COVID-19 UND RHEUMATOLOGIE

Deutsches Register und Impfungen: Aktuelle Erkenntnisse

Angesichts der Tatsache, wie sehr die SARS-CoV-2-Pandemie sowohl Rheumatologen als auch ihre Patienten in Atem gehalten hat, wird an dieser Stelle zunächst auf die den virtuellen DGRh-Kongress beschließende COVID-19-Session eingegangen, auf der namhafte Experten zu den Impfstoffen, der Pathophysiologie von COVID-19 und den gegenwärtig eingesetzten Therapien Stellung nahmen. So wurde durchaus Hoffnung gemacht, dass der Übergang in die endemische Phase begonnen hat und im nächsten Jahr die Chancen für Präsenzveranstaltungen wie den DGRh-Kongress 2022 in Berlin wieder recht hoch sein dürften. Herausgegriffen wird hier das für niedergelassene Rheumatologen wichtigste Thema, der Stand des deutschen und weltweiten Registers zum Outcome von Rheumapatienten und praktische Aspekte zu den Impfungen. 

Dem früh nach Pandemiebeginn von der DGRh ins Leben gerufenen „Covid-19-Rheuma“-Register (www.covid19-rheuma.de) wurden laut Dr. Rebecca Hasseli-Fräbel, Bad Nauheim, bis Ende August 3.151 Fälle von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) und einer COVID-19 Infektion gemeldet. In das EULAR-Register wurden bis dato 2.342 Fälle (23 %) eingespeist. Im globalen Register sind (Stand Juli 2020) 19.729 Fälle erfasst, knapp die Hälfte davon entstammt aus Europa. In Deutschland wurden mehr als die Hälfte der Fälle aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg gemeldet, was auch der Verteilung der COVID-19-Fälle in der Allgemeinbevölkerung entspricht. Jeder zweite Patient (51,5 %) ist zwischen 50 und 69 Jahre alt, jeder dritte ist unter 50 Jahre alt und jeder fünfte ist über 70. Von den gemeldeten Fällen sind 67 % Frauen.

Die häufigsten Diagnosen sind mit 1.471 Fällen rheumatoide Arthritis (RA), Spondyloarthritis (SpA) (n=862) und Kollagenosen (n=384), 103 lassen sich der ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV) zuordnen, 246 anderen Vaskulitiden. Die 255 restlichen Fälle entfallen auf sonstige Erkrankungen, 158 Registrierte haben mehr als eine ERE. 90 % nehmen Immunmodulatoren ein, am häufigsten Methotrexat (MTX; 36,5 %), Glukokortikoide (GK; 32 %) und TNFα-Inhibitoren (21 %).

Einfluss der Grunderkrankung und Therapien auf den COVID-19-Verlauf

Bis jetzt sind im Covid-19-Rheuma Register 2.650 Patienten (84 %) wieder genesen. Bei 102 Patienten (3,2 %) nahm die Infektion einen letalen Verläuf, davon hatten 60 eine RA, 16 eine AAV, 14 eine Kollagenose, elf eine Spondyloarthritis, acht eine sonstige ERE und sieben eine sonstige Vaskulitis. Insgesamt wurden 2.490 Patienten (79 %) ambulant und 661 (21 %) stationär behandelt, wovon 122 eine invasive Beatmung erhielten. Besonders Vaskulitiden, RA und teils auch Kollagenosen waren gehäuft mit einem schlechten Verlauf assoziiert.

Bei einem Blick auf die zum Zeitpunkt der Infektion eingenommenen Immunmodulatoren fällt auf, dass Prednisolon und Rituximab, aber womöglich auch Januskinase (JAK)-Inhibitoren öfter mit einem schlechten Verlauf (invasive Beatmung, Tod) verbunden waren, während solche Fälle unter TNFα-Inhibitoren und Hydroxychloroquin  eher unterrepräsentiert waren.

Dass insbesondere hohe GK-Dosierungen und Rituximab (sowie andere Anti-B-Zell-Therapien) das Risiko für COVID-19 assoziierte Komplikationen bei Rheumapatienten erhöhen können, hatten bereits mehrere Fallserien früh angedeutet. Hasseli-Fräbel verwies in diesem Kontext auf eine auf dem EULAR-Kongress präsentierte Auswertung des globalen COVID-19 Rheuma-Registers, die sich gezielt mit dem Verlauf von RA-Patienten (n=2.869) unter verschiedenen bDMARDS und JAK-Inhibitoren (mit/ohne csDMARDs) beschäftigte. In einer Propensity-Score gematchten Analyse war mit TNFα-Inhibitoren als Referenz nur unter Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitoren die Wahrscheinlichkeit für ein schlechtes COVID-19-Outcome im Trend geringer (Odds ratio, OR 0,76), unter Rituximab (OR 4,70), JAK-Inhibitoren (OR 2,09) und Abatacept (OR 1,60) war es dagegen signifikant höher. Im Hinblick auf das Risiko für eine Hospitalisierung, Hospitalisierung mit Beatmung, mechanische Beatmung und Tod zeigte sich nur für Rituximab (ORs 4,53, 2,87, 4,05 bzw. 4,57) und JAK-Inhibitoren (ORs 2,40, 1,55, 2,03 bzw. 2,04) ein konsistent höheres Risiko. Im Ergebnis zeigte sich damit wie im deutschen Register ein höheres Risiko unter Rituximab, das Signal unter JAK-Inhibitoren muss noch weiter untersucht werden.  

Daten zur Sicherheit und Effektivität von COVID-19-Impfungen  

Bezüglich der COVID-19-Impfungen empfiehlt die DGRh zwar, die Immunmodulation zum Zeitpunkt der Impfung so gering wie möglich zu halten, weist aber darauf hin, dass deren Absetzen eine Reaktivierung der ERE zur Folge haben kann und rät deshalb davon ab. Vorsicht ist primär bei Rituximab gefragt: Falls möglich sollten Alternativen erörtert werden, ansonsten wird empfohlen, den ersten bzw. nächsten Zyklus auf 2-4 Wochen nach Ende der Impfserie zu verschieben und die Impfung erst 4-5 Monate nach der letzten Rituximab-Gabe durchzuführen. Prednisolon sollte möglichst auf <10 mg/Tag reduziert, MTX für 1-2 Wochen nach jeder Impfung, JAK-Inhibitoren 1-2 Tage vor bis 1 Woche nach jeder Impfung, Abatacept s.c. 1 Woche vor und danach (i.v.: Impfung im Intervall zwischen 2 Infusionen, wenn möglich 4 Woche nach einer Infusion mit Verzögerung der nächsten Infusion um 1 Woche) sowie Mycophenolat Mofetil (MMF) 1 Woche danach pausiert werden.

In Deutschland werden COVID-19-Impfungen (Verträglichkeit, Medikation, Schübe und Effektivität) bei Rheumapatienten im Covid-19 Rheuma-Register mittels einer Umfrage erfasst. Bis zum 11. September wurden 1.842 Erstimpfungen registriert (davon 69 % mit Biontech/Pfizer). Erfreulich ist laut Hasseli, dass die Nebenwirkungen im Wesentlichen jenen der Allgemeinbevölkerung entsprechen (70 % Schmerzen an Einstichstelle, 42 % Müdigkeit, 31 % Cephalgien, 24 % Arthralgien, etc.) und im Median 2 Tage andauern. Eine Zunahme der Entzündungsaktivität berichteten 15 % der Befragten, Schübe waren im Mittel moderat (5 auf einer Skala von 0-10) ausgeprägt und persistierten für im Median 40 Tage. Bei 48 % war aber keine Änderung der Immunmodulation erforderlich, bei 42 % nur eine geringfügige (GK in höherer Dosis, NSAR) und nur bei je 5 % bedurfte es eines neuen Immunmodulators oder einer Kombinationstherapie.

Dies deckt sich weitgehend mit Befunden zur Sicherheit von COVID-19-Impfungen bei ERE-Patienten aus dem EULAR COVAX-Register (n=1.519; 66 % vollständig geimpft, 78 % Biontech/Pfizer; ERE 51 %, Kollagenosen 19 %, Vaskulitiden 16 %). Nur in 1 % der Fälle wurde nach der Impfung eine COVID-19-Diagnose gestellt. Zu Schüben der Grunderkrankung kam es (im Mittel nach 5 Tagen) hier sogar lediglich bei 5 % der Patienten (davon Arthritis 2,5 %, Arthralgie 2,1 %, kutan oder mehr Fatigue je 0,8 %), als schwer wurden diese bei 1,2 % eingestuft. Bei 31 % kam es zu typischen unerwünschten Ereignissen, bei 2 % zu systemischen Reaktionen. Damit zeigte sich ein gutes und mit der Allgemeinbevölkerung vergleichbares Sicherheitsprofil der Impfung gegen COVID-19.

Besonders aufschlussreich war eine große Beobachtungsstudie israelischer Rheumatologen zur Immunogenität, Wirksamkeit und Sicherheit der Biontech/Pfizer-Vakzine bei ERE-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, die gleichfalls auf dem EULRAR-Kongress vorgestellt wurde. In die prospektive Studie wurden 686 ERE-Patienten (69 % Frauen; mit RA, SpA, SLE, Kollagenosen, Vaskulitiden und idiopathischen entzündlichen Myopathien [IIM]) sowie 121 Kontrollen eingeschossen, die beide Dosen der mRNA-Vakzine erhalten hatten. Die ERE-Patienten waren signifikant älter als die Kontrollen (56,8 vs. 50,8 Jahre; p<0,0001).

95,2 % der ERE-Patienten erhielten Immunmodulatoren, am häufigsten eingesetzt wurden GK (19 %), MTX (26 %), TNFα-Inhibitoren (25 %) und Rituximab (13 %). Es zeigte sich eine niedrigere Rate der Seropositivität bei den ERE-Patienten im Vergleich zu den Kontrollen (86 vs. 100 %; p<0,0001). Auch der S1/S2-Antikörperspiegel war geringer (132,9 vs. 218,6; p<0,0001). Bei Patienten mit PsA, axSpA, SLE und Großgefäßvaskulitiden lag die Seropositivitäts-Rate über 90 %, bei RA betrug sie 82,1 %, am niedrigsten war sie bei Patienten mit AAV und IIM mit unter 40 %. Rituximab beeinträchtigte am stärksten die Immunogenität und resultierte in der niedrigsten Seropositivitäts-Rate (39 %; p<0,001) – abhängig vom Abstand zwischen letzter Infusion und Impfung (1,2 % nach 90, 18,4 % nach 180 und 52,2 % nach 365 Tagen). Auch der Einsatz von GK, MMF und Abatacept sowie (in geringerem Maße) MTX war mit einer niedrigeren Seropositivität assoziiert. Die Effektivität der mRNA-Vakzine war gut, es kam nur bei einem ERE-Patienten zu einer symptomatischen Infektion, schwere Nebenwirkungen waren selten (aber in 3 Fällen letal). Bei 60-90 % der Patienten blieb die Krankheitsaktivität stabil.                                         

Ausblick: Die Rheumatologen wurden von Hasseli-Fräbel eindringlich dazu aufgerufen, weiterhin Patienten einzuschließen und deren Verläufe zu dokumentieren. Im Covid-19 Rheuma-Register erfolgt unter www.covid19-rheuma.de/sae inzwischen auch eine standardisierte Erfassung schwerer unerwünschter Ereignisse, Neudiagnosen von ERE, einer katastrophalen Zunahme der Aktivität, des Nachweises von Autoimmunantikörpern und von lebensbedrohlichen bzw. tödlichen Nebenwirkungen.

Quelle: Plenarsitzung „COVID-19 Session“, DGRh-Kongress, 18. September 2021