RHEUMATOLOGISCHE ERKRANKUNGEN IM ALTER

Erhebliche Herausforderungen bei Diagnostik und Therapie

Bei älteren Menschen gestaltet sich bereits die Diagnostik entzündlich-rheumatischer Erkrankungen (ERE) wie der rheumatoiden Arthritis (RA) schwieriger als bei jüngeren, das Therapiemanagement wird zudem durch die häufige Polymedikation aufgrund diverser Komorbiditäten erschwert. Dennoch sollten, waren sich Experten auf einer der sicherlich interessantesten Sitzungen des DGRh-Kongresses einig, älteren RA-Patienten zielgerichtet wirksame Therapien nicht vorenthalten werden.

Über diagnostische Fallstricke bei älteren Patienten berichtete Dr. Björn Bühring, Wuppertal. Das erste Problem, das sich bei älteren Patienten stellt, ist die breitere Differenzialdiagnose von Gelenksymptomen, so können sich hinter einer Polyarthritis z. B. auch eine Polymyalgia rheumatica, das RS3PE-Sydrom, Kristallarthropathien (etwa CPPD) aber auch Neoplasien verbergen. Er empfahl, gezielt nach Erkrankungen zu suchen, die die gleichen oder ähnliche Beschwerden verursachen können. Auch ist zu beachten, dass sich ERE in höherem Alter mit anderen Symptomen manifestieren können, was eine gezielte Auswahl geeigneter Untersuchungsmethoden, z. B. bildgebenden Verfahren wie dem Ultraschall (etwa zum Ausschluss einer Chondrokalzinose etc.) erforderlich macht. Jedoch wird andererseits auch die Interpretation von MRT- oder Laborbefunden bei betagten Patienten schwieriger.

Die Anamnese kann bei älteren Menschen zudem durch unterschiedlichste Faktoren (kognitive Defizite, Schwerhörigkeit, Depression etc.) eingeschränkt sein, weshalb ein geriatrisches Assessment sinnvoll ist, um nach den häufigsten geriatrischen Symptomen zu suchen. Ein weiterer Punkt: Das „chronologische“ und „biologische“ Alter sind zwei Paar Schuhe. Auch hier kann das Ergebnis eines kurzen geriatrischen Assessments gute Anhaltspunkte für das weitere therapeutische Vorgehen liefern, so Bühring.

Zu beachtende Wechselwirkungen und Dosisanpassungen

Dass die Therapie älterer Patienten äußerst komplex ist, verdeutlichte im Anschluss Prof. Dr. Anja Strangfeld, Berlin. So steigt die Anzahl dokumentierter Diagnosen mit dem Alter an mit dem Ergebnis eine Polymedikation infolge von Multimorbidität. Über 55 % der >70-Jährigen nimmt ≥5 Wirkstoffe/Tag ein, bei den über 80- bzw. 90-Jährigen sind es 68 bzw. 72 % – die Gefahr von Wechselwirkungen ist vorprogrammiert. Zusätzlich zu beachten ist eine veränderte Pharmakokinetik, etwa eine verzögerte renale Elimination, was eine Dosisanpassung oder gar Kontraindikation bedeuten kann.

Potenziell inadäquate Medikamente für Ältere sind in der PRISCUS-Liste aufgeführt, gut 30 % der >80-Jährigen erhalten dennoch Arzneien aus dieser Liste. Positiv ist, dass sich keines der in der Rheumatologie verwendeten csDMARDs, bDMARDs oder tsDMARDs auf der PRISCUS-Liste befindet. Hier ergeben sich die größten Risiken durch zu lange und zu hoch dosierte Gaben von Glukokortikoiden (GK) und NSAR.

Einige Wechselwirkungen und Beschränkungen bei höherem Alter sind aber durch die veränderte Pharmakokinetik dennoch zu beachten und wurden in einer Stellungnahme der DGRh zusammengefasst (Z Rheumatol 2023; 82(2): 151-162). Relevante Wechselwirkungen bestehen z. B. zwischen Methotrexat (MTX) und ASS in analgetischer Dosierung sowie (in Abhängigkeit von der Nierenfunktion) mit NSAR. Besonders riskant ist die Kombination von MTX und Metamizol aufgrund eines erhöhten Risikos für Agranulozytosen mit einer Letalität von 17 %. Auch die Kombination von Isoniazid mit MTX bzw. Leflunomid sowie von Probenecid oder Penicillin mit MTX kann Probleme bereiten. Im Falle von Hydroxychloroquin sollte die Kombination mit Azithromycin und Tamoxifen vermieden werden, für Sulfasalazin sind Konflikte mit Cyclosporin, Eisenpräparaten und Digoxin zu beachten.

Für Tofacitinib und auch Upadacitinib sind relevante Wechselwirkungen mit CYP3A4-Inhibitoren (Fluconazol, Ketoconazol, Cyclosporin) oder -Induktoren (z. B. Rifampicin) ins Kalkül zu ziehen, evtl. auch für Baricitinib (durch die OAT3-Metabolisierung) in Kombination mit Probenecid. Abgestuft nach Alter und Nierenfunktion werden konkrete Angaben zu Dosisanpassungen und Kontraindikationen inkl. möglicher Alternativen gemacht, wobei stets auch – Basisuntersuchung und Monitoring sind hier essenziell – das biologische, und nicht nur das kalendarische Alter relevant ist.

Zu viel Steroide und zu wenig Biologika sind das Problem

Ein großes Dilemma besteht laut Strangfeld bei Älteren in der hohen Krankheitslast (stärkere Funktionseinschränkung, Schmerzen, Fatigue/Müdigkeit, Schlafstörungen) und einem oft hohen GK-Bedarf. Beachtlich ist die hohe GK-Verordnungsrate insbesondere ab einem Alter >80 Jahre (52 %) – oft kommt hier ein Langzeitgebrauch zum Tragen – , zugleich fällt in dieser Altersgruppe (aber auch schon bei >70-Jährigen) die Verordnungsrate von bDMARDs und tsDMARDs (dies verstärkt sich noch durch die Einschränkungen für JAK-Inhibitoren) merklich ab. Tatsächlich scheint nach csDMARD-Versagen das Alter eine sehr große Rolle in der Therapieentscheidung z. B. für die Eskalation auf ein bDMARD zu spielen – dies vor allem bei >80-Jährigen.

In einer Rheumatologen-Befragung schälte sich heraus, dass bei älteren RA-Patienten der wichtigste Parameter für eine Therapiefortsetzung versus -intensivierung der Erhalt der Funktionskapazität, also der Aktivitäten des täglichen Lebens, war, während das Ziel einer DAS28-Remission in den Hintergrund trat. Allerdings ist aus dem RABBIT-Register bekannt, dass sich auch bei älteren RA-Patienten das Erreichen einer funktionellen Unabhängigkeit mit bDMARDs häufiger erreichen lässt. Auch ist das Ansprechen auf bDMARDs (egal ob z. B. Adalimumab, Tocilizumab, Abatacept oder Rituximab) keineswegs schlechter, was sich auch an einer ebenso hohen Therapiekontinuität wie bei den Jüngeren ablesen lässt.

Aufgrund des mit Komorbiditäten und vor allem GK in steigender Dosierung verbundenen hohen Infektionsrisikos sollten GK im Alter zurückeschraubt werden. Bei >65-jährigen RA-Patienten auf cs- und/oder bDMARDs waren GK der primäre Treiber für schwerwiegende, hospitalisierungspflichtige Infektionen. So betrug z. B. in einer retrospektiven japanischen Studie das Risiko für hospitalisierte Infektionen bei RA bei >75-Jährigen unter bDMARDs 29,8 %, unter GK aber 55,5 %. Ein interessanter Befund war zudem, dass in dieser Altersgruppe die Inzidenzrate von Infektionen unter MTX (Inzidenzrate, IR 11,0) höher als unter bDMARDs/JAK-Inhibitoren (IR 8,7) war, entsprechend einer IRR von 0,8 für den Vergleich von bDMARDs/JAK-Inhibitoren versus MTX. Auch Daten des RABBIT-Registers verdeutlichen, dass GK in höherer Dosierung, Komorbiditäten (COPD, Typ-2-Diabetes, Niereninsuffizienz) und eine höhere Krankheitsaktivität, nicht aber bDMARDs oder JAK-Inhibitoren (vs. csDMARD) mit schwerwiegenden Infektionen assoziiert sind – dies gilt auch für die Mortalität, kardiovaskuläre und interstitielle Lungenerkrankungen. Auch in puncto Herpes Zoster (Impfen!) stellen neben JAK-Hemmern vor allem hochdosierte GK ein Problem dar.

Nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen, Risiken und Patientenpräferenz sollten bDMARDs im Alter häufiger (anstelle von GK) erwogen werden, resümierte Strangfeld.

Quelle: Plenarsitzung „Herausforderungen bei rheumatischen Erkrankungen im Alter“, 1. September 2023