unter 75 und 50 mg AR882 um 56 % (auf 3,5 mg/dl!) bzw. um 42 % (auf 5,0 mg/dl). Das in Leitlinien propagierte Therapieziel von 6 mg/dl wurde in der höheren Dosierung von 89 % der Patienten und unter der niedrigen Dosierung von 78 % der Patienten erreicht. Werte von 5 oder 4 mg/dl wurden unter der 75 mg-Dosierung von 82 bzw. 63 % der Patienten erreicht, unter der 50 mg-Dosierung waren es immerhin noch 50 bzw. 8 %. Wie in Anbetracht der kurzen Studiendauer nicht anders zu erwarten, trat noch keine Besserung der Symptome ein. Es kam zu 65 Gichtschüben, die gleichmäßig über die drei Studienarme verteilt waren. Schwere unerwünschte Ereignisse (sUE) blieben aus, häufigste UE waren Diarrhö, Kopfschmerzen und Infektionen der oberen Atemwege. Auch Medikamenteninteraktionen wurden nicht berichtet, ebenso waren keine Dosisanpassungen anderer Medikationen erforderlich. Die frühen Daten sind überaus erfreulich und lassen auf eine gute Effektivität auch bei refraktärer bzw. tophöser Gicht schließen, die Ergebnisse aus Phase-III bleiben abzuwarten. (1)

Therapierefraktäre Gicht: Sequenzielle Infusion als Ausweg?

Nach den mit Pegloticase, das zwischen 2013 und 2016 auf dem europäischen Markt war, aufgetretenen Problemen einer raschen Wirkabschwächung, besteht nun die Hoffnung, die hohe Immunogenität Uricase-basierter Therapien bei therapierefraktären Gichtpatienten durch eine sequenzielle Kombinations-Infusion mit SLE-212 zu brechen. In den von Herbert S. B. Baraf, Washington DC (USA), und Kollegen als Late-breaking Abstract vorgestellten beiden randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien DISSOLVE I (USA, 12 Monate) und DISSOLVE II (global, 6 Monate) war dies durchaus erfolgreich. Es wurden jeweils zwei Dosierungen von SEL-110 (Rapamycin-Nanokapseln: 0,15 oder 0,1 mg/kg) vor der SEL-037 (0,2 mg/kg Pegadricase)-Infusion geprüft. Eingeschlossen wurden 265 (96 % Männer, 66 % ≥50 Jahre) bzw. 153 Patienten (97 % Männer, 72 % ≥50 Jahre) mit ≥3 Gichtschüben in den 18 Monaten vor dem Screening oder ≥1 Tophus oder einer aktuellen Gichtdiagnose sowie unzureichender sUA-Einstellung unter XOI. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1:1 für 6 Monate auf die zwei SEL-112-Dosierungen oder Placebo alle 28 Tage randomisiert (in DISSOLVE I mit 6-monatiger, verblindeter Extensionsphase). Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten, die einen sUA-Wert <6 mg/dl für 80 % der Zeit in der 6. Behandlungsphase erreichten.  

In beiden SEL-212-Armen waren die Ansprechraten signifikant höher im Vergleich zu Placebo (p≤0,0015), wobei 56 bzw. 46 % der Patienten in der Hochdosis- und 48 bzw. 40 % in der Niedrigdosisgruppe in DISSOLVE I bzw. II den primären Endpunkt erreichten. Bei den über 50-Jährigen betrugen die jeweiligen Ansprechraten 65 und 47 % (hohe Dosis) bzw. 47 und 45 % (niedrige Dosis) (p≤0,0044 vs. Placebo). Der mittlere Rückgang der sUA-Spiegel bewegte sich bei 50-60 % ab Baseline (p<0,001 vs. Placebo). Das Sicherheitsprofil war gut, bei 3,4 bzw. 4,5 % (hohe/niedrige Dosis) der Patienten kam es zu Infusionsreaktionen, sUE (Anaphlyaxien, Gichtschübe) waren selten und traten häufiger unter niedrigeren Dosis auf. Ob diese Kombination eine Zukunft auch in Europa haben wird, bleibt abzuwarten. (2)

Update zu SGLT2-Inhibitoren bei Gicht und Typ-2-Diabetes

Nur kurz eingegangen sei auf zwei in beiden Fällen von Natalie McCormick, Boston (USA), und Kollegen vorgestellte Studien. In einer Beobachtungsstudie mit ca. 100.000 kanadischen Patienten mit Typ-2-Diabetes, deren Therapie nach Metformin eskaliert werden musste, zeigte sich, dass jene, die SGLT2-Inhibitoren einnahmen, zu 40-60 % seltener an inzidenter Gicht erkrankten. Gegenüber DPP-4-Inhibitoren betrug die Hazard Ratio (HR) für SGLT2-Inhibitoren für die Entwicklung einer Gicht 0,54 und gegenüber GLP-1-Analoga 0,39. Dieser Befund bestätigte sich auch in Subgruppen stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Diuretika-Einnahme. (3) Überdies ergab eine weitere große Beobachtungsstudie mit 8.155 Gichtpatienten mit Typ-2-Diabetes aus der kanadischen Provinz British Columbia, dass es bei jenen, die mit SGLT2-Inhibitoren behandelt wurden, seltener zu Gichtschüben als unter DPP-4-Inhibitoren kam (52,4 vs. 79,7 Ereignisse/1.000 Patientenjahre) – dies unabhängig von Alter, Geschlecht, Schwere der Gicht zu Baseline, harnsäuresenkenden Therapien oder Diuretika-Einnahme. Auch Myokardinfarkte und Schlaganfälle traten unter SGLT2-Inhibitoren seltener auf. (4)  

Quellen:
1   Ann Rheum Dis 2023; 82 (Suppl 1): 192 (OP0295)
2   Ann Rheum Dis 2023; 82 (Suppl 1): 200 (LB0002)
3   Ann Rheum Dis 2023; 82 (Suppl 1): 171 (OP0258)
4   Ann Rheum Dis 2023; 82 (Suppl 1): 103 (OP0156)