EDITORIAL

Warum ist das Gesundheitswesen für Investoren so interessant?

Prof. Dr. Günter Neubauer

Prof. Dr. Günter Neubauer

In den letzten Jahren engagieren sich externe Investoren in zunehmenden Umfang im deutschen Gesundheitswesen. Den Anfang machte vor rund 25 Jahren der Krankenhaussektor. Private Investoren übernahmen Plankrankenhäuser von Kommunen, die sich von ihren defizitären Kliniken trennen wollten. Die Investoren wurden als Problemlöser willkommen geheißen, da sie einerseits die Versorgung der Patienten fortführten und andererseits die kommunalen Träger von der jährlichen Defizitfinanzierung befreiten. Heute stellen die privaten For-Profit-Krankenhäuser einen unverzichtbaren Teil der gesetzlichen Krankenhausversorgung dar.

Nach dem Krankenhaussektor wenden sich die Investoren den Alten- und Pflegeheimen zu. Dieser Bereich wird vor allem von kleinen privaten Eigentümern dominiert, die zunehmend von den betriebswirtschaftlichen und regulatorischen Erfordernissen in den Verkauf flüchten. Als Käufer treten kapitalstarke Vorsorgefonds, Family-Offices und Private Equity-Gesellschaften auf. Sie alle suchen für das angesammelte Kapital renditeversprechende Anlagemöglichkeiten.

Zudem gilt der Gesundheitssektor global als Zukunftsmarkt, da die Bevölkerung weltweit, besonders aber in Deutschland altert und genügend Kaufkraft verfügbar ist, sowohl über die Sozialversicherungen als auch über die Privatvermögen. Darüber hinaus gilt der Heimsektor als ein Bereich mit betriebswirtschaftlichem Rationalisierungspotential. Insbesondere werden in einer Kettenbildung Rationalisierungschancen gesehen!

Eine eigene Gruppe von Investoren kommt aus der Gesundheitswirtschaft selbst. Beispiele hierfür sind die Sana Krankenhausgruppe, die von Unternehmen der privaten Krankenversicherung getragen wird wie auch Dialyseketten, deren Eigentümer Gesundheitsunternehmen sind.

Eine positive Einschätzung der Investoren wird in den letzten Jahren auch der ambulant-ärztlichen Versorgung entgegengebracht. Den Anfang machten die Fachrichtungen, die relativ hohe Praxisinvestitionen verlangen. Das sind die Radiologie, die Dialyseversorgung und die Labormedizin. Diesen folgen derzeit die ambulant-operativen Fachrichtungen, nämlich die Ophthalmologie, die Zahnmedizin und die interventionelle Kardiologie und Orthopädie. Alle verlangen einen höheren Investitionsaufwand, der durch eine Arztgruppe wirtschaftlicher genutzt werden kann als in einer Einzelpraxis. In der hausärztlichen Versorgung werden erste externe Investitionen beobachtet. Diese Entwicklung ist in der Schweiz bereits fortgeschritten. Die Kostenvorteile, die in der Größe von Arztgruppen liegen, werden unter anderem durch die Auslagerung der bürokratischen Abrechnungsregel auf ein geübtes Management besonders sichtbar.

Als eigener Beschleunigungsfaktor kommt hinzu, dass die Bereitschaft und der Wille junger Ärztinnen und Ärzte, sich selbst niederzulassen, nachhaltig sinken. Zum einen ist es der erforderliche Aufwand für die Übernahme einer Praxis, der abschreckt, aber auch die starke Arbeitsbelastung, inklusive der Bürokratie, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert.

Im Vergleich hierzu wird eine Anstellung in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) als vorteilhaft eingeschätzt. Und tatsächlich steigt die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte seit 10 Jahren kontinuierlich an. Investorengestützte MVZs haben dabei den Vorteil, dass sie beim Ablösen der Praxen den ausscheidenden Praxisinhabern attraktive Ablösekonditionen bieten können.

Quo vadis, niedergelassene Ärzte?

Will die Ärzteschaft die Eintrittshäufigkeit für private Investoren reduzieren, so muss sie – das sind die Kassenärztlichen Vereinigungen ebenso wie die Berufsverbände – ähnlich günstige Bedingungen für Berufsanfänger schaffen, wie Privatinvestoren. Es gilt das chinesische Sprichwort: Wenn du Gegenwind hast, baue keine Mauer, sondern setze deine Segel richtig!


Univ.-Prof. Dr. rer. pol. Günter Neubauer
Institut für Gesundheitsökonomik
Frau-Holle-Straße 43
81739 München