STILL-SYNDROM

Erste EULAR/PRES-Empfehlungen zu Diagnostik und Management

Am Schlusstag des EULAR-Kongresses stellten Bruno Fautrel, Paris (Frankreich), und Fabrizio de Benedetti, Rom (Italien), die von einer Task Force entwickelten gemeinsamen Empfehlungen der EULAR und Pediatric Rheumatology European Association (PRES) zu Diagnostik und Management der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) und dem adulten Still-Syndrom (AOSD) vor, die künftig nur noch als Still-Syndrom bezeichnet werden sollen.

Nach einem Literaturreview und Abstimmungsverfahren verabschiedete die 33-köpfige Task Force aus Erwachsenen- und pädiatrischen Rheumatologen drei „Overarching Principles“ und 14 spezifische Empfehlungen. Mit den ersten beginnend, wird betont, dass es sich bei der sJIA und AOSD um dieselbe Erkrankung handelt, und daher einheitlich als Still-Syndrom bezeichnet werden sollte, also unabhängig vom Erkrankungsalter. Zweitens sollten die Therapieziele und -strategien auf einem „shared decision making“ zwischen Eltern bzw. Patienten und dem Behandlungsteam basieren. Eine zielorientierte Therapie (Treat-to-target, T2T) durch regelmäßige Bestimmung der Krankheitsaktivität und entsprechenden Anpassung der Therapie ist wichtig. Ultimatives Ziel ist die medikamentenfreie Remission. Drittens sollte ein Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) sofort erkannt und rasch behandelt werden.  

Empfehlungen zur Diagnostik

Zunächst gibt es drei Empfehlungen zur Diagnostik: 1) Um eine rasche Diagnose und frühe Therapieeinleitung zu erleichtern, sollten operationale Definitionen genutzt werden, um Patienten mit Still-Syndrom zu identifizieren. Dies betrifft Fieber (typischerweise mit Fieberspitzen ≥39 °C für ≥7 Tage), Hautausschlag (transient, parallel zu den Fieberspitzen, präferenziell den Rumpf betreffend, typischerweise erythematös und lachsfarben, aber auch andere Ausschlagformen sind mit der Diagnose vereinbar), muskuloskelettale Beteiligung (meistens Arthralgie/Myalgie; eine offenkundige Arthritis ist unterstützend, aber nicht für Diagnose erforderlich, kann  sich auch später entwickeln) und  hohe Entzündungsspiegel (typischerweise Neutrophilie, erhöhtes Serum-CRP und Ferritin). 2) Eine markante Erhöhung von Interleukin (IL)-18 und/oder S100-Proteinen (z. B. Calprotectin) stützt in hohem Maß die Diagnose, diese Marker sollten daher (so verfügbar) bestimmt werden. 3) Alternative Diagnosen wie Malignitäten, Infektionskrankheiten, andere immunvermittelte entzündliche Erkrankungen und monogenetische autoinflammatorische Erkrankungen sollten sorgfältig in Betracht gezogen werden.

Behandlungsziele und Therapiestrategien

Nun zu Zielen und Timing: 4) Eine klinisch inaktive Erkrankung (CID) ist definiert als das Fehlen von mit dem Still-Syndrom assoziierten Symptomen und normales ESR oder CRP. Remission ist definiert als eine Phase ≥6 Monate mit CID. (Auf der Research Agenda steht die Festlegung auf ein einziges Kriterium für die Messung der Krankheitsaktivität). 5) Um das ultimative Ziel zu erreichen (medikamentenfreie Remission), werden folgende Zwischenziele empfohlen: An Tag 7 Fieberrückgang und CRP-Reduktion ≥50 %, zu Woche 4 kein Fieber, Reduktion aktiver (geschwollener) Gelenke >50 %, normales CRP und globales Arzt- bzw. Eltern/Patientenurteil <20 auf VAS 0-100), zu Monat 3 CID mit Glukokortikoiden (GK) <0,1 bzw. 0,2 mg/kg/Tag und zu Monat 6 eine CID ohne GK. Zur Therapie: 6) NSAR sind symptomatische Therapien, die zur Überbrückung während der Untersuchungen genutzt werden können. GK sind effektiv, jedoch muss der langfristige Einsatz systemischer GK zum Erreichen und Aufrechterhalten der Ziele vermieden werden. Die Effektivität von IL-1- und IL-6-Inhibitoren wird durch hochwertige Evidenz gestützt und diese sollten daher prioritär eingesetzt werden. 7) Ein IL-1- oder IL-6-Inhibitor sollte so früh wie möglich nach Sicherung der Diagnose initiiert werden. Dies geht über die aktuellen DGRh-Empfehlungen zur AOSD hinaus und wird mit der Nutzung des „window of opportunity“ begründet. 8) Die Erhaltung einer CID für 3-6 Monate ohne GK sollte erreicht sein, bevor man mit einem Tapering von bDMARDs beginnt.

Management von Komplikationen

Nun zum Umgang mit Komplikationen: 9) Schwere bzw. lebensbedrohliche Komplikationen, einschließlich MAS und Lungenerkrankungen (LD), können sich zu jedem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf entwickeln. Patienten sollten aktiv gescreent und überwacht werden. 10) Ein MAS sollte in Betracht gezogen werden bei Patienten mit Fieber, Splenomegalie, erhöhtem oder ansteigendem Serum-Ferritin, niedrigen Zellzahlen, abnormer Leberfunktion, intravaskulärer Aktivierung von Koagulation und erhöhten oder steigenden Serum-Triglyzeriden. Um die MAS-Diagnose zu erleichtern, können Scores (M- oder H-Score) oder Klassifikationskriterien (MAS-Kriterien 2016) genutzt werden. 11) Die Therapie des MAS muss hochdosierte GK einschließen. Zusätzlich sollten Anakinra, Ciclosporin und/oder Interferon (IFN)g-Inhibitoren als Bestandteil der Initialtherapie in Betracht gezogen werden. 12) Es sollte ein aktives LD-Screening mit Suche nach klinischen Symptomen (z. B. Clubbing, persistierender Husten, Dyspnoe) und Lungenfunktionstests (Pulsoxymetrie, DLCO-Bestimmung) erfolgen. Bei allen Patienten mit klinischem Verdacht sollte ein HRCT durchgeführt werden. 13) Es liegt keine ausreichende Evidenz vor, Patienten mit neu aufgetretenem Still-Syndrom und LD-Risikofaktoren eine First-line-Therapie mit IL-1- oder IL-6-Inhibitoren vorzuenthalten oder sie bei solchen, die eine Still-Syndrom-LD entwickeln, abzusetzen. Basierend auf dem gegenwärtigen Verständnis der Pathogenese, kann eine T-Zell-gerichtete Therapie bei Patienten mit sich entwickelnder Still-Syndrom-LD erwogen werden.

14) Schwer zu behandelnde („difficult-to-treat“) Patienten, solche mit schwerem MAS oder mit einer LD sollten in Zusammenarbeit mit Still-Syndrom-Expertenzentren gemanagt werden.

Kompakt

Die gemeinsamen EULAR/PRES-Empfehlungen sind ein guter Schritt, ob sich die neue Namensgebung in der täglichen Praxis durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Insgesamt erfolgt bezüglich der Therapie in gewisser Hinsicht eine Angleichung der „AOSD“-Empfehlungen an jene der sJIA mit früher Anwendung von IL-1- oder IL-6-Inhibitoren. Auch ein Therapiealgorithmus wurde bereits erstellt, wird hier aber – da noch nicht final abgestimmt – nicht dargestellt. Mit einer Publikation könnte noch in diesem Jahr zu rechnen sein.

 

Quelle: EULAR Recommendations Session, Mailand, 3. Juni 2023