Bei der Beurteilung der aktuellen Evidenzlage zeigten sich Unterschiede zwischen dem primärärztlichen und fachärztlich-rheumatologischen Behandlungssetting mit z. T. unterschiedlichen Schweregraden der Erkrankung. Die primärärztliche Aufgabe besteht zunächst darin, den akuten Gichtanfall mit möglichst schneller Symptomkontrolle zu behandeln, während die Harnsäuresenkung von eher nachrangiger Bedeutung zu sein scheint ist. Im fachärztlich-rheumatologischen Setting stehen eher Patienten mit rezidivierenden Gichtanfällen, Gelenkdestruktionen und Tophi im Fokus. Von allen an der Leitlinie beteiligten Fachdisziplinen wurde konsentiert, dass es das primäre Therapieziel bei Patienten mit Gicht ist, Gichtanfälle und langfristig Gelenkschäden zu verhindern und die Funktionalität der Patienten zu erhalten.
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
Die Diagnose sollte unter Berücksichtigung von Anamnese (akuter Schmerz ohne Prodromi binnen 24 h, frühere Anfälle), Befund (Lokalisation, Rötung, Schwellung, Überwärmung, Tophi) und Serumharnsäurewert gestellt werden. In ätiologisch unklaren Fällen sollten weitere Untersuchungen erfolgen (Gelenkpunktion mit Polarisationsmikroskopie, Sonografie, ggf. DECT). Zur Differenzialdiagnose oder zur Diagnosebestätigung bei fortgeschrittener Gicht kann eine Röntgenaufnahme erwogen werden. Falls weder Bildgebung noch Punktion verfügbar sind, können notfalls die ACR/EULAR-Klassifikationskriterien verwendet werden (mit kritischer Überprüfung im Verlauf).
Die Behandlung eines akuten Gichtanfalls soll zeitnah mit Colchicin, Glukokortikoiden (GK) oder NSAR als gleichberechtigten Mitteln der ersten Wahl erfolgen. Die Auswahl des Medikaments soll in Abhängigkeit von bestehender Komedikation, Komorbiditäten und weiteren Kontraindikationen erfolgen. Falls sich die Symptomatik nicht innerhalb von 24-72 h verbessert, sollte eine Re-Evaluation und ggf. eine Therapieanpassung erfolgen. Beim ersten Gichtanfall sollten alle Therapieoptionen mit dem Patienten besprochen werden, um weitere Gichtanfälle zu verhindern. Um eine Harnsäuresenkung bei Patienten mit Gicht zu erreichen, sollte eine Therapie mit einem Xanthinoxidase-Inhibitor (XOI) bei einschränkendem/beeinträchtigendem Anfall oder >1 Gichtanfall/Jahr oder tophöser Gicht begonnen werden. Bei Patienten mit diagnostizierter Gicht unter XOI-Therapie sollte ein Serumharnsäurewert von <6 mg/dl (360 mmol/l) erreicht werden. Erwähnt sei ein DEGAM-Sondervotum, das sich für ein patientenzentriertes, an das individuelle Risiko und die Gichtlast adaptiertes Vorgehen (klinische Verlaufskontrollen, ggf. mit Dosisanpassungen und entsprechenden Laborkontrollen, aber keinen grundsätzlichen Treat-to-target [T2T]-Ansatz) ausspricht. Wenn Urikostatika nicht eingesetzt werden können oder trotz maximal möglicher Dosierung nicht ausreichend wirken, sollte die Harnsäuresenkung mit Urikosurika (ggf. in Kombination) erfolgen. Medikamente, die die Serumharnsäure erhöhen, insbesondere Schleifen- und Thiazid-Diuretika, sollten nur unter strenger Indikationsstellung eingesetzt werden, mögliche Alternativen sollten gesucht werden.
Eine Aufklärung der Gichtpatienten, dass Adipositas und Übergewicht sowie übermäßiger Alkoholkonsum das Risiko für Gichtanfälle erhöhen, sollte erfolgen. Auch wichtig: Eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit Reduktion des Fleischkonsums, pflanzenbetonter Ernährung, reduziertem Alkoholkonsum und Reduktion von mit Fructose angereicherten Lebensmittels kann Gichtpatienten empfohlen werden – für eine spezifische Diät, die Gichtanfälle reduziert, gibt es keine evidenzgesicherte Empfehlung.
Fazit
Aus rheumatologischer Sicht bringt die Leitlinie eher wenig Neues, gefragt sind die Rheumatologen, wie PD Dr. Anne-Kathrin Tausche, Dresden, bei einer anderen Session verdeutlichte, primär bei unklarer Diagnose (bzw. differenzialdiagnostischer Abklärung), schwieriger Akuttherapie (ggf. Bedarf für IL-1-Inhibitor), bei unzureichendem Ansprechen (auf Harnsäuresenker), schwerer Erkrankung mit Tophi und Gelenkdestruktion (die es durch ein konsequentes T2T zu vermeiden gilt) sowie komplizierenden Komorbiditäten. Details siehe: register.awmf.org/de/leitlinien/detail/060-005.
Quelle: Plenarsitzungen „DGRh-Leitlinien UpDate 2024“, „Kristallarthritiden“, 18./19. September 2024