SPONDYLOARTHRITIDEN UND PSORIASIS-ARTHRITIS

Kongressbericht vom ACR Convergence 2020

Abb. 1: TICOSPA-Studie: Primärer Endpunkt (≥30 % Verbesserung im ASAS-HI über 12 Monate) unter TC vs. UC (2)

Abb. 1: TICOSPA-Studie: Primärer Endpunkt (≥30 % Verbesserung im ASAS-HI über 12 Monate) unter TC vs. UC (2)

Abb. 2: Phase-III-Studie: ASAS20- und 40-Ansprechen auf Tofacitinib vs. Placebo in Woche 16 (3)

Abb. 2: Phase-III-Studie: ASAS20- und 40-Ansprechen auf Tofacitinib vs. Placebo in Woche 16 (3)

Abb. 3: Phase-II-Studie bei PsA: ACR20/50/70-Ansprechen auf Deucravacitinib 6 und 12 mg vs. Placebo in Woche 16 (4)

Abb. 3: Phase-II-Studie bei PsA: ACR20/50/70-Ansprechen auf Deucravacitinib 6 und 12 mg vs. Placebo in Woche 16 (4)

Bei der axialen Spondyloarthritis (axSpA) gewinnt in der Diagnostik der Sakroiliitis der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zunehmend an Bedeutung, wie aktuell auf dem  virtuellen ACR-Meeting 2020 vorgestellte Daten verdeutlichen. In Sachen Therapie ein Highlight war die TICOSPA-Studie, die Vorteile, aber auch potenzielle Fallstricke eines besonders intensiven Therapiemanagements aufzeigte. Mit Upadacitinib wurde aktuell der erste Januskinase (JAK)-Inhibitor bei röntgenologischer axSpA zugelassen. Bald folgen dürfte nach einer positiven Phase-III-Studie auch Tofacitinib. Besonderes Interesse erregte bei Psoriasis-Arthritis (PsA) der Tyrosinkinase-2 (TYK-2)-Inhibitor Deucravacitinib, der sich in dieser Indikation potenziell als nach der JAK-Hemmung zweites orales Wirkprinzip etablieren könnte. Geschlechtsspezifische Aspekte, die im klinischen Alltag die Therapiewahl zwischen Interleukin (IL)-17- und TNFα-Inhibitoren erleichtern könnten, stammen aus einer Post-hoc-Analyse der EXCEED-Studie.   

KI für die Sakroiliitis-Erkennung?

Auf dem ACR-Kongress 2020 wurden die ersten erfolgreichen Daten zum Einsatz der KI (sog. „Deep Learning“) für die Erkennung von für die axSpA typischen Veränderungen im Röntgenbild der Sakroiliakalgelenke (SIG; definitive röntgenologische Sakroiliitis) vorgestellt. Es wurden über 2.000 durch zentrale Experten bewertete Röntgenbilder der SIG aus zwei unabhängigen axSpA-Kohorten (PROOF und GESPIC) herangezogen, um ein artifizielles neuronales Netz zu trainieren, validieren und dann unabhängig zu testen. Das Netz war auf die Erkennung einer definitiven röntgenologischen Sakroiliitis nach den modifizierten New York-Kriterien (also Klassifikation als nicht-röntgenologische oder röntgenologische axSpA) trainiert. Es wurde eine 90- bzw. 87%-ige Übereinstimmung zwischen der Beurteilung des neuronalen Netzes und der von Experten im Validierungs- bzw. Testdatensatz gesehen. Somit wurde nachgewiesen, dass eine zuverlässige und einheitliche Erkennung definitiver pathologischer Veränderungen im Röntgenbild von SIG mithilfe der KI durchaus möglich ist. Eine Untersuchung der Netz-Performance im diagnostischen Setting sollte noch folgen. Für den klinischen Alltag wäre zudem die Erkennung von SpA-typischen Veränderungen in der MRT von SIG von einer großen Bedeutung – Projekte hierzu laufen noch. (1) 

Aktuelle Studiendaten zur axialen SpA

Im Rahmen einer Plenary-Session wurden Daten der ersten Tight-Control-Studie bei der axSpA vorgestellt. Bei TICOSPA handelt es sich um eine prospektive, Cluster-randomisierte, kontrollierte Studie, die eine Tight-Control (TC)-Strategie mit einer Routine-Behandlungsstrategie (Usual Care, UC) bei axSpA-Patienten (NSAR ineffektiv, bDMARD-naiv, ASDAS >2,1) verglich. 18 axSpA-Expertenzentren wurden im Verhältnis 1:1 den beiden Behandlungsarmen (TC vs. UC) zugewiesen. Im TC-Arm (n=80) wurde eine Strategie mit dem Ziel ASDAS <2,1 und Visiten alle 4 Wochen vorgegeben. Im UC-Arm (n=80) lagen Behandlungsentscheidungen im Ermessen des Rheumatologen mit Visiten alle 12 Wochen. Primärer Endpunkt war der prozentuale Anteil  der Patienten mit signifikanter Verbesserung (>30 %) des ASAS-Health Index (ASAS-HI)-Scores über 12 Monate. Der primäre Endpunkt wurde statistisch gesehen verfehlt, obwohl 47,3 vs. 36,1 % der Patienten im TC- und UC-Arm eine signifikante Verbesserung im ASAS-HI erreichten (Abb. 1). Andere Endpunkte, wie z. B. die Krankheitsaktivität, sprachen tendenziell für einen Vorteil der TC-Strategie. Gleichzeitig war im TC-Arm die Anzahl der mit Biologika behandelten Patienten signifikant höher (56,2 vs. 27,2 %) und es wurden häufiger unterwünschte Ereignisse verzeichnet (41,3 vs. 27,5 %). Somit zeigte diese Studie, dass, obwohl eine TC-Strategie mit häufigen Visiten und strenger Verfolgung des Krankheitsaktivitätszieles bei manchen Patienten vorteilhaft sein kann, der Vorteil mit erhöhten Behandlungskosten und Risiken erkauft wird. (2)

In einer Late-Breaking-Session wurden die lange erwarteten Daten einer Phase-III-Studie mit dem JAK-Inhibitor Tofacitinib bei Patienten mit röntgenologischer axSpA (Versagen auf ≥2 NSAR) vorgestellt. In der 16-wöchigen, placebokontrollierten Phase wurden Patienten im Verhältnis 1:1 auf Tofacitinib 2x 5 mg/Tag (n=133) oder Placebo (n=136) randomisiert. Den primären Endpunkt, das ASAS20-Ansprechen zu Woche 16, erreichten unter Tofacitinib signifikant mehr Patienten als unter Placebo (56,4 vs. 29,4 %; p<0,0001). Der Prozentsatz der Patienten mit einem ASAS40-Ansprechen war ebenfalls signifikant größer mit Tofacitinib im Vergleich zu Placebo (40,6 vs. 12,5 %; p<0,0001) (Abb. 2). Zugleich wurden signifikante Verbesserungen mit Tofacitinib im Vergleich zu Placebo bei BASDAI, ASDAS, CRP, ASQoL, SF-36, BASFI, BASMI und FACIT gesehen. (3) Nach diesen positiven Ergebnissen ist es somit sehr wahrscheinlich, dass nach Upadacitinib (nach zuvor guten Phase-II/III-Studiendaten) auch Tofacitinib für die Behandlung der axSpA in 2021 zugelassen wird. 

Neue Studienergebnisse zur PsA

Bei der PsA verbreitert sich das Therapiearsenal nach der Zulassung des IL-23-Inhibitors Guselkumab immer weiter, auch Bimekizumab (Anti-IL-17A/F) ist ein interessanter Kandidat, die Phase-III-Daten hierzu stehen aber (wie bei der axSpA) noch aus. Vor Kurzem erfolgte auch die Zulassung von Upadacitinib nach zwei erfolgreichen Phase-III-Studien, womit nach Tofacitinib ein zweiter JAK-Inhibitor bei PsA verfügbar ist. Hoffnung macht mit der TYK-2-Hemmung auch noch ein weiteres orales Therapieprinzip. So wurde im Rahmen einer Phase-II-Studie bei PsA-Patienten erstmals ein TYK-2-Inhibitor, Deucravacitinib, in Dosierungen von 1x 6 bzw. 12 mg/Tag mit Placebo verglichen. Die Studie erreichte ihr primäres Ziel, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zu zeigen, wobei sowohl Deucravacitinib 6 mg (n=70) als auch 12 mg (n=67) in Woche 16 ein signifikant größeres ACR20/50/70-Ansprechen im Vergleich zu Placebo (n=66) zeigten (Abb. 3). (4) Es bleibt aber zunächst noch abzuwarten, ob die positiven Phase-II-Studiendaten auch in Phase-III reproduziert werden können.

Eine Post-hoc-Analyse der Head-to-Head Studie EXCEED zu Secukinumab vs. Adalimumab lieferte Daten zu einem möglichen Unterschied in der Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens auf die Anti-IL-17- bzw. -TNF-Therapie zwischen Männern und Frauen. Erstens war das Ansprechen auf die Therapie bei Frauen grundsätzlich geringer als bei Männern.  Zweitens zeigten Frauen ein signifikant besseres Ansprechen auf Secukinumab 300 mg im Vergleich zu Adalimumab 40 mg nach 52 Wochen. Diese Ergebnisse bestätigten frühere Beobachtungen, wonach das Therapieansprechen bei Frauen mit PsA generell geringer ausfällt als bei Männern. Gleichzeitig muss angemerkt werden, dass EXCEED – wie die meisten anderen Studien auch – nicht nach dem Geschlecht stratifiziert war. (5) 

Quellen:
1 Bressem KK et al., Arthritis Rheumatol 2020; 72(Suppl10): Abstr. 2018
2 Molto A et al., Arthritis Rheumatol 2020; 72(Suppl10): Abstr. 1444
3 Deodhar A et al., ACR Convergence 2020: Abstr. L11
4 Mease PJ et al., ACR Convergence 2020: Abstr. L03
5 Wright G et al., Arthritis Rheumatol 2020; 72(Suppl10): Abstr. 0507


Prof. Dr. med. Denis Poddubnyy
Leiter der Rheumatologie am Campus Benjamin Franklin – Medizinische Klinik für Gastroenterologie,
Infektiologie und Rheumatologie 
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin