VERSORGUNGSFORSCHUNGSPROJEKT GOAL-ASV

Evaluation der ASV-Richtlinie des G-BA

Abb.: Anteilige Verteilung der ASV-Teams pro 1 Mio. Einwohner je KV-Bezirk sowie absolute Anzahl der ASV-Teams und Anzahl Ärzte (in Klammern). Quellen: ASV-Servicestelle, Stand 3.5.2021; GKV-Spitzenverband, Stand 7.4.2021; Statistisches Bundesamt, 2020. Grafik DSAT for MSFT, GeoNames, TomTom

Abb.: Anteilige Verteilung der ASV-Teams pro 1 Mio. Einwohner je KV-Bezirk sowie absolute Anzahl der ASV-Teams und Anzahl Ärzte (in Klammern). Quellen: ASV-Servicestelle, Stand 3.5.2021; GKV-Spitzenverband, Stand 7.4.2021; Statistisches Bundesamt, 2020. Grafik DSAT for MSFT, GeoNames, TomTom

Ein Projekt des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (Förderkennzeichen 01VSF19002)

Auch acht Jahre nach Einführung der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) war das Potenzial der sektorenverbindenden Versorgungsform noch nicht annährend ausgeschöpft. Um die Gründe für die langsame Etablierung zu identifizieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten, hat ein Konsortium den Förderzuschlag für die Evaluation der ASV-Richtlinie im Rahmen des Innovationsfonds des G-BA erhalten. Der BDRh unterstützte das Projekt als Kooperationspartner (ohne eigene Förderung).

Ziele des Projekts

Ziel des Forschungsprojekts GOAL-ASV war es, die Umsetzungspraxis der ASV-Richtlinie für alle Indikationen zu evaluieren. Teilziele waren die Analyse des Status quo der ASV-Umsetzung, die Identifizierung relevanter, beeinflussbarer Faktoren für die Teilnahmebereitschaft von Leistungserbringern an der ASV sowie von bestehenden Zugangsbarrieren. Außerdem sollten relevante Faktoren für die praktische Umsetzung identifiziert und die Auswirkungen der ASV auf die Patientenversorgung ermittelt werden.

Hierzu wurden vom 1.1.2020 bis zum 28.2.2022 die Daten der ASV-Servicestelle, des GKV-Spitzenverbands sowie Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen analysiert und Arztpraxen sowie Krankenhäuser zu ihrer Motivation, dem Aufwand und Nutzen bezüglich einer Teilnahme an der ASV befragt. Auch Patientinnen und Patienten sowie Patientenvertreter haben die ASV aus ihrer Sicht bewertet. Hierfür wurden Online-Befragungen, Interviews und Expertenworkshops durchgeführt. Anhand dieser quantitativ und qualitativ gewonnenen Erkenntnisse wurden Handlungsempfehlungen entwickelt, die eine bessere Umsetzung und eine stärkere Etablierung der ASV ermöglichen sollen.

Ergebnisse

Auf dem Symposium des Bundesverbandes ASV „10 Jahre ASV“ am 4. April 2022 in Berlin wurden die Ergebnisse des Versorgungsforschungsprojekts sowie die erarbeiteten Handlungsempfehlungen präsentiert. Es zeigt sich, dass die ASV durchaus Möglichkeiten bietet, die Vernetzung und Kooperation zwischen den Leistungserbringern sowie zwischen den Sektoren zu intensivieren. Jedoch bestehen nach wie vor relevante Hürden und Probleme, welche die Teilnahme an der ASV sowie die Umsetzung im Praxisalltag erschweren.

Die Bildung der ASV-Teams – und somit der behandelten Patienten in der ASV – kommt noch immer nur langsam voran. Dies liegt unter anderem an dem aufwändigem und nicht einheitlichem Anzeigeverfahren, welches die Teilnahme an der ASV deutlich erschwert. Auch die intendierte intersektorale Kooperation, insbesondere bei den onkologischen Erkrankungen, wird teilweise nur faktisch umgesetzt, indem einzelne Fachdisziplinen aus dem anderen Sektor besetzt werden oder Kliniken mit ihren eigenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) kooperieren. Insgesamt kommen nur 42 % der ASV-Ärzte aus dem niedergelassenen Bereich, wie nicht veröffentlichte Daten des GKV-Spitzenverbands zeigen. Zudem ist die Anzahl der ASV-Teams in den KV-Bezirken sehr unterschiedlich – insbesondere, wenn man sie in Relation zur Bevölkerung setzt (Abb.). Die Analysen zeigten auch, dass die ASV-Richtlinie nicht in allen Bereichen die Versorgungsrealität abbildet und teilweise zu Versorgungsbrüchen und Schnittstellenproblemen führt. Beispielweise kann die Abklärung bei Verdacht bei den onkologischen Erkrankungen nicht in der ASV durchgeführt werden, da nur Patienten mit gesicherten Diagnosen in die ASV aufgenommen werden können.

Zudem zeigten die Befragungen, dass nicht alle Ärzte vom Nutzen der ASV für sich und die Patienten überzeugt sind. Die meisten Ärzte sehen durch die ASV keine relevante Steigerung der Qualität in der Patientenversorgung. Diese Einschätzung wurde durch die Patientenbefragungen bestätigt, da die Patienten insgesamt kaum signifikante Vorteile durch die Behandlung in der ASV angegeben haben.

Die im Projekt durchgeführten Interviews und Befragungen der Leistungserbringer ergaben außerdem ein Defizit an Informations- und Austauschmöglichkeiten. Die interviewten Ärzte wünschen sich eine niederschwellige (digitale) Plattform, um über wichtige Regelungen und Inhalte sowie Änderungen informiert zu werden und sich mit anderen ASV-Teams besser auszutauschen.

Die Ertragssituation in der ASV hängt sehr stark von der Teamebene und dem Indikationsbereich ab. Insbesondere durch den Wegfall der Mengenbegrenzung sowie den neuen EBM-Kapiteln für die ASV bzw. die neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) verbessern sich bei den häufigen Erkrankungen die Erlöse in der ASV zum Teil deutlich.

Im Gegensatz dazu ist die Ertragssituation bei den seltenen Erkrankungen deutlich schlechter, da die zeitaufwändige Betreuung der Patienten durch das EBM-System nicht abgedeckt ist. Zudem ist für die hinzuzuziehenden Ärzte die Abrechnung über die ASV häufig nicht interessant, da die Erlöse durch die Betreuung der wenigen ASV-Patienten die Fixkosten, wie beispielsweise für die Software für die Abrechnung nur selten ausgleichen. Dies zeigt sich auch in einer sogenannten Passivteilnahme der hinzuzuziehenden Ärzte, welche die zugewiesenen Patienten teils über die Regelversorgung abrechnen.

Des Weiteren haben die Auswertungen des Projekts gezeigt, dass ein nicht unerheblicher Anteil an sogenannter Mehrfachinanspruchnahme stattfindet – also Patienten sowohl in der ASV also auch in der Regelversorgung behandelt und abgerechnet werden.

Handlungsempfehlungen

Zur Verbesserung der ASV hat das Konsortium umfangreiche Handlungsempfehlungen formuliert und mit dem Abschlussbericht dem G-BA vorgelegt. Die Empfehlungen zielen insbesondere auf die folgenden Bereiche:

–   Abbau von Teilnahmehürden
–   Abbau von Hürden während der Teilnahme
–   Verbesserte Vergütung und Abrechnung
–   Steigerung des Patientennutzens und der Versorgungsqualität
–   Optimierung des Informationsaustauschs zwischen den Leistungserbringern
–   Verbesserung der elektronischen Dokumentation

Projektbeteiligte

Das Konsortium bestand aus dem Institut für Gesundheit und Soziales (ifgs), der FOM Hochschule für Oekonomie & Management (Projektleitung), dem Leibnitz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), dem Wissenschaftlichen Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (WINHO) sowie dem Bundesverband ASV (BV-ASV). Zusätzlich wurden zwölf Kooperationen mit Berufsverbänden und Selbsthilfegruppen etabliert, die das Projekt unterstützten.          

Literatur:

ASV-Servicestelle. www.asv-servicestelle.de/Home/ASVVerzeichnis/Leistungsbereich.html (letzter Zugriff 15. Juni 2021) | GKV-Spitzenverband. (2021). Unveröffentlichte Daten des Bewertungsausschusses (BA). Berlin | Statistisches Bundesamt. www-genesis.destatis.de/genesis//online (letzter Zugriff 16. Juli 2021)

Laura Bredow
Bundesverband ambulante spezialfachärztliche Versorgung e.V.
Dr.-Max-Str. 21, 82031 Grünwald