IL-6-Inhibitoren: Vorsichtiger Optimismus angebracht 

Bei COVID-19-Patienten, die einen Zytokinsturm entwickeln, liegt es auf der Hand, einen Therapieversuch mit Interleukin (IL)-6-Inhibitoren zu unternehmen – bei einem unter einer CAR-T-Zell-Therapie auftretenden „Cytokine Release Syndrome“ (CRS) ist mit Tocilizumab bereits ein Vertreter dieser Substanzklasse zugelassen. Derzeit laufen mehrere randomisiert-kontrollierte und viele Beobachtungsstudien zu Tocilizumab und Sarilumab. Inzwischen liegen die ersten, noch vorläufigen Studienergebnisse vor und weisen durchaus auf eine gewisse Effektivität bei schweren COVID-19-Verläufen hin.

Sarilumab: Erste Ergebnisse einer Phase-II/III-Studie 

Zunächst zum IL-6-Rezeptor-Inhibitor Sarilumab, zu dem die Hersteller Sanofi und Regeneron am 27. April eine erste Pressemitteilung zu ihrer US-amerikanischen Phase-II/III-Studie mit adaptivem Design zu dessen Einsatz bei hospitalisierten COVID-19-Patienten herausgegeben haben. Nach Empfehlung eines „Independent Data Monitoring Committee“ (IDMC) soll die bisherige Phase-II-Studie (457 Teilnehmer mit SARS-CoV-2-Nachweis und Pneumonie; ein CRS war nicht gefordert, 28 % schwer, 49 % kritisch erkrankt, 23 % Multiorganversagen) mit zwei Anpassungen nunmehr in Phase-III fortgeführt werden. 

Bislang zeigten die Daten, dass bei „schweren“ oder „kritisch erkrankten“ COVID-19-Patienten (definiert als ohne oder mit invasiver Beatmung bzw. O2-Hochdurchfluss-Therapie bzw. Intensivpflicht), die mit hoch oder niedrig dosiertem Sarilumab (eine i.v.-Infusion von 200 oder 400 mg) behandelt wurden, nur die fortgeschrittene, kritisch erkrankte Gruppe unter der hohen Sarilumab 400 mg- gegenüber Placebo und der 200 mg-Dosis von einer Verbesserung (klinisch, Tod, Beatmung, Entlassung) profitierte.

In der Gesamtgruppe von 358 Patienten kam es im primären Endpunkt zu einer Reduktion des CRP-Spiegels unter Placebo (n=77), Sarilumab 200 (n=136) und 400 mg (n=145) um 21, 77 und 79 % ab Baseline. In der vorläufigen Analyse zeigte sich bei kombinierter Auswertung schwer und kritisch erkrankter Patienten kein Vorteil für Sarilumab gegenüber Placebo, unabhängig von der Therapie konnten in Phase-II 80 % der Teilnehmer entlassen werden, je 10 % starben oder verblieben noch im Krankenhaus. Aufgrund des positiven Trends in der Gruppe der kritisch Erkrankten wird nur diese in Phase-III weiter verfolgt und dort ausschließlich mit Sarilumab 400 mg behandelt (vs. 
Placebo). 

In der Subgruppe der 226 kritisch erkrankten Patienten in der Phase-II-Studie hatten sich folgende Ergebnisse unter Placebo (n=44), Sarilumab 200 (n=94) oder 400 mg (n=88) gezeigt: Tod oder invasive Beatmung 55 vs. 46 vs. 32 %, Tod 27 vs. 36 vs. 23 %, invasive Beatmung 27 vs. 10 vs. 9 %, klinische Verbesserung 41 vs. 51 vs. 59 %, ohne O2-Zufuhr 41 vs. 43 vs. 58 %, Entlassung 41 vs. 39 vs. 53 %. Ob sich für die hohe Dosis auch ohne CRS als Einschlusskriterium tatsächlich ein signifikanter Wirksamkeitsvorteil im Phase-III-Teil der Studie mit 600 Patienten einstellen wird, bleibt abzuwarten. Zusätzlich soll Sarilumab auch in einer zweiten Phase-III-Studie außerhalb der USA (Italien, Spanien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Russland, Israel, Japan) bei weiteren 400 COVID-19-Patienten geprüft werden.


Tocilizumab: Vorläufige Daten der CORIMUNO-19-Studie              

Nach positiven Fallserien mit 29 COVID-19-Patienten aus China (1) und 100 aus dem italienischen Brescia (2) zu dem gleichfalls in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien untersuchten Tocilizumab, liegt zu diesem eine Vorab-Pressemitteilung zu einer multizentrischen, open-label, randomisiert-kontrollierten aus Frankreich vor, in der der IL-6-Rezeptor-Inhibitor im Verhältnis 1:1 bei 129 hospitalisierten, mäßig bis schwer erkrankten COVID-19-Patienten mit Pneumonie gegen Placebo auf dem Boden einer Standardtherapie getestet wurde. 

Der primäre kombinierten Endpunkt (Bedarf für eine mechanische oder nicht-invasive Beatmung oder Tod nach 14 Tagen) wurde unter Tocilizumab signifikant erreicht, eine Publikation der Daten aus der 
CORIMUNO-19-Studie ist avisiert, steht aber noch aus.          

Ausblick: Bei COVID-19-Patienten ist laut Pier Leopoldo Capecchi, Siena (Italien), jenseits von Pneumonien mit kardiovaskulären Komplikationen zu rechnen, so bei bis zu 16,7 % mit Arrhythmien und 5,9 % mit ventrikulären Tachyarrhythmien in Verbindung mit einer Verlängerung des QTc-Intervalls. (3) Interessant ist, dass eine systemische Entzündung via erhöhtem IL-6 als neuer, weiterer Risikofaktor für eine QTc-Verlängerung identifiziert wurde. Tatsächlich konnte für Tocilizumab bei RA-Patienten eine signifikante QTc-Verkürzung nachgewiesen werden sowie nach Nicht-ST-Hebungsinfarkt eine Reduktion der Entzündungsantwort und myokardialer Schäden. In diesem Kontext könnte die IL-6-Inhibition somit auch im Hinblick auf die Reduktion kardiovaskulärer Risiken durch COVID-19 sinnvoll sein. 

Quellen:
1 Proc Natl Acad Sci U S A 2020; 117(20): 10970-10975 
2 Autoimmun Rev 2020; 19(7): 102568 

3 Ann Rheum Dis 2020; doi: 10.1136/annrheumdis-2020-217523