MEDIZINRECHT

Digitalisierung im Gesundheitswesen: das Patientendaten-Schutzgesetz

Das Patientendaten-Schutzgesetz (kurz: PDSG) stellt einen weiteren gesetzgeberischen Baustein für mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen dar. Ziel des Gesetzes ist es, digitale Lösungen schnell zum Patienten zu bringen und dabei sensible Gesundheitsdaten bestmöglich zu schützen.  Einen Referentenentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur, Patientendaten-Schutzgesetz – PDSG“ hat das Bundesministerium für Gesundheit Ende Januar vorgelegt.

Das PDSG ergänzt und konkretisiert die Voraussetzungen und den Umgang mit der durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (kurz: TSVG) eigeführten elektronischen Patientenakte (kurz: ePA). Darüber hinaus werden die technischen Rahmenbedingungen für das mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (kurz: GSAV) eingeführte elektronische Rezept (E-Rezept) und die digitale Übermittlung von Facharzt-Überweisungen statuiert.

Wesentliche Inhalte – Fokus ePA

Die ePA als Kernelement der digitalen medizinischen Anwendungen wird weiterentwickelt und konkretisiert. Dabei stellt das PDSG klar, dass die Nutzung der ePA für die Versicherten freiwillig ist, und regelt dezidierte Zugriffsrechte. Haben die Versicherten bereits jetzt einen Anspruch gegenüber ihrer Krankenkasse, dass diese die ePA ab 2021 bereitstellen, erhalten sie durch das PDSG das weitere Recht, dass die ePA im Rahmen des Behandlungskontextes auch befüllt wird. Konkret bedeutet dies, dass die Daten in die ePA eingetragen, aktualisiert und gepflegt werden. Zu den Daten zählen Befunde, Arztberichte oder Röntgenbilder und ab 2022 auch der Impfausweis, der Mutterpass, das gelbe U-Heft für Kinder und das Zahn-Bonusheft.

Kernpunkt des PDSG ist, dass der Patient Herr seiner Daten bleibt. Er entscheidet, welche Daten gespeichert oder gelöscht werden und wer im Einzelfall auf die Daten zugreifen darf. Ab 2022 soll den Versicherten zudem ermöglicht werden, ganz konkret zu bestimmen, welche Datensätze im Einzelfall von wem eingesehen werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann es also sein, dass ein Arzt zwar auf die ePA zugreifen darf, ihm aber bestimmte Befunde nicht angezeigt werden.

Des Weiteren erhalten Versicherte ab 2023 die Möglichkeit einer Datenspende, d. h. Daten ihrer ePA freiwillig der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung zu stellen. Der für die Karteikarte geltende Beschlagnahmeschutz wird auf die ePA ausgedehnt, damit das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger gewahrt bleibt. 

Was bedeutet das für Ärzte?

Für Ärzte bedeutet mehr Digitalisierung zunächst die Pflicht, sich an die Telematikinfrastruktur anzuschließen. Die Umsetzung erfolgt laut dem Digitalen-Versorgungs-Gesetz (DVG) für die unterschiedlichen Leistungserbringer gestaffelt. Arztpraxen müssen sich bis März 2020 anschließen lassen, ansonsten drohen Honorarkürzungen von 2,5 %. Zudem müssen sie gemäß dem PDSG gegenüber der jeweils zuständigen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung nachweisen, dass sie über die für den Zugriff auf die ePA erforderlichen Komponenten und Dienste verfügen. Wird der Nachweis nicht bis zum 30. Juni 2021 erbracht, findet eine Honorarkürzung um pauschal 1 % solange statt, bis der Nachweis erbracht ist. 

Mit dem Befüllen der ePA gehen für Leistungserbringer zudem Aufklärungs- und Informationspflichten einher, beispielsweise über Versorgungsziele und die grundsätzliche Funktionsweise der ePA. Für die Unterstützung der Versicherten bei der Nutzung der ePA sowie für die Verarbeitung von Daten in der ePA, wozu auch das Befüllen zählt, erhalten Vertragsärzte und Apotheker einmalig eine Vergütung. Ebenso sollen Krankenhäuser einen Zuschlag erhalten. Ab dem 1. Januar 2022 wird die Leistungsvergütung für die erstmalige Befüllung elektronischer Patientenakten für den vertrags(zahn)ärztlichen Bereich in den entsprechenden Bundesmantelverträgen gesondert geregelt.

Kritik und Widerspruch

Erste Kritik wurde schnell sowohl von der KBV und dem Hartmannbund, als auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz laut. Während letztere einen „Geburtsfehler“ moniert, da Patienten in der Anfangsphase (d. h. vor 2022) dem Arzt nur die ganze Akte zur Einsicht oder gar nichts freigeben könnten, kritisiert die KBV, dass das PDSG in der aktuellen Form eher eine Belastung für Ärzte darstelle, die zu keiner Akzeptanz für die Digitalisierung im Gesundheitswesen durch die Ärzteschaft führen werde. Die Digitalisierung müsse sich daran messen lassen, wie sie die Versorgung verbessere und helfe, die Praxen zu entlasten. Die Arztpraxen als „Lesestube“ für elektronische Patientenakten nutzen zu wollen und ihnen damit Verwaltungsaufgaben der Krankenkassen zu übertragen, sei dabei kontraproduktiv. Der dafür erforderliche Aufwand sei angesichts der ohnehin schon am Limit arbeitenden Praxen nicht zu rechtfertigen. Ob sich diese Kritik im Praxisalltag bestätigen wird, bleibt abzuwarten.

Gleichzeitig stellt jedoch die Absicht des Gesetzgebers, den Versicherten die Entscheidung darüber zu überlassen, welchem Arzt Zugriff auf welche Daten der ePA ermöglicht werden soll, einen Widerspruch zum erklärten Ziel des PDSG dar, mit der ePA eine Datengrundlage zu schaffen, die eine einrichtungs-, fach- und sektorenübergreifende Nutzung erleichtert und dadurch Rückfragen und Doppeluntersuchungen vermeidet. Selbstverständlich muss der Patient im Rahmen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung frei über seine Daten bestimmen können; umfangreiche medizinische Informationen über die Krankheitsgeschichte eines Versicherten, die für eine schnelle medizinische Behandlung und Vermeidung von Doppeluntersuchungen erforderlich sind, könnten dann allerdings nicht mehr, wie im Rahmen des Gesetzes beabsichtigt, einrichtungs-, fach-, und sektorenübergreifend gewährleistet werden.          


Rechtsanwältin Anne Herzig
Fachanwältin für Medizinrecht
Kanzlei Tacke Krafft
Rindermarkt 3 und 4
80331 München