Arbeitsrechtliche Fragestellungen im Fokus

In Zeiten der Corona-Epidemie kommt zu den massiven gesellschaftlichen Auswirkungen die Sorge um die eigene Gesundheit und diejenige von Mitarbeitern und Patienten. Hinzu gesellen sich naturgemäß auch Fragen bezüglich finanzieller Ausfälle und Engpässe und ob und gegebenenfalls mit welchen Mitteln diese überbrückt oder ausgeglichen werden können. Nachfolgend sind einige der am häufigsten gestellten Fragen zusammengefasst.

01 

Bei einer Mitarbeiterin treten Corona-ähnliche Symptome auf und sie fühlt sich arbeitsunfähig. Kann sie von sich aus zu Hause bleiben?

Eine Mitarbeiterin kann auch im Falle einer Symptomatik, wie sie u. a. bei einer Corona-Infektion auftreten kann, nicht ohne Weiteres zu Hause bleiben, auch dann, wenn sie sich arbeitsunfähig fühlt. Grundsätzlich besteht für den nicht arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeiter eine Arbeitspflicht. Bleibt der Mitarbeiter ohne entsprechende Entschuldigung der Arbeit fern, ist dies ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, die insbesondere den Arbeitgeber von der Lohnzahlungspflicht befreien. Ein Mitarbeiter kann jedenfalls nicht von sich aus zu Hause bleiben aufgrund einer entsprechenden Selbsteinschätzung. 

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nicht nur innerhalb des Arbeitsverhältnisses besondere Fürsorgepflichten hat, sondern auch gegenüber anderen Mitarbeitern und insbesondere den Patienten. Soweit also entsprechende Symptome auftreten, sollte der Mitarbeiter veranlasst werden, unmittelbar die Möglichkeit zu nutzen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Aufgrund der derzeitigen Regelungen zu den Kontaktverboten genügt hierzu der telefonische Kontakt zu einer (Haus-)Arztpraxis, die aufgrund der telefonischen Schilderung der Symptomatik eine Krankschreibung bis zu zwei Wochen für die Erstbescheinigung veranlassen kann. Bis zur Einreichung der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte der Mitarbeiter schon aus Gründen des Eigenschutzes von der Arbeit freigestellt werden. 

02 

Die Praxis wird vorübergehend geschlossen. Welche Lohnansprüche bestehen?

Schließt der Praxisinhaber aufgrund einer eigenen Entscheidung, etwa zum Schutze der Mitarbeiter, der Patienten und der eigenen Person die Praxis vorübergehend freiwillig, ohne dass hierfür behördliche Anweisungen bestehen, bleibt die Pflicht zur Lohnzahlung unverändert bestehen. 

Ist die Praxis, beispielsweise im Hinblick auf das Auftreten eines Corona-Falles oder in der Folge, weil entsprechende Kontaktpersonen dort tätig waren oder sonst Zutritt hatten, mit einer Quaratäne und behördlichen Schließung belegt, so bleibt der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern für bis zu sechs Wochen in der Verpflichtung, den Lohn weiter zu zahlen. 

Der Arbeitgeber hat in diesem Fall jedoch einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Ein arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter hat, so wie bei jeder anderen Erkrankung auch, im Übrigen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Nach Ablauf von sechs Wochen hat der weiter arbeitsunfähig erkrankte Mitarbeiter Anspruch auf Krankengeld. Liegt keine Erkrankung, jedoch eine behördliche Praxisschließung vor, besteht ebenfalls ein Anspruch auf Krankengeld. Zu berücksichtigen ist, dass diese Regelungen grundsätzlich auch für den Selbständigen und damit Praxisbetreiber gelten, soweit das Infektionsschutzgesetz Anwendung findet, ferner dieser auch Ansprüche auf Erstattung nicht gedeckter Betriebsausgaben in angemessenem Umfang hat (§ 56 Abs. 4 IfSG). 

Sollte aufgrund der Corona-Krise der Arbeitsanfall in der Praxis deutlich zurückgehen oder gar eine Praxisschließung behörlich angeordnet werden, so sollte der Praxisinhaber an die Möglichkeit denken, Kurzarbeit einzuführen. Kurzarbeit kann entgegen landläufiger Auffassung nicht einseitig angeordnet werden, sondern bedarf einer Vereinbarung mit den Mitarbeitern. Vielfach ergibt sich eine solche Zustimmung der Mitarbeiter bereits aus einer entsprechenden Klausel in den Arbeitsverträgen, die daraufhin überprüft werden sollten. Ist dies nicht der Fall, bedarf es einer Zustimmungserklärung der Mitarbeiter. Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einer Kurzarbeit zuzustimmen, muss dann jedoch selbstverständlich mit anderweitigen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Kann der Arbeitnehmer, der eine solche Zustimmung verweigert, nicht in bisherigem Umfang oder aufgrund einer Schließung gar nicht mehr beschäftigt werden, kommt eine Änderungs- oder auch Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses im Einzelfall in Betracht. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, was der Fall ist, wenn im Betrieb regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt werden und der betreffende Mitarbeiter mehr als sechs Monate beschäftigt ist. 

Kurzarbeit kann vereinbarungsgemäß anteilig mit einer Reduzierung von Arbeitsstunden oder auch mit der vollständigen Freistellung („Kurzarbeit auf Null“) verbunden sein. Es besteht dann Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Den entsprechenden Antrag hat der Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit zu stellen und zu begründen. Die Arbeitsagentur übernimmt in diesem Fall 60 % der Lohndifferenz, bei Angestellten mit mindestens einem Kind 67 %. Kurzarbeit kommt nur für die Beschäftigten in Betracht, die versicherungspflichtig in die Arbeitslosenversicherung einzahlen (siehe Frage 5.). 

03 

Mütter müssen sich auch um die Kinder kümmern, die nicht in die Schule oder in die Kita gehen können, und für deren Betreuung benötigen sie häusliche Anwesenheit. Wie wird dies lohntechnisch gelöst?

Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt den Tatbestand der sogenannten vorübergehenden Verhinderung. Wenn ein Arbeitnehmer seiner Arbeit vorübergehend nicht nachkommen kann und ohne Eigenverschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist, so behält dieser Mitarbeiter für diesen vorübergehenden Zeitraum seinen Lohnanspruch. 

Dieser Tatbestand, der auch für die hiesige Corona-Krise Anwendung findet, hat jedoch enge Voraussetzungen. Neben der Schließung von Kita oder Schule muss eine Betreuung durch den betreffenen Arbeitnehmer oder die Mitarbeiterin erforderlich sein. Diese Erforderlichkeit setzt voraus, dass es zunächst keine anderen Möglichkeiten der Fremdbetreuung gibt, beispielsweise durch andere Familienangehörige, Freundeskreis o. ä. und dass auch keine sogenannten Notgruppen in Kita oder Schule zur Verfügung stehen. Des Weiteren muss das Kind betreuungsbedürftig sein, was insbesondere neben möglicher Erkrankungen altersbedingt ist. Kinder über 12 Jahre werden beispielsweise bei halbtägiger Abwesenheit des betreuenden Elternteils nicht zwingend für wenige Stunden betreut werden müssen.

Darüber hinaus sieht das Gesetz für die vorübergehende Verhinderung keinen Zeitrahmen vor. In der Rechtsprechung besteht Streit darüber, welcher Zeitraum hier angesetzt werden darf, von drei bis fünf Tagen bis zu maximal sechs Wochen wird hier Verschiedenes vertreten. Eine vorübergehende Dienstverhinderung wird nach allgemeiner Auffassung jedenfalls nicht länger als für sieben Tage gelten können. In diesem Zeitraum wird also der Mitarbeiter von seiner Arbeitspflicht entbunden, ist jedoch genauso zu entlohnen, als hätte er seine Arbeit vertragsgemäß erbracht. 

Erhält der Arbeitnehmer in dieser Zeit jedoch finanzielle Hilfen durch einen Sozialversicherungsträger, wären diese Zahlungen auf den Lohn anzurechnen. Überschreitet die Abwesenheit des Mitarbeiters jedoch einen Zeitraum der vorübergehenden Dienstverhinderung, so entfällt jedenfalls der Lohnanspruch und das Fernbleiben von der Arbeit ist ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, der eventuell eine Abmahnung und bei weiterem Fortbleiben oder der Wiederholung eine Kündigung rechtfertigen kann. 

04 

Für den Fall, dass die Pandemie Ursache einer Praxisinsolvenz ist, welche Pflichten hat der Praxisinhaber bezüglich Arbeitnehmern?

Sollte sich die wirtschaftliche Lage der Praxis derart verschlechtern, dass insbesondere aktuell laufende Zahlungen, etwa Mieten und Betriebskosten, Versicherungen und auch Gehälter voraussichtlich nicht oder tatsächlich nicht mehr gezahlt werden können, so besteht für den Praxisinhaber die gesetzliche Verpflichtung, einen Insolvenzantrag zu stellen. Wird dies verzögert, kann dies ein strafbares Verhalten darstellen.

Zu beachten ist jedoch, dass wenn die Insolvenz ihre Ursache in wirtschaftlichen Ausfällen durch die Corona-Krise findet, diese Antragspflicht durch ein aktuell in Kraft getretenes Gesetz nicht mehr besteht. Diese Antragspflicht ist für solche Fälle ausgesetzt bis zum 30. September  2020. Da es jedoch auf die konkreten Ursachen einer Zahlungsunfähigkeit oder gar Überschuldung ankommt, sollte hier in jedem Fall der auf den Einzelfall gerichtete Rat eines Rechtsanwaltes eingeholt werden. 

Ist ein Insolvenzantrag unumgänglich, so ändert dies an den bestehenden Arbeitsverhältnissen zunächst nichts. Weder endet ein Arbeitsverhältnis durch eine Insolvenz, noch hat diese rechtlich gesehen Einfluss auf den Lohnanspruch der Arbeitnehmer. Mit Antragstellung entsteht ein vorläufiges Insolvenzverfahren, das insbesondere der Überprüfung einer möglichen Fortführung und einer Bestandsaufnahme durch einen vorläufig bestellten Insolvenzverwalter dient. Ist ein Insolvenzverfahren nach dessen Überprüfung dann durchzuführen und nicht beispielsweise mangels Masse abzulehnen, tritt der Insolvenzverwalter an die Stelle des Praxisinhabers als Arbeitgeber und veranlasst das Notwendige. Der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren kann darüber hinaus die Arbeitsverhältnisse mit einer besonderen Kündigungsfrist von maximal drei Monaten kündigen. Zu beachten ist, dass die Arbeitnehmer in einem solchen Fall, bleiben Lohnzahlungen aus, möglicherweise einen Anspruch auf Insolvenzgeld durch die Agentur für Arbeit für einen Zeitraum bis maximal drei Monate rückwirkend vor Eintritt der Insolvenzreife haben.

05 

Geringfügig Beschäftigte: Welche Ansprüche haben die Personen bezüglich Lohnfortzahlung, Kurzarbeitergeld, Kündigung?

Grundsätzlich sind geringfügig Beschäftigte arbeitsrechtlich ebenso zu behandeln wie Vollzeitkräfte. Hinsichtlich der Lohnfortzahlungsansprüche, einer möglichen Kündigung etc. gilt deshalb für diese Beschäftigungsgruppe nichts anderes. 

Allerdings besteht nicht die Möglichkeit, die geringfügig Beschäftigten im Hinblick auf die Vereinbarung von Kurzarbeit in den Genuss eines Kurzarbeitergeldes kommen zu lassen. Das Kurzarbeitergeld setzt als Anspruchsgrundlage voraus, dass der betreffende Mitarbeiter versicherungspflichtig in die Arbeitslosenversicherung einzahlt. Da der geringfügig Beschäftigte nicht im Rahmen der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig ist, besteht auch nicht die Möglichkeit, für diesen Kurzarbeitergeld zu beantragen. 

06

In Anbetracht zu verändernder Praxisabläufe (z. B. wegen Testung) kann der Praxisinhaber bestimmte Arbeitszeiten bzw. Anwesenheiten vorschreiben?

Grundsätzlich richtet sich das rechtliche Verhältnis zwischen Praxisinhaber und Mitarbeitern nach dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag und den dortigen Regelungen auch zur Frage der Arbeitszeiten, der Lage der Arbeitszeiten und einer etwaigen Verlängerung von Arbeitszeiten. Die Beantwortung der Frage hängt also regelmäßig vom konkreten Inhalt des Arbeitsvertrages ab. 

Generell ist jedoch festzuhalten, dass ein Arbeitgeber nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleitung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, insbesondere wenn der Arbeitsvertrag keine konkrete Festlegung beinhaltet. Sieht der Arbeitsvertrag also beispielsweise nur eine regelmäßige, durchschnittliche Arbeitszeit in Stunden vor und keine besondere Lage der Arbeitszeiten, so kann der Arbeitgeber gerade im Hinblick auf die jetzige Situation die Lage dieser Stunden aufgrund der betrieblichen Erfordernisse anpassen und aufgrund des Weisungsrechtes einseitig Vorgaben machen. Durch solche Anordnungen darf dem Arbeitnehmer jedoch prinzipiell nicht der entsprechende Lohn gekürzt werden. Eine einseitig festgelegte Reduzierung von Arbeitszeiten wäre daher nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers möglich. Auch die sonstigen Abläufe in der Praxis können durch den Praxisinhaber ausgestaltet werden nach billigem Ermessen, soweit nicht konkrete Vorgaben des Arbeitsvertrages damit verletzt sind. 

07

In einer Praxis sind keine Desinfektionsmittel, keine Masken oder andere Schutzkleidung wegen Lieferengpässen verfügbar. Kann eine Mitarbeiterin die Arbeit ablehnen, weil sie sich nicht geschützt fühlt?

Die Grundlage für die Beantwortung dieser Frage liegt in der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht. Im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 618 BGB, ist geregelt, dass der Dienstberechtigte, also Arbeitgeber, Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften etc. so einzurichten und vorzuhalten hat, dass der Verpflichtete (Arbeitnehmer) gegen Gefahren für Leib und Gesundheit soweit geschützt ist wie möglich. Weitergehende Vorgaben ergeben sich auch aus den Regelungen des Arbeitsschutzes. 

In Zeiten der Corona-Epedemie beginnt diese Fürsorgepflicht selbstverständlich mit einer umfassenden Aufklärung aller Mitarbeiter und mit der Anordnung bestmöglicher Hygienemaßnahmen (Händewaschen, Verwendung von Desinfektionsmitteln, Abstandsregelungen etc.). Die Erforderlichkeit oder Schutzumfang von Masken ist derzeit umstritten. Letztlich bedarf es einer Abschätzung des Gefährdungs- und Ansteckungspotentials einerseits und der möglichen Maßnahmen andererseits. 

Ein Lieferengpass im Hinblick auf Desinfektionsmittel oder andere Schutzkleidung liegt im sogenannten Betriebsrisiko des Praxisinhabers. Folgt aus einem solchen Lieferengpass daher eine unzumutbare Gefährdung des Arbeitnehmers, so könnte dieser die Arbeit verweigern, ohne den Lohnanspruch zu verlieren. Da derartige Fälle in der Vergangenheit selten waren, ist die Rechtslage jedoch als umstritten zu betrachten. Grundsätzlich ist es jedoch Sache des Arbeitgebers, dafür Sorge zu tragen, dass der Angestellte die Arbeit gefahrlos erledigen kann. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass bereits für den Fall eines ersten Verdachts, wie beispielsweise hinsichtlich der Frage zu 1. die Einschaltung der örtlichen Gesundheitsbehörde anempfohlen ist. Soweit nämlich hierdurch in der Folge eine Quarantäneanordnung erfolgt, eröffnet dies für den Praxisinhaber den Anspruch auf Erstattung von Lohnkosten und im Übrigen auch einen Anspruch auf weitergehende Zahlungen, etwa für die weiter laufenden Betriebskosten. Darüber hinaus sei jedem Praxisinhaber im Rahmen wirtschaftlicher Schwierigkeiten anempfohlen, die jeweils bundeslandabhängigen, nicht-rückzahungspflichten Hilfen zu überprüfen, steuerliche Erleichterungen, wie das Aussetzen von Steuervorauszahlungen, das Aussetzen der Vorsteuer und ähnliche Maßnahmen.

Hier empfiehlt sich jeweils eine individuelle Beratung durch einen fachkundigen Rechtsanwalt sowie die Rücksprache mit einem Steuerberater. 

Rechtsanwalt Stefan Lehnhardt 
Anwaltskanzlei Klein-Ilbeck & Lehnhardt
65549 Limburg, info@ki-l.de