SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES

Baricitinib aus dem Rennen, dafür womöglich zwei neue Hoffnungsträger

Abb.: PAISLEY: SRI-4-Ansprechen auf drei Deucravacitinib- Dosierungen vs. Placebo in Woche 32 (2)

Abb.: PAISLEY: SRI-4-Ansprechen auf drei Deucravacitinib- Dosierungen vs. Placebo in Woche 32 (2)

Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) bleiben die Zulassungsstudien das große Problem, so scheiterten auch zwei Phase-III-Studien zu dem Januskinase (JAK)-Inhibitor Baricitinib, SLE-BRAVE-I und -II – beide recht gut „versteckt“ als Poster präsentiert. Da auch Baricitinib eigentlich gute Phase-II-Ergebnisse vorweisen konnte, bleibt die Skepsis gegenüber zwei neuen Therapiekandidaten doch recht groß. Recht aussichtsreich erscheint womöglich der als tsDMARD den JAK-Inhibitoren „verwandte“ Tyrosinkinase (TYK)-2-Inhibitor Deucravacitinib, der recht gute Phase-II-Daten lieferte. Nachdem bislang sämtliche Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitoren (nicht nur) bei SLE enttäuschten, war eine positive Phase-I/II-Studie zu Orelabrutinib durchaus eine Überraschung. Wenngleich auch nur für mehrfach therapierefraktäre, schwer kranke SLE-Patienten eine Option, scheinen sich die hoffnungsvollen Daten zur CAR-T-Zelltherapie zu bestätigen.

Zunächst zu den von Eric F. Morand, Melbourne (Australien), und Kollegen als Poster präsentierten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studien SLE-BRAVE-I und SLE-BRAVE-II. In den beiden identisch designten Studien wurden Patienten mit Autoantikörper-positivem, aktiven SLE (im Mittel SLEDAI-2K 10,1) auf dem Boden einer stabilen Hintergrundtherapie (75 % Glukokortikoide [GK], >50 % Immunsuppressiva [IS]) im Verhältnis 1:1:1 für 52 Wochen auf Baricitinib 2 oder 4 mg oder Placebo randomisiert. In SLE-BRAVE-I wurden 760, in SLE-BRAVE-II 775 Patienten eingeschlossen, stratifiziert nach Baseline-Krankheitsaktivität, Prednisolon-Gebrauch (eine Reduktion auf <7,5 mg/Tag bis Woche 40 war zwar nicht zwingend, wurde aber angeraten) und geografischer Region (im Mittel 40 Jahre, >90 % Frauen, Krankheitsdauer 7-8 Jahre, 50 % mit einem SLEDAI-2K >10). Arthritische und kutane Beschwerden waren die am häufigsten betroffenen SLE-Domänen. Primärer Endpunkt beider Studien war der Anteil von Patienten, die in Woche 52 ein SLE Responder Index-4 (SRI-4)-Ansprechen erreichten.

In SLE-BRAVE-I erreichten unter Baricitinib 4 mg (56,7 %), aber nicht Baricitinib 2 mg (49,8 %), signifikant mehr Patienten ein SRI-4-Ansprechen in Woche 52 als unter Placebo (45,9 %; p=0,016). Kein solcher Unterschied war hingegen in SLE-BRAVE-II auszumachen (47,1 und 46,3 vs. 45,6 %). In keiner der beiden Studien wurden die wichtigsten sekundären Endpunkte wie das SRI-4-Ansprechen in Woche 24, ein Lupus Low Disease Activity State (LLDAS), eine GK-Reduktion oder die Zeit bis zum ersten schweren Schub (SFI) erreicht. In SLE-BRAVE-I wurde unter Baricitinib 4 mg eine signifikante Verbesserung arthritischer und kutaner Domänen (sowohl im SLEDAI-2K als auch BILAG) verzeichnet, nicht aber in SLE-BRAVE-II.

Schwere unerwünschte Ereignisse (UE) wurden bei 7,1 und 8,6 % (Placebo), 9,4 und 13,4 % (2 mg) bzw. 10,3 und 11,2 % (4 mg) der Patienten dokumentiert; das Sicherheitsprofil war konsistent mit früheren Daten. Die Gründe für die nach der positiven Phase-II-Studie enttäuschenden Ergebnisse sind noch offen, weitergehende Analysen laufen noch. (1)

Positive Phase-II-Studie zu Deucravacitinib 

Wiederum Eric F. Morand präsentierte stellvertretend für eine internationale Gruppe als Late-breaking Abstract die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie PAISLEY zu dem ebenfalls oralen, selektiven TYK-2-Inhibitor Deucravacitinib, der sich bereits bei Psoriasis und Psoriasis-Arthritis als effektiv erwiesen hatte. Die Rationale für die Studie war, dass TYK-2 in die Signalwege von Typ I-Interferonen sowie Interleukin (IL)-23 und -12 eingreift, die eine wichtige Rolle in der SLE-Pathogenese spielen.

In die 48-wöchige Studie eingeschlossen wurden die SLICC-Kriterien erfüllende, seropositive (ANA/anti-dsDNA/anti-Sm) Patienten mit aktivem SLE (SLEDAI-2K ≥6 und ≥1 BILAG Index A oder >2 BILAG B-Manifestationen der arthritischen oder mukokutanen Domäne). Die 363 Patienten (im Mittel 40 Jahre, 92 % Frauen, 80 % auf GK, SLEDAI-2k 10,8) auf einer stabilen Hintergrundtherapie wurden im Verhältnis 1:1:1:1 auf Placebo oder Deucravacitinib (2x 3 mg/Tag [BID], 6 mg BID oder 1x 12 mg/Tag [QD]) randomisiert. Ein GK-Tapering auf 7,5 mg/Tag in den Wochen 8-20 war obligatorisch, ein weiteres von Woche 32-40 fakultativ. Primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten mit einem SRI-4-Ansprechen in Woche 32, sekundäre Endpunkte in Woche 48 waren der SRI-4, BICLA, LLDAS, eine CLASI-Reduktion um ≥50 % (CLASI-50) und Reduktion von SJC/TJC um ≥50 % (JC-50).

Die komplette Studie schlossen 275 Patienten ab (76 %). Der primäre Endpunkt SRI-4 in Woche 32 wurde mit Deucravacitinib 3 und 6 mg BID, aber nicht 12 mg QD, signifikant im Vergleich zu Placebo erreicht (58,2, 49,5 und 44,9 % vs. 34,4 %; p=0,0006, p=0,021 bzw. p=0,078) (Abb.). Alle sekundären Endpunkte wurden signifikant erreicht oder klinisch relevant gebessert mit der auch in Woche 48 durchweg stärksten Effektivität der 3 mg BID-Dosis (so z. B. SRI-4 57,1 vs. 34,4 %; p=0,0011, BICLA 47,3 vs. 25,6 %; p=0,0012, LLDAS 36,3 vs. 13,3 %, p=0,0002, CLASI-50 69,6 vs. 16,7 %; p=0,0006, JC-50 68,3 vs. 45,3 %). Keine relevanten Unterschiede gab es im Hinblick auf alle und schwere UE, unter Deucravacitinib kam es zu ≥10 % zu Infektionen der oberen Atemwege, des Harntrakts, Nasopharyngitis und Kopfschmerzen. Somit zeigte sich bei guter Verträglichkeit eine bis dato beachtliche Wirksamkeit des TYK-2-Inhibitors, eine Weiterentwicklung in Phase-III dürfte gesichert sein. Offen bleibt aber, warum die niedrigste Dosierung am besten abschnitt. (2)

BTK-Inhibitor Orelabrutinib mit vielen Fragezeichen

Die Resultate einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-Ib/IIa-Dosisfindungsstudie zu dem hochselektiven BTK-Inhibitor Orelabrutinib (in China für B-Zell-Malignitäten zugelassen) stellten Zhanghuo Li, Peking (China), und Kollegen ebenfalls als Late-breaker vor. In die kleine 12-wöchige Studie eingeschlossen wurden 60 Patienten (55 schlossen sie ab; mittleres Alter 34 Jahre, 97 % Frauen) mit leichtem bis mäßigem, Autoantikörper-positivem SLE für ≥6 Monate gemäß den ACR-Kriterien (SLEDAI-2K ≥5). Diese wurden im Verhältnis 1:1:1:1 zusätzlich zu einer Standardtherapie (SoC) auf Placebo oder orales Orelabrutinib 1x50 mg, 80 mg oder 100 mg/Tag randomisiert. UE traten (in aufsteigender Dosierung) bei 80, 93,3 und 100 % vs. 85,5 % (Placebo) der Patienten auf.

Bei allen (per Protokoll) auswertbaren Patienten betrug das SRI-4-Ansprechen in Woche 12 50,0, 61,5 und 64,3 % unter Orelabrutinib 50, 80 und 100 mg/Tag gegenüber 35,7 % unter Placebo, noch größer waren die Differenzen bei Teilnehmern mit einem Baseline-SLEDAI-2K ≥8 mit 70, 70 und 66,7 vs. 30 % (man bedenke aber die sehr geringen Fallzahlen von ≤10 Patienten pro Gruppe). Im Trend zeigte sich unter dem BTK-Inhibitor eine Reduktion der Proteinurie, anti-dsDNA, Immunglobulin (Ig)G, B-Zellen und Komplement C4. Bei insgesamt guter Sicherheit und Verträglichkeit sind die Ergebnisse durchaus vorteilhaft, aber mit großen Fragezeichen zu versehen – ob diese Substanz auch in einer Studie mit größeren Fallzahlen überzeugen kann bleibt ebenso abzuwarten, wie, ob sie in Europa und den USA jemals verfügbar und ernsthaft geprüft wird. (3)  

Update zur CAR-T-Zelltherapie und Lupusnephritis

Für viele Schlagzeilen hatte letztes Jahr die Präsentation eines Falls zum Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie bei einer schwer erkrankten therapierefraktären SLE-Patientin durch Georg Schett, Erlangen, und Kollegen gesorgt. Auf dem EULAR wurden inzwischen positive Daten zu 5 Patienten vorgelegt (Beobachtungsdauer 1-10 Monate). Die Machbarkeit des allerdings sehr teuren Verfahrens wurde eindrucksvoll bestätigt, eine rasche, anhaltende Entfernung von B-Zellen aus der Zirkulation, Verschwinden von anti-dsDNA-Antikörpern, Normalisierung der Komplementspiegel und Proteinurie nachgewiesen. In allen Fällen konnte bislang eine medikamentenfreie Remission etabliert werden. (4)

Interessant war auch die von Noemi Jourde-Chiche, Marseille (Frankreich), und Kollegen vorgestellte erste randomisierte, kontrollierte Studie WIN-Lupus zum Ausschleichen von IS bei proliferativer LN. Zwar wurde der Nachweis einer Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem Fortführen der IS-Therapie bei den 96 Patienten nach 2-3 Jahren verfehlt (höheres Risiko auch schwerer renaler/nicht-renaler Schübe), andererseits blieben gut 70 % der Teilnehmer ohne Schub. Was fehlt, sind genaue Anhaltspunkte, beim wem ein solches Tapering gefahrlos möglich ist. (5)             

Quellen:
1   Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 327-328 (Poster POS0190)
2   Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 209 (Abstr. LB0004)
3   Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 210 (Abstr. LB0005)
4   Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 185 (Abstr. OP0279)
5   Ann Rheum Dis 2022; 81(Suppl 1): 185-186 (Abstr. OP0280)