KOLLAGENOSEN

Neues zur systemischen Sklerose, Dermatomyositis und zum SLE vom virtuellen EULAR 2021

Prof. Dr. med. Christof Specker

Prof. Dr. med. Christof Specker

Abb. 1: focuSSced-Studie: Ver nderung der FVC (ml) unter Tocilizumab gegenüber Placebo bei SSc-Patienten

Abb. 1: focuSSced-Studie: Ver nderung der FVC (ml) unter Tocilizumab gegenüber Placebo bei SSc-Patienten

Abb. 2: ProDERM-Studie: Prozentuale Anteile von DM-Patienten mit TIS-Ansprechen unter ivIg und Placebo in Woche 16 (li.) und ivIg und Placebo-ivIg in Woche 40 (re.) (8)

Abb. 2: ProDERM-Studie: Prozentuale Anteile von DM-Patienten mit TIS-Ansprechen unter ivIg und Placebo in Woche 16 (li.) und ivIg und Placebo-ivIg in Woche 40 (re.) (8)

Abb. 3: BLISS-LN Studie: Einsatz von Belimumab bei LN versus Placebo (plus Standardtherapie, SoC): prim rer und sekund rer Endpunkt

Abb. 3: BLISS-LN Studie: Einsatz von Belimumab bei LN versus Placebo (plus Standardtherapie, SoC): prim rer und sekund rer Endpunkt

Abb. 4: AURORA-Studie: Signifikante  berlegenheit von Voclosporin vs. Placebo im renalen Ansprechen (primarer Endpunkt) nach 52 Wochen

Abb. 4: AURORA-Studie: Signifikante  berlegenheit von Voclosporin vs. Placebo im renalen Ansprechen (primarer Endpunkt) nach 52 Wochen

Abb. 5: Vergleich des SRI-4-Ansprechens in den beiden TULIP-Studien zu Anifrolumab bei SLE (18, 19)

Abb. 5: Vergleich des SRI-4-Ansprechens in den beiden TULIP-Studien zu Anifrolumab bei SLE (18, 19)

Leider fand der diesjährige EULAR-Kongress nicht in Paris, sondern aufgrund der Corona-Pandemie wieder nur virtuell statt. Die technischen Unzulänglichkeiten waren dieses Mal weitgehend ausgeräumt und registrierte Teilnehmer konnten sich noch bis Anfang Juli die Beiträge im Internet ansehen. Ein Service der sicher auch künftig geschätzt werden dürfte, da man so einzelne Sessions nachholen kann, die man nicht direkt „besuchen“ konnte. Direkt auf diesem „e-Kongress“ gab es zwar Neuigkeiten zu den Kollagenosen, einzelne wichtige Neuerungen drohen aber übersehen zu werden, wenn man nicht auch zwischen den wichtigsten internationalen Tagungen (dem EULAR im Frühsommer und ACR im Herbst) die Meldungen zu neuen Therapien aufmerksam verfolgt.

Systemische Sklerose

Wie auch an dieser Stelle mehrfach betont, stellt die interstitielle Lungenerkrankung (ILD) bei der diffusen Form der systemischen Sklerose (SSc) das klinische Hauptproblem aufgrund der hiermit assoziierten Mortalität dar. Wir sind sicher noch weit davon entfernt, hier klare Fortschritte verkünden zu können, aber es tun sich nun doch einige therapeutische Möglichkeiten auf, nicht nur durch die Verfügbarkeit einer antifibrotischen Therapie mit Nintedanib.

Aufgrund der fließenden Übergänge von entzündlichen zu irreversiblen fibrotischen Lungengerüstveränderungen sind Aktivität und Prognose sowie das Ansprechen auf eine antiinflammatorische einerseits und eine antifibrotische Therapie andererseits nur schwer abzuschätzen. Hinzu kommt die Abgrenzung der pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH), welche sowohl aus diagnostischen/prognostischen, wie auch therapeutischen Gründen von Bedeutung ist. Eine PAH tritt bei der diffusen SSc meist erst spät, vor allem aufgrund einer Reduktion des Gesamtgefäßquerschnitts durch Rarefizierung der „Strombahn“ im Rahmen einer fortgeschrittenen Fibrose ein und bei der limitiert-kutanen SSc rein vaskulär und (meist) ohne jede ILD.

Tocilizumab bei SSc-ILD
Über den Einsatz des Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitors Tocilizumab bei der SSc wurde an dieser Stelle schon öfter berichtet und unabhängig von neuen Daten zu dieser Therapie bei der SSc auf dem EULAR, war die Meldung der FDA vom 4. März 2021, dass Tocilizumab bei der SSc-ILD zugelassen wird, eine Sensation, über die man übrigens innerhalb weniger Stunden über Twitter informiert wurde. Was hat es nun damit auf sich?

In einer ersten Phase-II-Studie (faSScinate) zum Einsatz von Tocilizumab bei SSc mit 87 Patienten war der primäre Endpunkt einer Verbesserung der Hautsklerose (modifizierter Rodnan-Skin-Score, mRSS) in Woche 24 numerisch, aber nicht statistisch signifikant besser (p=0,09) mit -3,92 gegenüber -1,22 Punkten in der Placebogruppe. In dem sekundären Endpunkt eines geringeren Anteils von Patienten mit einer Verschlechterung der Vitalkapazität (FVC) unter Tocilizumab war dies aber sehr wohl der Fall (p=0,037). (1) Leider wurde in dem dann folgenden Phase-III-Studie (focuSSced) mit Tocilizumab (162 mg s.c./Woche gegenüber Placebo über 48 Wochen) erneut die Hautsklerose (mRSS) als primärer Endpunkt gewählt und nicht eine Verbesserung einer ILD. (2) Hier wurden 212 Patienten randomisiert und 210 behandelt (106 Placebo, 104 Tocilizumab). Eine Verbesserung im mRSS war nach 48 Wochen auch schon in der Placebo-Gruppe mit -4,41 Punkten unerwartet hoch, sodass die Veränderung des mRSS in der Tocilizumab-Gruppe mit -6,14 Punkten statistisch nicht signifikant unterschiedlich war (p=0,098). Somit wurde der primäre Endpunkt auch dieser Studie verfehlt, aber auch hier fand sich wieder ein günstiger Einfluss auf die SSc-ILD. Die FVC war nach 48 Wochen unter Tocilizumab (+ Standardtherapie) durchschnittlich nahezu konstant geblieben mit -0,6 %, während sie unter Placebo (+ Standardtherapie) um durchschnittlich -3,9 % abnahm, was einer Differenz von durchschnittlich 167 (95% KI 83-250) ml entsprach (Abb. 1). Fünf (5,4 %) Patienten wiesen unter Tocilizumab einen absoluten Rückgang der FVC um ≥10 %-Punkte auf, gegenüber 15 (16,5 %) unter Placebo und auch im HRCT zeigte sich unter Tocilizumab eine geringere Progression.

Hätte man in dieser Studie die FVC als primären Endpunkt gewählt, wäre sie erfolgreich gewesen und im (allerdings indirekten) Vergleich mit Nintedanib (3) war der Unterschied zwischen Verum und Placebo für Tocilizumab sogar deutlicher bei vergleichbarer Placebo-Response. Der Sponsor/Hersteller hat aufgrund des Scheiterns auch dieser Studie aber verlautbaren lassen, keinen Antrag auf eine Zulassung stellen zu wollen. Die Überraschung war dann groß, als die FDA von sich aus, wohl aufgrund des hohen „medical need“ bei der Therapie der SSc-ILD und sicher unter Beratung mit den Fachexperten zu der Entscheidung kam, Tocilizumab aufgrund dieser Daten (nota bene zweier „gescheiterter“ Studien) für die Behandlung der SSc-ILD zuzulassen. Auch in der EU dürfte demnächst mit einer Zulassung dieser Therapie bei der SSc mit ILD zu rechnen sein und seit der Zulassung der FDA bieten auch schon jetzt Off-label-Anträge bei den Kostenträgern sehr viel mehr Aussicht auf Erfolg.

Auf dem EULAR 2021 gab es zwei weitere Beiträge zum Einsatz von Tocilizumab bei der SSc. Eine Analyse aus dem europäischen EUSTAR-Register verglich die Daten von 93 SSc-Patienten unter Tocilizumab mit hinsichtlich Krankheitsdauer und demographischen Daten 1:1 gematchten Kontrollen aus 2.370 SSc-Patienten ohne Tocilizumab-Therapie. (4)

Der Anteil einer diffus-kutanen SSc lag bei 58 %, die mittlere Krankheitsdauer betrug 6,4 Jahre und der mRSS lag bei 15 Punkten. Neben Tocilizumab erhielten 82 % zusätzlich Immunsuppressiva. Der Effekt von Tocilizumab war in einem Propensity-Score-Matching auf die Haut wieder nur moderat mit einer Abnahme des mRSS um -1,8 Punkte (10,68 vs. 12,47 Punkte; p=0,24), was einer Odds Ratio (OR) für Hautprogress von 0,67 (p=0,74) entsprach. Die FVC%Soll war um im Mittel 2,25 %-Punkte gebessert (89,22 vs. 86,97 %; p=0,51), die OR für einen Lungenprogress betrug 0,53 (p=0,2). Die Unterschiede sind zwar nicht „dramatisch“, wenn man aber den „natürlichen“ Verlauf der SSc und zukünftig wahrschlich längere Therapiedauern zugrunde legt, dürfte dies für die Patienten schon relevant werden. Auch in einer Auswertung eines Zentrums in Griechenland zeigte sich bei 20 SSc-Patienten ein gewisser „konservierender“ Effekt von Tocilizumab für die Lungenfunktion. (5)

Dermatomyositis

Zur Behandlung der Dermatomyositis (DM) gibt es keine (speziell) zugelassenen Therapien und es gab bislang auch nur eine prospektive Phase-III-Studie, welche den (zeitversetzten) Einsatz von Rituximab bei der DM (bzw. Polymyositis) prüfte (6), was aber auch nicht zu einer Zulassung dieser Therapie führte. Auch der Einsatz von intravenösen Immunglobulinen (ivIg) ist mangels entsprechender Studien nicht zugelassen (!) und nur laut Arzneimittelrichtlinie des G-BA von Juli 2013 eine „verordnungsfähige Off-label-Therapie“. (7)

Auf dem EULAR wurde dieses Jahr eine randomisierte Phase-III-Studie (ProDERM) zum Einsatz von ivIg (Octagam 10 %) bei der DM vorgestellt. (8) In der ersten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase von 16 Wochen, erhielten erwachsene Patienten mit DM neben einer stabilen Immunsuppression randomisiert entweder hochdosiert ivIg (2 g/kg alle 4 Wochen) oder Placebo-Infusionen. Patienten unter Placebo und Patienten ohne klinische Verschlechterung unter ivIg nahmen an einer offenen Verlängerungsphase über 24 Wochen teil, in der alle 4 Wochen 2 g/kg ivIg infundiert wurden (bei Response konnte auf 1 mg/kg reduziert werden). Primärer Endpunkt war der Anteil der Responder in Woche 16 gemäß den ACR/EULAR Myositis-Response-Kriterien (Verbesserung im Total Improvement Score, TIS ≥20 Punkte ohne klinische Verschlechterung bei 2 konsekutiven Visiten). 95 DM-Patienten (im Mittel 53 Jahre, 75 % Frauen) wurden in die Studie aufgenommen, wobei 47 ivIg und 48 Placebo erhielten. Die klinischen Ausgangscharakteristika (einschließlich Anamnese und früherer DM-Medikation) waren zwischen den beiden Gruppen ausgeglichen.

Die Studie erreichte den primären Endpunkt in Woche 16, wobei der Anteil der Responder in der ivIg-Gruppe mit 79 % signifikant höher war als in der Placebo-Gruppe mit 44 % (p=0,008) (Abb. 2 li.) und auch die Zeitdauer bis zum Therapieansprechen deutlich unterschiedlich war (35 vs. 115 Tage unter Placebo).

In der offenen Verlängerungsphase, in welcher auch die Patienten, welche in der doppelblinden Phase Placebo erhalten hatten auf ivIg umgestellt wurden, näherten sich diese Patienten dann auch rasch dem Verum-Arm an. In Woche 40 war das TIS-Ansprechen vergleichbar (Abb. 2 re.). Diese Studie liefert einen überzeugenden Beleg für die Wirksamkeit einer ivIg-Therapie bei der DM und dürfte nun auch für eine offizielle Zulassung ausreichen. In den USA ist diese seitens der FDA als Reaktion auf die Ergebnisse der ProDERM-Studie für Octagam 10 % als bislang einziges ivIg am 15. Juli erfolgt. Wichtige Fragen zu Therapiedauer, Dosisreduktion, Begleit-Immunsuppression (die nach wie vor meist off-label ist), Aufwand, Kosten und der zunehmenden Knappheit von Immunglobulinen sind aber noch offen.

Systemischer Lupus erythematodes

An dieser Stelle wurde in den beiden letzten Jahren berichtet, dass sich nun endlich auch neue Therapien für den systemischen Lupus erythematodes (SLE) abzeichnen. Dies ist nun – zumindest in den USA – auch schon Wirklichkeit geworden. Am 21. Januar 2021 wurde über die Nachrichtenticker der Investmentberatungsgesellschaften verbreitet, dass die FDA, aufgrund der zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten AURORA-Studie, Voclosporin in Kombination mit einer „Hintergrund-Immunsuppression“ zur Behandlung der aktiven Lupusnephritis (LN) zugelassen hat. (9) Es dürfte auch in Europa bald eine entsprechende Zulassung erfolgen.

Ähnliches gilt für Anifrolumab, welches aufgrund der TULIP-2-Studie im kommenden Jahr zugelassen werden dürfte. Nicht neu als Substanz, aber in der Indikation ist die Zulassung von Belimumab nun auch zur Behandlung von SLE-Patienten mit LN aufgrund der hier schon vor einem Jahr vorgestellten BLISS-LN-Studie. Weitere Ergebnisse und Analysen zum Einsatz dieser Substanzen beim SLE wurden auch auf dem jetzigen EULAR vorgestellt. Zu dem vielversprechenden Anti-B-Zell-Antikörper Obinutuzumab (Anti-CD20) gab es noch keine neuen Daten.

Belimumab bei Lupusnephritis
In den beiden großen BLISS-Studien, welche zur Zulassung des B-Lymhozyten-Stimulator (BlyS)-Inhibitors Belimumab beim SLE führten, war eine aktive LN ein Ausschlusskriterium. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie BLISS-LN zum Einsatz von Belimumab bei der LN wurden bereits auf dem letztjährigen EULAR erstmals vorgestellt und inzwischen auch als „Full-Paper“ veröffentlicht. (10) Hieraus ergaben sich noch einzelne neue Aspekte, auf die hier eingegangen werden soll. Es wurden aber auch erste Ergebnisse einer offenen BLISS-LN-Verlängerungsstudie vorgestellt. (11)

In BLISS-LN erhielten 448 Patienten mit bioptisch gesicherter, aktiver LN zunächst hochdosierte Glukokortikoide (GK) und entweder i.v. Cyclophosphamid (CYC) nach dem Euro-Lupus-Protokoll (500 mg CYC 6-mal alle 14 Tage) oder Mycophenolat Mofetil (MMF, Zieldosis 3 g/Tag) zur Remissionsinduktion. Die Erhaltungstherapie erfolgte dann für die mit CYC behandelten Patienten mit Azathioprin (AZA) und für die mit MMF behandelten weiter mit MMF. Zusätzlich erhielten die Patienten randomisiert über 2 Jahre Belimumab 10 mg/kg/Monat oder Placebo i.v. Auch wenn Belimumab somit eher zur Erhaltungstherapie eingesetzt wurde, erfolgte die Randomisierung und der Start der Therapie mit Belimumab oder Placebo nicht erst nach der Induktionstherapie, sondern spätestens 4 Wochen nach deren Beginn und somit bereits ≥2 Monate parallel zur Induktionstherapie, die 12 Wochen dauerte. Der primäre Endpunkt (renales Ansprechen) war definiert als eGFR ≥60 ml/min/1,73m2 oder keine Abnahme der eGFR gegenüber dem Ausgangswert vor der LN von mehr als 20 %, eine Urin-Protein-Kreatinin-Ratio (uPCR) von ≤0,7 und keinem Therapieversagen bzw. Rezidiv. Der strengste sekundäre Endpunkt einer kompletten renalen Remission (CRR) wurde definiert als eGFR im Normbereich bzw. nicht mehr als 10 % unter dem Ausgangswert und eine uPCR <0,5.

Ein renales Ansprechen wurde in Woche 104 von 43,0 % der Patienten unter Belimumab (+ Standardtherapie) erreicht gegenüber 32,3 % der Patienten unter Placebo (+ Standardtherapie) (OR 1,55, 95% KI 1,04–2,32; p=0,03; Abb. 3 li.). Auch eine komplette renale Remission (CRR) wurde nach 104 Wochen unter Belimumab mit 30,0 gegenüber 19,7 % signifikant häufiger registriert (p=0,02) (Abb. 3 re.).

Die zusätzliche Gabe von Belimumab zu einer Standardtherapie der LN über 24 Monate führte zu einem besseren renalen Langzeitoutcome der LN nach 24 Monaten. Auch wenn die Belimumab-Therapie bereits in der Induktionsphase mit ivCYC oder MMF begonnen wurde, handelt es sich doch eher um eine Ergänzung der Erhaltungstherapie (mit AZA oder MMF). Eine entsprechende Zulassungserweiterung von Belimumab für die LN neben der Standard-Immunsuppression wurde daraufhin von der FDA bereits im Dezember 2020 und von der EMA im Mai 2021 erteilt. Wichtig ist hierbei, dass die Zulassung nicht nur für die in dieser Studie eingesetzte i.v.-Gabe, sondern auch für die einfachere s.c.-Gabe erteilt wurde.

Ein numerischer Unterschied im primären Endpunkt bestand zwar auch in den Subgruppen nach Induktionstherapie (CYC vs. MMF), statistisch signifikant war dies aber nur in der größeren Gruppe (n=164), die MMF als Induktionstherapie erhielt (46,3 vs. 34,1 %; p=0,05). Ähnlich verhielt es sich im CRR (34,1 vs. 20,1 %; p=0,01). In der Safety-Analyse gab es keine Unterschiede oder neuen Signale. (10)

Erstmals auf dem EULAR 2021 wurden nun die Daten zur offenen Verlängerung (OLE, 6 Monate) der BLISS-LN-Studie vorgestellt. (11) Insgesamt nahmen 255 Patienten daran teil, das waren nur 57 % aller Patienten aus BLISS-LN. 123 Patienten wechselten von Placebo auf Belimumab, 132 blieben auf Belimumab. Ein Patient wurde bei Non-Compliance ausgeschlossen und 3,5 % brachen die Studie vorzeitig ab. Bis Woche 28 stieg der Anteil der Patienten mit einer CRR unter den Patienten, die zuvor in der Doppelblind-Phase Placebo erhalten hatten unter Belimumab von 36 auf über 48 % an, bei den Patienten, die weiter Belimumab erhielten von 48 auf 62 %.
Hinsichtlich des SRI-4-Scores oder der Steroideinsparung zeigte sich aber kein wesentlicher Effekt mehr, bzw. nur für die Placebo-Gruppe, welche noch einen leicht höheren Anteil an Prednison-Therapien ≤7,5 mg/Tag erreichte.

Fazit: Insgesamt sind die Ergebnisse zum Einsatz von Belimumab bei der Lupusnephritis nicht einfach zu interpretieren. Auf der positiven Seite ist der Erfolg dieser (großen) Phase-III-Studie zu betonen, welcher für Belimumab – wie beim nicht-renalen LE – auch einen zusätzlichen Effekt bei der LN belegt. Ob man eine Effektstärke von 11 %-Punkten als gering oder relevant einstuft, ist diskutabel. Nicht unwichtig scheinen die (neuen) Daten zur deutlich unterschiedlichen Wirkung von Belimumab in Abhängigkeit von der Induktionstherapie zu sein (besseres Abschneiden unter MMF) und auch die Ergebnisse der OLE liefern Hinweise für dessen Einsatz bei LN.

Voclosporin bei Lupusnephritis
Voclosporin ist ein Immunsuppressivum, welches für den Einsatz bei Organtransplantationen und Autoimmunerkrankungen „designt“ wurde. Es ist ein Analogon von Cyclosporin A (CSA) mit stärkerer Calcineurin-Inhibition (CNI) und vor allem einer verbesserten Pharmakokinetik, die zu stabileren Wirkspiegeln führt. Außerdem soll diese Substanz in ihrer Langzeitanwendung nicht so nephrotoxisch sein wie CSA. Die prospektive Phase-II-AURA-LV-Studie mit weltweiter Rekrutierung von 265 Patienten mit aktiver LN wurde erstmals auf dem ACR-Meeting 2017 vorgestellt und 2019 publiziert. (12)

Der primäre Endpunkt einer renalen Vollremission nach 24 Wochen wurde nur in der niedrigeren Dosis (23,7 mg 2x tgl.) plus MMF und Prednison als Standardtherapie mit einer OR von 2,03 (p=0,046) öfter erreicht als bei den nur mit MMF und Prednison behandelten Placebo-Kontrollen. Eine Verbesserung der Zeit bis zur Voll- oder Teilremission war mit beiden Dosen (p<0,01) zu verzeichnen und nach 52 Wochen war der Unterschied zur Standardtherapie auch in der höheren Dosis (39,5 mg 2x tgl.) signifikant. Das Serumkreatinin besserte sich in beiden Armen leicht (evtl. als Hinweis für eine geringere Nephrotoxizität gegenüber CSA). Patienten mit Klasse V LN, entweder in Kombination mit Klasse III/IV oder als reine Klasse V (15 % aller LN) profitierten allerdings in dieser Studie nicht von der Behandlung mit Voclosporin.

Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen (AEs) und behandlungsbedingten AEs stieg bei hochdosiertem Voclosporin an, jedoch wurden schwerwiegende AEs mehr unter niedrigdosiertem (28 %) als unter hochdosiertem Voclosporin (25 %) und Placebo (16 %) beobachtet. Die häufigsten AEs waren in allen Gruppen Infektionen, gefolgt von gastrointestinalen Beschwerden. Am auffälligsten war aber eine Häufung von Todesfällen (vorwiegend in den ersten 2 Behandlungsmonaten), die sämtlich als krankheits- und nicht therapiebedingt eingestuft wurden. Davon traten 10 unter der niedrigen Dosis auf (3 Infektionen, 2 ARDS, 3 thromboembolische Komplikationen, 2 Blutungen), nur 2 unter der hohen Dosis (1 Infektion, 1 Lungenembolie) und 1 bei den Kontrollen (kardiovaskulär). 7 der 13 Todesfälle ereigneten sich an 2 Standorten in Bangladesch, wo auch doppelt so viele Patienten auf niedrigdosiertes Voclosporin randomisiert wurden wie auf Placebo.

Trotz dieser „gemischten“ Ergebnisse war diese Studie Anlass für die Phase-III-Studie AURORA, welche nur noch die niedrige Dosierung prüfte und Ende 2019 mit 358 rekrutierten Patienten abgeschlossen werden konnte. Die Ergebnisse dieser Studie waren zunächst aber weder als Paper veröffentlicht noch auf einer der großen Konferenzen (explizit) vorgestellt worden. Auf dem ACR Convergence 2020 gab es auch nur ein eher unscheinbares Poster zu einer aggregierten Auswertung der AURA-LV- und AURORA-Studie zur Reduktion der Proteinurie bei LN. Umso mehr verwunderte dann die Zulassung der FDA am 21. Januar 2021, lange bevor die Studie im Mai 2021 veröffentlicht wurde. (13) Auf dem EULAR wurden jetzt zwar „nur“ erste Ergebnisse einer (weiter verblindeten!) Verlängerung von AURORA präsentiert (14), da Voclosporin aber im kommenden Jahr in Europa zugelassen werden dürfte, soll hier nochmal die gesamte Phase-III-Studie vorgestellt werden.

Neben einer Standard-Immunsuppression mit MMF (2x 1 g) und GK, die aber recht schnell zu reduzieren waren, erhielten 357 Patienten mit aktiver LN randomisiert entweder 2x tgl. 23,7 mg Voclosporin p.o. oder Placebo. Der primäre Endpunkt einer renalen Response zu Woche 52 wurde unter zusätzlicher Gabe von Voclosporin (n=179) mit fast 41 % deutlich häufiger erreicht als unter alleiniger Gabe von MMF (n=178) mit 22,5 % (Abb. 4).

Von den 179 Patienten, die in der AURORA-Studie mit Voclosporin behandelt wurden, nahmen 116 (65 %) und von den 178 Patienten, die nur MMF erhielten (Kontrollarm), 100 (56 %) an der weiter verblindeten 2-jährigen Extensionsstudie AURORA-2 teil, die jetzt auf dem EULAR vorgestellt wurde. (14)

73 (Voclosporin) und 51 Patienten (Placebo) hatten zum Zeitpunkt dieser Zwischenanalyse bereits zwei Jahre vollendet. Die UPCR als Maß der Eiweißausscheidung betrug zu Beginn der Behandlung in der AURORA-Studie bei den 116 Patienten, die unter Voclosporin in die Extensionsphase wechselten 3,94 und 3,87 bei den 100 Patienten des Kontrollarms. Die mittlere Änderung der UPCR von Baseline vor Behandlung bis zum zweiten Jahr lag bei -3,1 für Voclosporin und bei -2,1 im Kontrollarm. In den ersten vier Wochen der Voclosporin-Behandlung (AURORA-1) kam es zu einem geringen Abfall der mittleren eGFR, danach blieb die eGFR im ersten und zweiten Jahr stabil. Darüber hinaus wurden keine unerwarteten neuen AEs unter Voclosporin im Vergleich zu den Kontrollen beobachtet.

Fazit: Das Therapieprinzip einer Kombination von MMF mit einem CNI ist nicht neu. Tacrolimus wurde in Kombination mit MMF als „multitargeted therapy“ der LN sowohl in der Induktions- (15) als auch Erhaltungstherapie (16) schon recht intensiv geprüft, bislang aber fast ausschließlich bei asiatischen Patienten, und eine Zulassung von Tacrolimus ist nicht in Sicht. Dies dürfte angesichts der deutlichen Effekte einer Zusatztherapie mit Voclosporin in dieser Phase-III-Studie anders sein. Eine Zulassung ist beantragt und für 2022 zu erwarten.

Anifrolumab (Anti-IFNα-Rezeptor-Antikörper)
Interferon-a (IFNa) wird seit langem als vielversprechendes Target für eine SLE-Therapie angesehen. Erste Studien mit den direkten IFNα-Antikörpern Rontalizumab und Sifalimumab waren aber gescheitert bzw. wenig erfolgversprechend. Mit Anifrolumab gibt es einen monoklonalen Antikörper, der nicht direkt gegen IFNα gerichtet ist, sondern gegen dessen Rezeptor (IFNAR1), was nicht nur die Wirkungen von IFNa, sondern auch die weiterer Interferone antagonisiert.

Eine erste Phase-IIb-Studie zu Anifrolumab bei SLE (MUSE) wurde 2017 veröffentlicht. (17) Es zeigte sich bei insgesamt 305 SLE-Patienten eine SRI-4-Response und Möglichkeit der GK-Reduktion nach 6 Monaten (primärer Endpunkt) aber nur unter der niedrigeren Dosis von 300 mg Anifrolumab pro Monat signifikant häufiger als unter Placebo, bei einer Dosis von 1.000 mg war dies nicht der Fall.

Dann folgten zwei große, weltweite Phase-III-Studien zu Anifrolumab bei SLE, TULIP-1 mit 457 (18) und TULIP-2 (19) mit 362 Patienten. Das Studiendesign der beiden Studien war zunächst praktisch identisch, nur dass in TULIP-1 neben der 300 mg-Dosis auch noch 150 mg pro Monat getestet wurde. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten mit „moderatem bis schwerem“ SLE, festgemacht an einem SLEDAI-2K von ≥6 Punkten (wobei die Items Fieber und ZNS-Symptome nicht herangezogen wurden), einem BILAG-A- oder 2 BILAG-B-Organ-Domänen-Score, wobei eine aktive LN oder ZNS-Lupus (NPSLE) ein Ausschlusskriterium darstellten. Es musste auch eine „stabile“ Standardtherapie mit GK, Antimalariamitteln, AZA, MMF oder Methotrexat bestehen.

Die Patienten erhielten in beiden Studien randomisiert über 48 Wochen monatlich Placebo oder Anifrolumab i.v. unter Fortführung der Standardbehandlung. Patienten, die ≥10 mg Prednison pro Tag einnahmen, mussten dies protokollgemäß reduzieren. Der primäre Endpunkt war für beide Studien zunächst das Erreichen des SLE-Responder-Index-4 (SRI-4) nach 52 Wochen (wie in den BLISS-Studien für Belimumab) unter Anifrolumab 300 mg gegenüber Placebo.

Es handelte sich mit SLEDAI-2K-Werten von im Durchschnitt 11 Punkten schon um relativ aktive Lupuspatienten. Nachdem eine SRI-4-Response in TULIP-1 nicht erreicht wurde (numerisch waren die Raten unter Anifrolumab sogar schlechter als unter Placebo) und sich für die BICLA-Response gewisse „numerische“ Verbesserungen zeigten, wurde dann der primäre Endpunkt vor Entblindung der TULIP-2-Studie nach Rücksprache mit der FDA vom SRI-4 auf die BICLA-Response geändert. Auch bei der BICLA-Response handelt es sich um einen Composite-Score, welcher im Gegensatz zum SRI nicht auf dem SLEDAI fußt, sondern auf dem (komplexeren) BILAG-Score, insgesamt aber ganz ähnlich wie der SRI aufgebaut ist.

Die BICLA-Response wurde unter Anifrolumab in 47,8 % und unter Placebo in 31,5 % der Patienten erreicht (p=0,001), wobei der Unterschied für die (im Nachhinein zum sekundären Endpunkt deklarierte) SRI-4-Response mit 55,5 versus 37,3 % noch etwas deutlicher war (p<0,001). Auch die Verbesserung im Hautbefall (CLASI-Response 49 vs. 25 %; p=0,039) und die Möglichkeit einer GK-Reduktion auf ≤7,5 mg/Tag (51,5 vs. 30 %; p=0,014) waren unter Anifrolumab signifikant besser als unter Placebo. An unerwünschten Ereignissen stachen in beiden TULIP-Studien Herpes Zoster-Infektionen hervor. Sonstige schwerwiegende AEs waren unter Anifrolumab eher seltener als unter Placebo.

Fazit: Anifrolumab war in TULIP-1 nicht, in TULIP-2 aber sehr wohl Placebo in nahezu allen Endpunkten überlegen, einschließlich Krankheitsaktivität, Hautbeteiligung und GK-Bedarf. Die erfolgreiche TULIP-2-Studie führte am 2. August zu einer „beschleunigten“ Zulassung dieses neuen Therapieprinzips für den SLE durch die FDA, auch in Europa ist damit zu rechnen. So erfreulich dies ist, muss man sich fragen, wie die eklatanten Unterschiede im Ergebnis dieser beiden, fast identischen (!) Studien zu erklären sind. Eines nachträglichen Wechsels des primären Endpunktes hätte es gar nicht bedurft, der SRI-4 wurde in TULIP-2 auch erreicht und wenn man diese beiden Studien hinsichtlich der Differenz (in Prozentpunkten) zwischen der Placebo-Response und der SRI-4-Response vergleicht (Abb. 5), kommt man zu Unterschieden, die man sich nur schwer, z. B. auch nicht durch Unterschiede in der Placebo-Responserate, erklären kann.

Auf dem diesjährigen EULAR-Kongress wurde eine Metaanalyse aller drei Studien (MUSE, TULIP-1 und TULIP-2) mit insgesamt 839 Patienten, davon 372 unter Anifrolumab vorgestellt (20), bei der die Domänen CLASI-Reduktion (OR 0,36; p<0,0001), GK-Reduktion (OR 0,41; p<0,0001) und beide Aktivitätsindizes (BICLA-Ansprechen: OR 0,44; p<0,0001, SRI-4-Ansprechen: OR 0,52; p=0,02) unter Anifrolumab signifikant besser waren als unter Placebo. Auch das für Anti-IFNa-Therapien bekannte Risiko von Herpes Zoster-Infektionen kommt dabei zum Ausdruck (OR 1,54; p=0,03).

Zusammenfassung

Auch wenn der genaue Stellenwert einiger der vorgestellten neuen Therapien noch nicht klar ist, so zeichnen sich doch nun auch für die Kollagenosen neue und moderne Therapien ab, die unser Armamentarium bald erweitern werden. Weitere, teilweise vielversprechende Substanzen (wie Obinutuzumab und Daratumumab) befinden sich zudem „in der Pipeline“. Es bleibt also spannend.

Prof. Dr. med. Christof Specker
Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie
Evangelisches Krankenhaus
Pattbergstraße 1-3
45239 Essen


Literatur:

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