RHEUMATOIDE ARTHRITIS

Hindernisse auf dem Weg zur früheren Diagnose und Behandlung

Nicht nur bei der rheumatoiden Arthritis (RA) wäre eine frühere Diagnosestellung und damit Therapieeinleitung hilfreich, um langfristig die Remissionsraten noch weiter zu steigern. Schlüsselelement ist die Einrichtung rheumatologischer Frühsprechstunden. Gewisse Fortschritte sind laut der Kerndokumentation 2021 zwar zu verzeichnen, viele Wünsche bleiben aber auch mangels fehlender Kapazitäten noch offen.

Dass bei RA in puncto Outcome noch viele Chancen verpasst werden, deutete Prof. Dr. Klaus Krüger, München, an. Auch wenn die röntgenologische Progression heute nicht mehr das ganze große Problem ist, steigt das Risiko hierfür ab einem um 3 Monate verzögerten csDMARD-Beginn signifikant an. Wichtiger noch: Ein zeitnaher Therapieeinstieg mit Methotrexat (MTX) nach <3 Monaten reduziert im Vergleich zu einem späteren Start (>12 Monate) das Risiko für die spätere Entwicklung einer „difficult-to-treat (D2T)“-RA signifikant um 70 %. Laut der Kerndokumentation 2021 hat sich jedoch die RA-Früherkennung zuletzt kaum gebessert: So beträgt die Symptomdauer vor Diagnose bei 24 % >1 Jahr und bei >15 % sogar >2 Jahre. Zur Erinnerung: Empfohlen wird in der DGRh S2e-Leitlinie ein früher Beginn einer DMARD-Therapie („hit early“) innerhalb von ≤12 Wochen. Bei negativen Prognosefaktoren (ACPA-Seropositivität, hohe Entzündungsaktivität, frühe strukturelle Schäden) sollte nach Versagen von MTX rasch auf bDMARDs (oder tsDMARDs) eskaliert werden. Denn das Ziel muss eine frühe Remission (nicht niedrige Krankheitsaktivität) sein, die mit einem besseren Langzeit-Outcome verknüpft ist. Entscheidend ist ein Treat-to-target (T2T)-Ansatz: 50 % Besserung vom Ausgangsscore nach 12, Remission nach 24 Wochen. Dass dies beim Gros der Patienten auch hierzulande möglich ist, belegen Daten aus dem ADAPTHERA-Netzwerk. Theoretisch noch besser, aber in Deutschland nicht durchführbar, wäre einer aktuellen Studie zufolge eine Tight-control mit monatlichem Follow-up. Wichtig sind laut Krüger eine weitere Sensibilisierung der Primärversorger und Frühtermine bei einer beginnenden RA.

Rheumatologische Frühsprechstunde mal anders

Einblicke in das Vorgehen in den Niederlanden mit anderem Gesundheitssystem gab Prof. Dr. Diane van der Woude, Leiden. Dort gelang es, die Wartezeit bis zum Allgemeinarzttermin auf im Mittel 2,4 und jene bis zur rheumatologischen Untersuchung auf 8,0 Wochen zu drücken. Ein Schlüssel zum Erfolg war die Einrichtung einer „Early Arthritis Recognition Clinic“, wo kurze (nur 5-10 Minuten) Visiten beim Rheumatologen verfügbar sind mit der Einschätzung: Arthritis, ja oder nein. Falls ja, erfolgen Labor und Bildgebung sowie ein regulärer Termin beim Rheumatologe binnen 1-2 Wochen, falls nein, muss sich der Patient wieder an den Allgemeinarzt wenden. Damit wurden sehr positive Erfahrungen gesammelt, aber es bedarf einer guten Kooperation zwischen Allgemeinarzt und Rheumatologen, guten Aufklärung der Patienten, was sie in der kurzen Zeit erwarten können, und zähen Verhandlungen mit den Krankenkassen.

Als klinisch verdächtige Arthralgie (CSA) eingestuft werden Gelenkschmerzen <1 Jahr, Beschwerden an den MCP-Gelenken, Morgensteifigkeit ≥60 Minuten, stärkste Beschwerden in den Morgenstunden, Familienangehörige 1. Grades mit RA, Schwierigkeiten beim Faustschluss und positiver „Querdruckschmerz“ an den MCP-Gelenken. Auch wenn ACPA- und MRT-Positivität Hinweise für die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer RA geben, werden bei CSA in der täglichen Praxis NSAR verordnet und („watchful waiting“) Folgetermine vereinbart. Auch bei noch undifferenzierter Arthritis stehen NSAR im Vordergrund, ggf. MTX, dies aber vorzugsweise im Rahmen einer Studie.

Bestandsaufnahme in Deutschland

Wie es hierzulande um die Früherkennung und Therapie der RA steht, erörterte Dr. Katinka Albrecht, Berlin. Die Frage, ob sich die Lage diesbezüglich in den letzten Jahren gebessert hat, beantwortete sie mit einem entschiedenen „Jain“. So ist man vom erklärten Ziel einer frühestmöglichen Einleitung einer DMARD-Therapie bei neu diagnostizierter RA, meint, innerhalb von 12 Wochen nach Symptombeginn, noch weit entfernt. So erfolgt laut Daten der Kerndokumentation 2021 eine rheumatologische Erstvorstellung in den ersten 3 Monaten nach Symptombeginn nur in 38 % der Fälle – nach 6 und 12 Monaten sind es 54 bzw. 71 %. Vor allem die Verzögerung zwischen erstem Hausarzt- und Rheumatologen-Kontakt schlägt hier negativ zu Buche – ein gutes Netzwerk zwischen der Primär- und Sekundärversorgung ist daher essenziell. Auch digitale Tools (Symptom-Checker wie Ada oder RhePort) können hier helfen.

Segensreich ist vor allem die Einrichtung von Früh- und Screeningsprechstunden, die eine deutliche Reduktion der Wartezeit bis zum Termin leisten, in Düsseldorf wird so z. B. bei zwei Drittel der Patienten eine RA binnen 12 Wochen nach Symptombeginn diagnostiziert. Allerdings bestehen danach erhebliche Kapazitätsengpässe in der ambulanten Weiterbetreuung, so Albrecht.

Remissionsraten steigen leicht, aber Stagnation bei PROs

Das Problem zeigt die CAPEA-Studie, in der nach 6 Monaten 40 % der Patienten eine Remission erreichten, ohne dass dieser Anteil nach 12 und 24 Monaten weiter anstieg. Nur bei 50 % erfolgte eine Eskalation, 50 % waren nach 2 Jahren noch auf Glukokortikoiden (GK). Dass nach 12-24 Monaten viel mehr möglich ist, zeigen z. B. ADAPTHERA (63 % in Remission) und die niederländische Leiden-Kohorte (bis zu 73 %). Die Kerndokumentation unterstreicht das Problem: Bei einem DAS28 >2,6, >3,2 und >5,1 erfolgte nur zu 15, 23 und 46 % eine Therapieeskalation. Bessere Daten lieferte das RABBIT-Register, in dem der Anteil von Patienten mit ungünstiger Prognose, die nach csDMARD-Versagen (DAS28 ≥3,2) ein b/tsDMARD erhielten, von 56 % in 2017/18 auf 67 % in 2020/21 anstieg.

Positiv ist, dass ein stetiger Rückgang der GK-Quote zu verzeichnen ist auf nur noch 31 % in der Kerndokumentation, 76 % der Patienten in DAS28-Remission sind GK-frei. Der sukzessive Anstieg der Patienten in DAS28-Remission (45 % in Kerndokumentation) verläuft parallel zu weniger GK-, NSAR- und Zweitlinien-csDMARD- und mehr b/tsDMARD-Verordnungen.

In puncto Funktionserhalt ist eine Stagnation zu verzeichnen, rheumachirurgische Eingriffe werden aber seltener und auch die berufliche Teilhabe hat sich verbessert. Keinerlei Verbesserung ist hingegen in Bezug auf PROs wie Schmerzen, Fatigue, Schlafstörungen und der Selbsteinschätzung der Krankheitsaktivität sowie des Gesundheitszustands zu konstatieren, ebenso wenig im Hinblick auf Lifestylefaktoren wie Rauchen, Adipositas und körperliche Aktivität. Trotz gewisser Fortschritte, bleibt also noch viel Raum für Verbesserung, so Albrechts gemischtes Fazit.

Quelle: Plenarsitzung „Früharthritis zeitgerecht behandeln – die Quadratur des Kreises?“, 2. September 2023