COVID-19 UND RHEUMATOLOGIE

DGRh-Stellungnahme zu Auffrischimpfungen gegen SARS-CoV-2

Zuletzt sind von verschiedenen Institutionen Aussagen zu Auffrischimpfungen gegen SARS-CoV-2 veröffentlicht worden, die für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) und die sie betreuenden Rheumatologen Fragen aufwerfen. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) zusammen mit der Adhoc-Kommission COVID-19 der DGRh veröffentlichte nun eine Stellungnahme zur Sinnhaftigkeit von Auffrischimpfung von ERE-Patienten aufgrund einer potenziell nachlassenden Impfwirkung im zeitlichen Verlauf nach vollständiger Vakzinierung.

Zu beachten sind die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom 2. August 2021 sowie die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 6. August 2021. Die GMK beschloss vor dem Hintergrund erster Studienergebnisse zu einer potenziell reduzierten oder schnell nachlassenden Immunantwort nach vollständiger COVID-19-Impfung, dass ab September 2021 „...Patienten mit Immunschwäche oder Immunsuppression sowie Pflegebedürftige und Höchstbetagte ... durch ihre behandelnden … Ärzte eine Auffrischimpfung angeboten bekommen.“ Deren Notwendigkeit gelte speziell für relevant immungeschwächte Patienten sowie für Höchstbetagte und Pflegebedürftige und sollte in der Regel frühestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie angeboten werden. Das BMG hat den GMK-Beschluss in einen Referentenentwurf zur Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) übernommen. Eine Stellungnahme der STIKO zur Auffrischimpfung steht noch aus.

Auffrischimpfung ist nicht für alle ERE-Patienten erforderlich

Aus den Veröffentlichungen der GMK, des BMG und der FDA, die am 12. August die Erlaubnis erteilte, eine weitere Dosis eines mRNA-Impfstoffes bei vollständig Geimpften zu geben, wenn diese wegen einer Organtransplantation eine intensive therapeutische Immunsuppression erhalten oder wenn eine Erkrankung vorliegt, die zu einer gleichwertigen Beeinträchtigung des Immunsystems führt, ergibt sich die Frage, ob auch ERE-Patienten aufgrund der Erkrankung oder der immunmodulierenden Therapie zur Gruppe der Personen gehören, die eine Auffrischimpfung bekommen sollten.

Das Immunsystem von Höchstbetagten und Patienten unter maximaler Immunsuppression nach einer Organtransplantation ist funktionell eingeschränkt und kann oft keine adäquate Immunantwort und daher vermutlich keinen langanhaltenden Impfschutz entwickeln. Im Gegensatz dazu ist das Immunsystem von ERE-Patienten nicht in dem Maße funktionell beeinträchtigt, dass eine Abschwächung einer Impfantwort zu befürchten ist. Das gilt für die ERE an sich, aber auch für die meisten eingesetzten Medikamente. Viele Studien haben weltweit seit Beginn der Impfungen gezeigt, dass ERE-Patienten eine Impfantwort entwickeln und dass diese meist in Quantität und Qualität mit der von gesunden Personen vergleichbar ist. Es gibt zurzeit keine Daten, die belegen würden, dass ERE-Patienten durch die Impfungen nicht in dem Maße geschützt wären wie gesunde Personen oder dass der Impfschutz bei diesen kürzer sei als bei Personen ohne ERE. Generell besteht daher für die meisten ERE-Patienten zurzeit keine Notwendigkeit für eine Auffrischimpfung.

Wichtige Ausnahmen zu dieser generellen Empfehlung

Patienten, die zu einem Zeitpunkt geimpft wurden, zu dem die ERE hoch aktiv war, haben womöglich tatsächlich keinen adäquaten Impfschutz aufgebaut. Nach den Fachinformationen der Vakzine wird die Gabe eines Impfstoffs zu einem Zeitpunkt, an dem eine akute, schwere, fieberhafte Erkrankung vorliegt, nicht empfohlen. Es gibt keine ausreichenden Daten, mit denen ein Impferfolg in diesen Situationen belegt werden könnte. In Analogie zu anderen Situationen, bei denen eine gezielte Immunantwort beim Vorliegen einer schweren systemischen Entzündungsreaktion abgeschwächt verläuft, sollten daher diese Patienten individuell bezüglich einer Auffrischimpfung beraten werden. In diesem Fall könnte der Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern im peripheren Blut eine gewisse Information über die erreichte Impfantwort ermöglichen. Es wird betont, dass bei Personen, die zum Zeitpunkt der Impfung leichtes Fieber hatten, eine solche Abschwächung nicht zu befürchten ist und ein leichtes Fieber bei einer der Impfungen keine Auf-
frischimpfung begründet.

Patienten, die zum Zeitpunkt einer der Impfungen unter einer starken Immunsuppression standen, sollten so behandelt werden, wie Patienten unter einer Immunsuppression zur Vermeidung einer Transplantationsabstoßungsreaktion. Eine starke Immunsuppression wird ausdrücklich nicht durch NSAR, die meisten csDMARDs (z. B. Methotrexat, Leflunomid, Azathioprin [ohne wesentliche Lympho-/Leukopenie], Sulfasalazin, Hydroxychloroquin), die meisten bDMARDs (z. B. TNFa-Inhibitoren, Interleukin [IL]-1, IL-6-, IL-17-, IL-23-Inhibitoren), tsDMARDs (Januskinase [JAK]- und PDE-4-Inhibitoren) oder Glukokortikoide bis zu 10 mg/Tag Prednisolonäquivalent verursacht. Eine Abschwächung der Immunantwort ist dagegen belegt unter einer laufenden Therapie mit Rituximab und kann unter Abatacept oder auch Mycophenolat Mofetil und Cyclophosphamid nicht ausgeschlossen werden. Ob Patienten auch unter Belimumab eine eingeschränkte Immunantwort zeigen, ist nicht eindeutig geklärt.

Für Patienten, die während einer der Impfungen unter diesen Therapien standen und oder mit mehr als 10 mg/Tag Prednisolonäquivalent behandelt wurden, ist zwar nicht bewiesen, dass die individuelle Impfantwort abgeschwächt wurde, es kann aber eine Auffrischimpfung individuell diskutiert werden. Auch hier könnte der Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern im peripheren Blut einen Hinweis zur Impfantwort geben. In der individuellen Beratung sollten u. a. die Vorgabe der GMK berücksichtigt werden, dass eine Auffrischimpfung in der Regel frühestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie erfolgen sollte und ebenso die Empfehlung der EULAR, eine Impfung idealerweise frühestens vier Monate nach der letzten Rituximab-Gabe durchzuführen. Patienten mit primärer oder erworbener Immundefizienz sollen je nach Ausprägung der Erkrankung gemäß Empfehlung der GMK eine individuelle Beratung zur Auffrischimpfung erhalten.

Keine regelmäßige Bestimmung von SARS-CoV-2-Antikörpern

Mit Ausnahme dieser speziellen Situationen empfiehlt die DGRh weiterhin nachdrücklich, routinemäßige Bestimmungen von peripheren SARS-CoV-2-Antikörpern nicht durchzuführen und solche Testergebnisse auch nicht zur Bewertung eines Impfschutzes zu verwenden. Es gibt keine Daten, die belegen, dass der Impftiter, der im peripheren Blut gemessen wird, eine verlässliche Aussage über einen Impfschutz gegen SARS-CoV-2 erlaubt. Dieser Titer ist nur für die Aussage einer stattgefundenen humoralen Impfantwort zu verwenden. Inwieweit eine Impfantwort gegen das S1-Protein einen Impfschutz gegen SARS-CoV-2 bedeutet, kann im Moment noch nicht beurteilt werden und ist Gegenstand laufender Studien.             

Quelle: Mitteilung der DGRh, 19. August 2021