ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN

Genderspezifische Aspekte bei Diagnostik, Outcome und Therapie

Aktuelle Erkenntnisse zu gendermedizinischen Aspekten in der Rheumatologie wurden in mehreren Sitzungen diskutiert, vor allem bei Kollagenosen ist die Thematik noch weitgehend „terra incognita“. Etwas besser ist die Situation bei rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA) und axialer Spondyloarthritis (axSpA) – der Forschungsbedarf ist aber im Allgemeinen noch sehr hoch, insbesondere im Hinblick auf differenzielle Therapieeffekte.

Den Auftakt einer Sitzung zur Gendermedizin machte PD Dr. Uta Kiltz, Herne/Bochum, mit der axialen SpA, bei der im Hinblick auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Vergleich zu anderen rheumatologischen Erkrankungen schon relativ viel bekannt ist, und dies obwohl die röntgenologische axSpA lange fälschlich als „Männerkrankheit“ eingestuft wurde.

Axiale SpA: Diagnostik und Versorgung von Frauen defizitär

Schon die klinische Manifestation unterscheidet sich. Männer klagen typischerweise mehr über Gesäßschmerz und tiefsitzenden Rückenschmerz infolgedessen die spinale Mobilität oft eingeschränkt ist – der röntgenologische Verlauf ist zumeist schwerer als bei Frauen. Dagegen berichten Frauen häufiger über Schmerzen in der Halswirbelsäule und über extraartikuläre Manifestationen. Die mentale Gesundheit scheint bei Frauen häufiger als bei Männern eingeschränkt zu sein. Auch neuropathische Schmerzen und Fatigue scheinen häufiger aufzutreten. Mitunter wird diese eher diffuse Charakteristik bei Frauen auch als Fibromyalgie fehlgedeutet. Bei Frauen zeigt sich somit häufig ein diffuseres Beschwerdebild und sie weisen durchschnittlich höhere Scores in den Patient Reported Outcomes wie z. B. dem BASDAI, aber auch BASFI auf, während sich im ASDAS keine Unterschiede finden. Der Zeitpunkt der Diagnosestellung axSpA liegt, wohl auch aus diesen Gründen, bei Männern im Mittel bei ca. 6,1 und bei Frauen bei 8,2 Jahren nach der Erstmanifestation. Auffällig ist bei Frauen vor der korrekten Diagnosestellung eine höhere Anzahl von Arztbesuchen, etwa bei Allgemeinärzten (82,1 vs. 74,7 %) oder Osteopathen (24,4 vs. 13,3 %), und damit auch größere Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen.

Bei Frauen geht die axSpA mit einer höheren subjektiven Krankheitslast und -aktivität einher. Die Daten deuten bei Frauen auf ein schlechteres Therapieansprechen auf zumindest TNFα-Inhibitoren hin (Daten zu anderen b/tsDMARDs fehlen weitgehend) und auch eine Remission wird bei Frauen seltener erreicht. Überdies sind die Retentionsraten bei Frauen im Vergleich zu Männern geringer. Die Gründe hierfür sind das bei Frauen allgemein höhere Beschwerdeniveau, aber auch die häufigeren Fehldiagnosen oder das gleichzeitige Vorliegen einer Fibromyalgie. Die funktionellen Einschränkungen (Frauen klagen mehr über Schmerzen, Schlafprobleme und Erschöpfung, Männer eher über verringerte Motivation, mehr Frustration und körperliche Probleme) haben bei Männern auf den ersten Blick größere Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit, bei Frauen dafür mehr auf unbezahlte Arbeit.

PsA: Frauen mit schlechterem Therapieansprechen

Auch bei der PsA sind erhebliche Geschlechterunterschiede zu beachten, verdeutlichte Dr. Michaela Köhm, Frankfurt/M. Dies beginnt mit dem klinischen Phänotyp: So findet sich bei Männern häufiger eine axiale Beteiligung, ein ausgeprägterer Psoriasis-Schweregrad und ein stärkerer Nagelbefall, während bei Frauen häufiger mit dem Auftreten einer peripheren Arthritis zu rechnen ist. Röntgenologisch sind Männer mit stärkeren strukturellen axialen und peripheren Veränderungen das schwächere Geschlecht. In puncto Prävalenz ist inzwischen von einem fast ausgeglichenem Geschlechterverhältnis auszugehen, die PsA tritt also bei Frauen viel häufiger als früher gedacht auf. Auffällig ist ein besseres Ansprechen von den männlichen PsA-Patienten auf bDMARD- und tsDMARD-Therapien, auch erreichen diese mit höherer Wahrscheinlichkeit eine anhaltende Remission oder niedrige Krankheitsaktivität. Das Ansprechen von Frauen auf bDMARDs und tsDMARDs ist hingegen deutlich schlechter mit z. B. geringerem Erreichen einer minimalen Krankheitsaktivität (MDA), häufigeren Therapieabbrüchen aufgrund von Ineffektivität und höheren Nebenwirkungsraten. Am besten scheinen Frauen von Interleukin (IL)-17-Inhibitoren (z. B. in EXCEED vs. Adalimumab) zu profitieren, TNFα-Hemmer scheinen wiederum (z. B. SELECT-COMPARE vs. Upadacitinib) etwas besser als Januskinase (JAK)-Inhibitoren zu wirken, während sich solche Unterschiede bei Männern nicht finden.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Kombination von Ustekinumab bzw. Etancercept (MUST- bzw. SEAM-PsA-Studie) mit Methotrexat (MTX) bei Frauen nicht nur die Wirksamkeit nicht erhöht, sondern diese sogar im Vergleich zur jeweiligen bDMARD-Monotherapie geringer ist. Zugleich nahmen in der MUST-Studie unter der Kombination mit MTX bei Frauen die Nebenwirkungen zu. Last but not least zeigt sich analog zur axSpA eine bei Männern geringere Einschränkung der Lebensqualität, während Frauen häufiger angeben, unter Schmerzen, Fatigue und einem schlechten funktionellen Status zu leiden. Auch hier dürften Überlappungen mit Fibromyalgie eine wichtige Rolle spielen.

RA: Genderaspekte noch relativ wenig beleuchtet

Während bei axSpA Männer häufiger als Frauen betroffen sind (Verhältnis ca. 2:1) und dies bei PsA relativ ausgeglichen ist, leiden unter einer RA 3x mehr Frauen als Männer, erläuterte PD Dr. Sarah Ohrndorf, Berlin. Dies ist auf Unterschiede im Immunsystem zurückzuführen. So findet sich bei Frauen etwa eine erhöhte Produktion von Toll-like-Rezeptoren, mehr CD4+ T-Zellen und B-Zellen sowie neutrophile Granulozyten und Makrophagen und bei Männern eine erhöhte Produktion von IL-17A, mehr CD8+ T-Zellen und natürliche Killerzellen.

Auch wenn die Studienlage zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei RA überraschend dünn ist, lässt sich sagen, dass Frauen zu Krankheitsbeginn jünger sind, niedrigere CRP-Werte, aber höhere DAS28- und HAQ-Scores aufweisen. Sowohl Krankheitsaktivität (DAS28) als auch körperliche Funktion (HAQ) bleiben bei Frauen auch im Verlauf schlechter als bei Männern, während sich bezüglich der röntgenologischen Progression keine Unterschiede zeigen. Im Hinblick auf Komorbiditäten finden sich Depressionen, Fibromyalgie und auch Hypothyreose häufiger bei Frauen, mit kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes ist hingegen öfter bei Männern zu rechnen. Auf der anderen Seite wird in der Subgruppe der Frauen das kardiovaskuläre Risiko am stärksten unterschätzt. Unterschiede sind auch bei Autoantikörpern auszumachen, so sind Rheumafaktor (RF)-IgM+ häufiger bei Frauen, dafür lassen sich RF-IgG+ und -IgA+ öfter bei Männern nachweisen, bei den Anti-CCP-Antikörpern bestehen keine Differenzen. Ein letzter Punkt: Vor der Diagnosestellung werden Frauen häufiger als Männer hausärztlich oder rheumatologisch vorstellig (Männer öfter in der Rettungsstelle) und sie erhalten auch häufiger Bildgebungsuntersuchungen (Röntgen, Ultraschall, MRT). Auch bleiben Frauen nach der Diagnosestellung mit größerer Wahrscheinlichkeit rheumatologisch angebunden.

Kollagenosen: Frauen trifft es häufiger, Männer dafür heftiger

Die eher undankbare Aufgabe, die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Kollagenosen trotz einer unbefriedigenden Datenbasis herauszuarbeiten, nahm Dr. Johanna Mucke, Düsseldorf, in Angriff. Bekannt ist, dass bei systemischer Sklerose (SSc) wiederum 3x mehr Frauen als Männer betroffen sind, beim systemischen Lupus erythematodes (SLE), bei Mischkollagenosen und beim Sjögren-Syndrom beträgt das Verhältnis jeweils um 9:1. Hierfür verantwortlich sind wiederum Unterschiede im Immunsystem, die umgekehrt das höhere Malignomrisiko von Männern erklären, Sexualhormone (Testosteron vs. Östradiol) und auch genetische Aspekte.

Zwar sind Männer seltener betroffen, scheinen aber oft eine schlechtere Prognose zu haben. Beim SLE belegt sind ein für Männer späteres Erkrankungs- und Diagnosealter und (in zwei Studien) eine erhöhte Mortalität, die Datenlage zu Schubraten und Medikamenten ist aber uneinheitlich. Häufiger als bei Frauen sind schwere Manifestationen (neuropsychiatrisch und renal) und mehr Krankheitsschäden, seltener Raynaud-Phänomen und muskuloskelettale Beschwerden. Männliche SSc-Patienten sind häufiger ANA-negativ, häufiger Scl 70+, weisen öfter eine diffus-kutane SSc auf, haben eine höhere Krankheitsaktivität, höheres CRP und mehr pulmonale und muskuloskelettale Manifestationen. Gehäuft kommt es bei ihnen zu schweren digitalen Ulzerationen, erhöht sind die Risiken für kardiale Manifestationen, eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD; dann auch mit schlechterer Prognose im Vergleich zu Frauen) und eine renale Krise – unklar ist dies für die pulmonal-arterielle Hypertonie. Die Mortalität von Männern ist deutlich erhöht (Hazard Ratio, HR 1,57). Nur relativ schlecht untersucht sind diese Aspekte beim Sjögren-Syndrom, zu beachten ist vor allem das bei Männern frühere und auch häufigere Auftreten von Lymphomen (Prävalenz 15,4 vs. 4-9 %). Ansonsten finden sich bei Männern seltener ANAs, extraglanduläre Manifestationen und weitere Autoimmunerkrankungen. Keine validen Aussagen sind in Ermangelung von Daten zu den entzündlichen Myositiden möglich – es bleibt also noch viel zu tun! 

Kompakt: Ausfühlich werden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in einem aktuellen, lesenswerten Review von Dr. Katinka Albrecht und Prof. Dr. Anja Strangfeld, beide Berlin, dargelegt (Innere Medizin 2023; 64: 744-715), das auch online abrufbar ist.

Quelle: Versorgungs-Sitzung „One size fits all? Geschlechterspezifische Unterschiede in der Rheumatologie“, 31. August 2023