Rheumapatienten leben heute länger als noch vor zwei Jahrzehnten. Große Fortschritte in der Behandlung ermöglichen Betroffenen heute eine gute Lebensqualität. „Bei frühzeitiger adäquater Therapie ist die Lebensführung bei den meisten Patientinnen und Patienten kaum noch eingeschränkt“, sagt Prof. Dr. Christof Specker, Essen, DGRh-Präsident und einer der Memorandums-Autoren. Jedoch beträgt die Wartezeit auf einen ersten Termin in einer Praxis oder Klinikambulanz nicht selten mehr als drei Monate.
Hauptursache sei ein personeller Mangel: Es gibt zu wenige Fachärztinnen und -ärzte (FÄ) für Rheumatologie, erklärt Specker: „Um dies nachhaltig zu ändern, müssen wir schon früh ansetzen und mehr Studentinnen und Studenten für unser hochinnovatives Fach begeistern. Zurzeit verfügen nur zehn von 38 staatlichen Universitäten über einen eigenständigen rheumatologischen Lehrstuhl. Dadurch kommen zu wenig Studierende mit der Rheumatologie in Kontakt.“ Die DGRh fordert, dass Studierende an jeder medizinischen Fakultät in Deutschland ein adäquates rheumatologisches Lehrangebot erhalten und dass zukünftig wenigstens jede zweite medizinische Fakultät über einen rheumatologischen Lehrstuhl verfügt.“
Ambulante Versorgung: Fast 1.000 Rheumatologen fehlen
Ende 2023 gab es in Deutschland 1.164 FÄ für Rheumatologie (55 % in Niederlassung, 40 % in Kliniken und 5 % in Behörden/anderen Einrichtungen), rund 30 % davon ≥60 Jahre. Vertragsärztlich waren dies 715 FÄ (39 % angestellt). In Kliniken waren 39 % der FÄ in Teilzeit tätig. Für eine bedarfsgerechte ambulante Versorgung werden mindestens 2 FÄ für Rheumatologie pro 100.000 Erwachsene benötigt (ca. 1.400). Allein im ambulanten Bereich fehlen derzeit 700 FÄ für Rheumatologie. Kalkuliert man noch die altersbedingt ausscheidenden FÄ und den steigenden Anteil jener in Teilzeit mit ein, ist in den nächsten Jahren sogar von einer Unterdeckung von ca. 1.000 FÄ auszugehen.
Um diese Lücke zu schließen, ist eine Ausweitung der Weiterbildung essenziell: „Die Zahl der Stellen für rheumatologische Assistenzärztinnen und -ärzte muss sich am Versorgungsbedarf der Bevölkerung orientieren“, benennt Prof. Dr. Jürgen Braun, Berlin, eine weitere DGRh-Forderung. „Dafür muss es gelingen, bis zum Jahr 2029 zusätzliche 100 rheumatologische Weiterbildungsstellen im ambulanten und stationären Bereich zu schaffen“, so Braun. Das Memorandum formuliert dafür verschiedene Lösungsansätze, z. B. die Förderung einer sektoren-übergreifenden Verbundweiterbildung. „Sehr wirksam wäre auch eine anteilige Finanzierung der Weiterbildung durch die Kostenträger, das heißt Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigungen.“
Lösungsansätze vorhanden, aber meist unterfinanziert
Um Versorgungsengpässe zu reduzieren, setzen Initiativen auf Frühsprechstunden, Delegation ärztlicher Leistungen an rheumatologische Fachassistenz, strukturierte Patientenschulungen und digitale Versorgungskonzepte. „Diese sind zwar meist erfolgreich, aber in der Regel nicht ausreichend finanziert“, erläutert Dr. Katinka Albrecht vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), die für das Memorandum große Teile des Zahlenwerks recherchiert und erstellt hat.
Gemeinsam mit ihren Partnern fordert die DGRh die Handelnden in Politik und Gesundheitswesen auf, die rheumatologische Versorgung im Interesse von ca. 1,8 Millionen Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Die 4. Neuauflage des Memorandums wurde unter Führung der DGRh gemeinsam mit BDRh, dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA), der Deutschen Rheuma-Liga und dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) erstellt.
Quellen:
Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRh), 21. August 2024
Braun J et al., Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie 2024. Z Rheumatol 2024; 83(Suppl 2): 249-284