ARZNEIMITTELRICHTLINIE

Update: Aut-idem für Biosimilars

Rechtsanwalt Christian Koller

Rechtsanwalt Christian Koller

Bis zum 15.08.2022 muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G­-BA) die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass zukünftig Apotheker Biologicals durch Biosimilars austauschen können. Mittlerweile liegt ein Entwurf der zu ändernden Arzneimittelrichtlinie (AMRL) vor (vgl. Beschluss des G-BA vom 12.04.2022). Gesetzestechnisch wird nach § 40a AMRL (Austausch von Biosimilars durch Ärzte) ein neuer § 40b AMRL-Entwurf eingefügt. Bemerkenswert ist dabei, dass der Entwurf an zahlreichen Stellen mehrere unterschiedliche Versionen aufweist. Hierbei handelt es sich um die verschiedenen Vorschläge der Krankenkassen, Leistungserbringer und Patientenvertreter.

Nach dem Entwurf sind Apotheker zum Austausch verpflichtet, wenn:

–   das Biosimilar wirkstoffgleich und
–   günstiger als das Biological ist und
–   wenn der behandelnde Arzt die Ersetzung nicht ausgeschlossen hat.

Offen ist in diesem Zusammenhang, ob die Austauschpflicht des Apothekers entfällt, wenn für das abzugebende Arzneimittel ein Rabattvertrag besteht.

Weiter weist der G-BA in seinem Entwurf daraufhin, dass der Therapiewechsel nicht ohne Risiken einhergeht. Je mehr Möglichkeiten für einen Therapiewechsel bestünden, desto größer sei die Gefahr für Anwendungsfehler und dem Eintritt einer Nicht-Adhärenz. So heißt es in den tragenden Gründen des Beschlusses vom 12.04.2022, dass bis zu 30 % der Betroffenen die Behandlung mit Biosimilars nach einem Therapiewechsel abbrechen. Aus diesem Grunde lässt der Entwurf derzeit auch noch offen, ob auch Biosimilars untereinander ausgetauscht werden müssen. Denn dies würde ebenfalls das Therapiespektrum erweitern, und zwar mit der Folge, dass häufiger ausgetauscht werden müsste.

Das größte praktische Problem steckt im § 40b Abs. 4 AMRL-Entwurf. Darin heißt es, dass die generelle Beratungspflicht des Apothekers nach § 20 Apothekenbetriebsordnung auch für den Austausch von Biosimilars besteht. Der Apotheker muss also den Patienten bei einem Austausch darüber aufklären, dass er ein anderes, aber ähnliches („similar“) Präparat erhält und ihn gegebenenfalls in eine neue Applikation einweisen.

Die Patientenvertreter fordern deshalb in ihrem Entwurf, dass die Beratung sowie die Demonstration der Handhabung bei der Applikation des neuen Arzneimittels durch den Apotheker in einem Rahmen geschehen muss, der die Vertraulichkeit gewährt und den Schutz persönlicher Daten garantiert. Dies ruft für viele Apotheker ein räumliches Problem hervor. Die für eine entsprechende Beratung erforderliche vertrauensvolle Atmosphäre wird sich sicher nicht herstellen lassen, soweit die Beratung am Verkaufstresen erfolgt, während zeitgleich zahlreiche weitere Kunden in der Warteschlange stehen. Andererseits muss eine entsprechende Beratung zwingend erfolgen, da der behandelnde Arzt von dem Austausch des Biologicals bestenfalls im Nachgang informiert wird und der Patient gegebenenfalls in eine neue Handhabung eingewiesen werden muss.

Dies führt zu einem weiteren offenen Punkt. Nur der Entwurf der Patientenvertreter stellt klar, dass der Apotheker den verordnenden Arzt über den Austausch des Präparats informieren muss, die Einwilligung des Patienten in die Weitergabe dieser Information vorausgesetzt. Sowohl die Kassenvertreter als auch die Vertreter der Leistungserbringer erwähnen die Information des Arztes in ihrem Entwurf mit keinem Wort, messen diesem Aspekt also wenig Bedeutung bei. Sollten sich hier die Patientenvertreter nicht durchsetzen, wird der Arzt unter Umständen nicht erfahren, dass sein Patient ein anderes Präparat einnimmt – und dies trotz der oben skizzierten Gefahr eines Therapieabbruchs.

Zuletzt gibt § 40b Abs. 5 AMRL den Apothekern die Möglichkeit, von einem Austausch Abstand zu nehmen. Danach kann bei Vorliegen „sonstiger Bedenken im Sinne von § 40 Abs. 3 Satz 2 AMRL“ auch unter Würdigung patientenindividueller Aspekte von einer Ersetzung abgesehen werden. Dies ist beispielsweise der Fall, falls eine unklare Verordnung vorliegt oder dem Apotheker Besonderheiten des Patienten bekannt sind, wie z. B. Unverträglichkeiten, Allergien, instabile Therapiesituationen oder Zweifel an der richtigen Anwendung durch den Patienten. Inwieweit jedoch der Apotheker Kenntnis über diese Umstände erlangen soll, ist doch eher zweifelhaft.

Der Entwurf der neuen Arzneimittelrichtlinie wurde an 14 Verbände weitergeleitet, unter anderem an die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Die Verbände hatten bis zum 19.05.2022 Zeit, eine begründete Stellungnahme zu dem Entwurf und den noch offenen Fragen abzugeben. Das Ergebnis dieses Stellungnahmeverfahrens lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Sicher ist jedoch, dass der von den Krankenkassen geforderte Aut-idem für Biologicals eher den finanziellen Interessen als dem Patientenwohl zugutekommen wird. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Patientenvertreter mit ihren Argumenten durchsetzen werden.             

Zusammenfassung seines Vortrags „WIN Arzneimittelrichtlinie“ durch
Rechtsanwalt Christian Koller
Kanzlei TACKE/KOLLER
Rindermarkt 3 und 4, 80331 München