PROBLEMFELDER DER RHEUMATOLOGIE

Mythen versus Fakten: Was ist wirklich gesichert?

Eine interessante Sitzung am Schlusstag befasste sich mit strittigen Themen, etwa damit, ob intraartikuläre Glukokortikoid (GK)-Injektionen den Knorpel schädigen, ob die Methotrexat (MTX)-Osteopathie wirklich existiert, ob eine axiale Spondyloarthritis (r-axSpA) in höherem Alter „ausbrennt“, und ob eine Lyme-Arthritis mit Antibiotika „geheilt“ werden kann.

Tatschlich kann es zu Knorpelschädigungen durch häufige i.a. GK-Injektionen kommen, stellte Proft. Dr. Michael Hammer, Sendenhorst, klar. Klinisch relevant, so schränkte er aber sofort ein, sind diese bei adäquater Anwendung jedoch nicht. Denn in einer oft zitierten randomisiert-kontrollierten Studie (bei Gonarthrose) wurden z. B. alle drei Monate i.a. GK-Injektionen durchgeführt, was hierzulande in der Praxis (hoffentlich) niemand in dieser Frequenz macht. Keine Gefahr besteht laut Hammer bei einem sinnvollen und eben nicht zu häufigen Einsatz, so bei adäquater klinischer Situation (Synovialitis, Reizerguss mit Symptomatik), 1-2x pro Jahr, erneuter i.a.-Injektion nur bei vorheriger Effektivität (Beschwerdelinderung bzw. Entzündungshemmung für ≥3 Monate), dem Einsatz geeigneter Präparate (Triamcinolon-Hexacetonid bzw. -Acetonid) und natürlich entsprechender Erfahrung des Behandlers mit Gelenkinjektionen und unter Einhaltung der Hygienestandards.

Mit zu den strittigsten Themen in der Rheumatologie gehört die Frage, ob es unter MTX zu einer Osteopathie mit bilateralen Stressfrakturen an den unteren Extremitäten kommen kann. Ja, aber wirklich nur sehr selten, verdeutlichte anhand mehrerer Fallbeispiele Dr. Jutta Bauhammer, Baden-Baden. Typisch sind vor allem symmetrische Insuffizienzfrakturen der distalen Tibiae, aber auch an anderen Lokalisationen. Im MRT zeigt sich eine charakteristische band-/mäanderförmige Frakturlinie entlang früherer Wachstumsfugen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, sie tritt häufiger nach längerer MTX-Therapie unabhängig von Dosis, Krankheitsaktivität, Osteoporose oder GK-Einnahme auf. Der Pathomechanismus ist immer noch unklar. Auf jeden Fall empfahl Bauhammer, bei gelenknahen, immobilisierenden Knochenschmerzen der (distalen) unteren Extremitäten wachsam zu sein, und bei Verdacht ein MRT zu veranlassen. Bestätigt sich der Verdacht, ist die wichtigste Maßnahme, das MTX abzusetzen (darunter ist keine Abheilung der Fraktur möglich!), ggf. in Kombination mit einer knochenspezifischen Therapie (z. B. Denosumab, Teriparatid oder Romosozumab).

Den Mythos, dass eine axiale SpA bei älteren Patienten über 50 Jahren nicht mehr aktiv entzündlich sei, verwies Prof. Dr. Martin Rudwaleit, Bielefeld, ins Reich der Fabeln. So ist auch bei langer Krankheitsdauer durchaus noch eine Entzündung an der Wirbelsäule im MRT nachweisbar. Auch liegt in jüngeren klinischen Studien zu TNFα-, Interleukin (IL) 17A- bzw. A/F- oder Januskinase (JAK)-Inhibitoren, wo eine Entzündung explizit gefordert war, der Anteil über 50-jähriger Patienten bei 25-30 %, teilweise sogar bei 40-50 %. Auch gilt es zu bedenken, dass Frauen oft später erkranken und entsprechend länger (auch in höherem Alter) aktiv entzündlich sind. In Studien betrug der Anteil von Frauen >50 Jahre immerhin 27-54 %. Somit kann eine axSpA definitv auch noch in höherem Alter entzündlich sein, so Rudwaleit.

Bei der Lyme-Arthritis stellt sich laut Prof. Dr. Peter Herzer, München, die Gretchenfrage, ob es sich um eine „infektiöse“ oder eine Antibiotika-refraktäre „postinfektiöse“ Arthritis handelt. Eine klare Antwort gibt es nicht, da die Diagnosekriterien und Fallzahlen bei den Schlüsselpublikationen fraglich, und eher Eminenz- als evidenzgetrieben sind. Zudem gibt es nur eine placebokontrollierte Studie zur „Heilbarkeit“ der Lyme-Arthritis. Dennoch sieht es so aus, als ob sie in einigen Fällen mit Antibiotika geheilt oder zumindest die Dauer der Arthritis verkürzt werden kann. Auch gibt es zweifelsfrei eine postantibiotische Lyme-Arthritis, Herzer riet hier primär zu i.a. GK und vor allem viel Geduld. Im Allgemeinen hat die Lyme-Arthritis eine gute Prognose. Womöglich gibt es, dann aber sehr selten, den Übergang in eine chronische Oligo- bzw. Polyarthritis entsprechend einer RA – wirklich sicher sei dies aber nicht.

Quelle: Klinische Sitzung „Stimmt es eigentlich, dass …“,
2. September 2023