DIGITALE PATIENTENINFORMATION

DiRhIS – ein digitaler Ansatz zur besseren Information von Patienten

Dr. Christopher Amberger

Dr. Christopher Amberger

Bernd Ganser

Bernd Ganser

Die BDRh Service GmbH und das Startup medicstream haben das Projekt DiRhIS (Digitales Rheumatologisches Informationssystem) ins Leben gerufen. Im Interview beantworten Dr. med Christopher Amberger, medizinischer Leiter des Projekts und Bernd Ganser, Gründer und Geschäftsführer von medicstream, die wichtigsten Fragen zum Vorhaben.

Dr. med. Christopher Amberger ist Facharzt für Innere Medizin – Rheumatologie/Immunologie. Nach Studium, Weiterbildung und Tätigkeit an der Eberhard Karls Universität Tübingen ist er seit 2006 in Bad Neuenahr niedergelassen. Er ist Mitentwickler von DiRhIS und begleitet das Projekt von medizinischer Seite.

Bernd Ganser ist einer der Gründer und Geschäftsführer von medicstream. Nach dem Studium der Chemie war er von 2004 bis 2022 in verschiedenen Positionen bei internationalen pharmazeutischen Herstellern tätig, zuletzt als Projektmanager für Digitale Projekte im Bereich Patientenversorgung. Berufsbegleitend absolvierte er noch den Masterstudiengang Healthcare Management.

Das Startup medicstream wurde 2019 gegründet mit dem Ziel, die Arzt-Patienten-Kommunikation digital zu unterstützen. Dazu wurde eine Plattformlösung entwickelt, die mit einem Angebot an allgemeinverständlichen Informationen zu Indikationen, Therapieansätzen und Medikamenten versehen werden kann. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Informationen und Zugänge zu digitalen Kursen, Apps, digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) etc. zur Verfügung zu stellen.

Was ist die Idee hinter DiRhIS?

Christoph Amberger: Wir stehen als niedergelassene Rheumatologen vor der Herausforderung, Patienten nicht nur optimal zu versorgen, sondern auch bestens zu informieren. Dies geschieht natürlich im direkten Gespräch mit Patienten und soll auch weiter so bleiben. Allerdings reicht die Zeit, die pro Patient zur Verfügung steht, oft nicht aus, um alle Punkte in der Tiefe zu besprechen. Darüber hinaus wissen wir nicht, ob alle Informationen beim Patienten auch ankommen bzw. wie viel davon „hängen bleibt“.

Es ist ja ein täglich erlebtes Dilemma, dass uns einerseits aufgrund der Versorgungssituation immer weniger Zeit für den Patienten zur Verfügung steht, andererseits das Grundprinzip des „shared decision making“ in der modernen Therapie der Patienten, welches in vielen aktuellen Leitlinien allem voransteht, sogar voraussetzt, dass der Patient gut informiert ist. Mit DiRhIS wollen wir versuchen eine Antwort auf die Frage zu geben: „Wie können wir in der Kürze der Zeit den Patienten informieren und idealerweise dazu befähigen, auf Augenhöhe mitzuentscheiden?“.

Insofern ist es sehr hilfreich, wenn der Patient nicht nur im Gespräch Informationen erhält, sondern auch Zusatzinformationen, von denen ich als behandelnder Arzt weiß, dass sie qualitativ hochwertig sind, und die er zuhause bei Bedarf jederzeit abrufen kann.

Und wie genau soll das gehen?

Christoph Amberger: Patienten suchen heute ohnehin im Internet nach Informationen. Mit dem Projekt wollen wir die Behandlungsteams in die Lage versetzen, ihre Patienten besser mit digitalen Informationen und Angeboten zu versorgen. Dazu sollen seriöse Informationen aus den heute schon bestehenden digitalen Angeboten für Patienten auf der von medicstream zur Verfügung gestellten Plattform zusammengeführt werden. Das heißt, dass wir eine einheitliche Anlaufstelle für gute Informationen schaffen wollen.

Neu an DiRhIS ist, dass der Arzt bzw. das Behandlungsteam aus diesem Angebot ein passendes „Infopaket“ zusammenstellen können. Der Patient bekommt vom Arzt die Informationen, die er zu diesem Zeitpunkt benötigt und wird nicht von der großen Auswahl im Internet erschlagen. Die Praxen sollen damit ein Werkzeug an die Hand bekommen, ihre Patienten mit guten Informationen und, in einem zweiten Schritt, zusätzlich mit digitalen Angeboten rund um die Themen Diagnose, Therapie und Leben mit der Erkrankung zu versorgen.

Bernd Ganser: Wir arbeiten dabei nicht über eine weitere App, sondern nutzen zur Übermittlung u. a. die E-Mail. Diese enthält einen Link, der zum Infokorb führt. Der Patient wird dabei direkt von der Praxis angesprochen und auch die Ansicht des Infokorbs kann mit dem jeweiligen Praxis-Logo versehen werden. medicstream bleibt dabei visuell bewusst im Hintergrund. Unser Ziel ist es, die Arzt-Patienten-Kommunikation zu unterstützen.

Welche Informationen soll DiRhIS enthalten?

Christoph Amberger: Wir wollen zunächst voraussichtlich mit den Krankheitsbildern rheumatoide Arthritis, axiale Spondyloarthritis, Psoriasis-Arthritis, SLE, Sklerodermie und Sjögren-Syndrom beginnen. Wie schon erwähnt soll es um die Themen rund um Krankheit, Therapie wie auch Leben mit der Erkrankung gehen (s. Abb.).

Bernd Ganser: Als Formate können Texte, Videos aber auch Audiobeiträge, z. B. aus Podcasts, verwendet werden. Gutes Beispiel sind hier die Clips aus dem Rheuma Video Coach-Projekt, die zum Versand eingebunden werden sollen. Des Weiteren würden wir uns freuen, wenn Patientenorganisationen sich bereit erklären würden mit uns zu kooperieren und wir auch diese Angebote mit einbinden dürfen. Erste Gespräche diesbezüglich haben schon stattgefunden. Ideal wäre natürlich auch eine Einbindung der pharmazeutischen Hersteller, die z. T. sehr gut gemachte Informationsangebote für Patienten im Internet zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus sollen in einem weiteren Schritt auch digitale Angebote wie z. B. virtuelle Kursangebote, weiterführende Apps, begleitende digitale Programme der pharmazeutischen Hersteller oder auch Informationen zu DiGAs Teil des Angebots werden. Diese werden natürlich nicht bei DiRhIS gehostet. Versendbar für die Praxen sollen aber Informationen zu diesen Angeboten, z. B. in Form von Videoclips, und natürlich der Link zum Angebot werden.

Möchte ein Arzt seinen Patienten also ein solches Angebot ans Herz legen, kann er weiterführende Informationen nach dem Gespräch einfach dem Infokorb zufügen. Patienten können sich dann in Ruhe zu Hause informieren und entscheiden, ob sie das Angebot in Anspruch nehmen wollen und über den Link dann sofort Zugang dazu erhalten.

Wie soll die Qualität der Informationen gewährleistet werden?

Christoph Amberger: Das war bei den vorbereitenden Gesprächen zum Projekt ein zentrales Thema, da der Versand ja vom Arzt bzw. der Praxis ausgeht und sowohl Arzt als auch Patienten darauf vertrauen müssen, dass die Informationen medizinisch korrekt und aktuell sind. Außerdem ist es uns wichtig, dass alle Informationen auf einen eventuellen unzulässigen Werbecharakter geprüft wurden.

Wir haben uns entschieden, ein unter Leitung des BDRh arbeitendes Redaktionsgremium aufzubauen. Dieses soll aus Vertretern der Ärzteschaft, der Rheumatologischen Fachassistenz (RFA) und Patientenvertretern bestehen und alle Informationen auf Qualität, Unabhängigkeit und auch regelmäßig auf Aktualität prüfen. Ich freue mich darauf, Teil dieses Gremiums zu werden.

Wie kam es zu dem Projekt?

Christoph Amberger: Bernd Ganser, einer der Gründer unseres Kooperationspartners medicstream, hat mich von dem Konzept der Plattformlösung für Praxen überzeugt. Ich habe dann, als ersten Schritt, vorgeschlagen, die Idee, angepasst auf die Rheumatologie, auf dem diesjährigen Digitalgipfel des BDRh als Poster vorzustellen.

Bernd Ganser: Genau. Auf dem Digitalgipfel hatte ich dann die Gelegenheit sowohl Frau Dr. Zinke als auch Frau Froschauer das Konzept näher vorzustellen. Die beiden haben es dann ermöglicht, dass wir auf dem BDRh-Kongress im April einen ersten Show Case mit ein paar Videos des Rheuma Video Coachs vorstellen konnten. Da das Konzept auch dort gut angekommen ist und auch der Fachverband Rheumatologischen Fachassistenz  das Projekt unterstützt, haben wir dann mit der BDRh Service GmbH eine Kooperation vereinbart. Auf dem DGRh-Kongress in Leipzig haben wir inzwischen gemeinsam mit dem BDRh das Konzept bei weiteren potenziellen Partnern vorgestellt und gehen nun in weitere Gespräche.

Christoph Amberger: Ich habe dann gerne zugestimmt, das Projekt federführend medizinisch zu betreuen und gemeinsam mit dem BDRh und medicstream weiter voranzutreiben.

Welche Vorteile sehen Sie für die Praxen?

Christoph Amberger: DiRhIS ermöglicht es uns mit ein paar Klicks aus einem breiten Angebot an Informationen ein maßgeschneidertes Paket für Patienten zusammenzustellen, passend zum aktuellen Informationsbedarf. Wenn man so will, ist dies die digitale Weiterentwicklung der Merkblatt- und Broschürensammlung. Mit dem großen Unterschied, dass der Praxis dann jederzeit alle Informationen, und dies zudem auf dem neuesten Stand, zur Verfügung stehen.

Des Weiteren sehen wir auch die Möglichkeit bei der Aufklärung zu den in der Behandlung eingesetzten Präparaten (und Devices) neue Wege zu gehen, indem wir Gedrucktes durch Videoclips ersetzen. Da wir perspektivisch auch digitale Angebote (Kurse, DiGAs, …) mit einbeziehen wollen, können wir diese dann auch ohne den Medienbruch über Flyer übermitteln.

Wie profitiert der Patient davon?

Christoph Amberger: Patienten erhalten zielgerichtet die Informationen von der Praxis begleitend zu den Gesprächen in der Praxis direkt auf ihr Smartphone oder ihren Rechner. Gerade im hektischen Praxisalltag ist das eine wichtige Unterstützung, die unsere Gespräche wertvoll ergänzen.

Wer macht schon mit und wer kann sich außerdem noch beteiligen?

Christoph Amberger: Neben dem BDRh und der BDRh Service GmbH, die das Projekt ins Leben gerufen haben, unterstützen bisher der Fachverband Rheumatologische Fachassistenz sowie die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew das Vorhaben aktiv. Des Weiteren stehen wir selbstverständlich in engem Kontakt zu Vertretern der Deutschen Rheuma-Liga. Gespräche mit Interessenten aus der Industrie laufen ebenfalls.

Unser mittelfristiges Ziel ist es, möglichst alle (seriösen) Anbieter von Informationen und dann auch von digitalen Lösungen, die für die Rheumatologie existieren, mit ins Boot zu holen, um ein breites Angebot für Praxen zur Unterstützung der Patienten zu schaffen. Unsere Aufgabe wird es dann sein, dies alles möglichst anwenderfreundlich zu strukturieren.

Wir laden hiermit alle Interessenten, die Informationen mit einbringen wollen, ein, sich bei der BDRh Service GmbH zu melden. Natürlich würden wir uns auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt über Interessensbekundungen von Praxen und Kliniken freuen.

Was sind die nächsten Schritte?

Bernd Ganser: Zunächst wollen wir die Gespräche mit potenziellen Kooperationspartnern führen, die sich bisher gemeldet haben und ein kuratiertes Angebot für den Start des Projekts erstellen. Dieses soll dann nach und nach erweitert werden. In weiteren Ausbaustufen sollen dann Apps etc. integriert werden. Geplant ist ebenfalls, die Informationen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Ab wann können interessierte Praxen mit dem System arbeiten?

Christoph Amberger: Das ist natürlich stark abhängig vom Verlauf der kommenden Gespräche, aber wir hoffen, dass wir im Q1 oder Q2 2024 starten können.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!